Was is(s)t Zürich im Rahmen der Stadtinstallation „Alles muss Weg – 9 Tage urbaner Ausverkauf“ im Schiffbau

Eine Woche später haben wir die Erfahrungen und Erlebnisse von unserer performativen Stadtraumforschung „Was is(s)t Zürich?“ im Rahmen der Stadtinstallation „Alles muss raus – 9 Tage urbaner Ausverkauf“ im Schiffbau des Schauspielhauses Zürich als performative Marktinstallation präsentiert.

An vier verschiedenen Ständen konnten die Besucher am 29.9.2011 die in der vorigen Woche gesammeltem Rezepte in einem Rundlauf erleben: So wurden an einem Stand Sushi, Ratatouille, Konfekt, Brot, Berliner und Quartiergeist verköstigt, an einem anderen das Gesprächsformat der Mittagstische live miterlebt, am dritten ein eigener Beitrag zum Videoarchiv erstellt und an einem vierten die visuellen Maps der gesammelten Rezepturen diskursiv rezipiert. Zwischen jeder Runde haben sich Zürich-Experten aus verschiedenen Disziplinen à la speaker‘s corner auf ein Podest in der Mitte der kreisförmig angeordneten Marktstände geschwungen und Input in den öffentlichen Raum gegeben: Meret Schlegel (Choreografin, Tanzhaus Zürich) hat über die Frage nachgedacht, wie sich Zürich bewegt, Clemens Bellut (Philosoph, ZHdK), wie sich Zürich andenken lässt, Lino Sibelius (Leiter Haus der Farben), welche Farbe Zürich hat, Jens Badura (Philosoph, ZHdK), was Zürich ist, Simon Keller (Projektleiter für gesamtstädtische Strategien im Team Stadt- und Quartiersentwicklung der Stadt Zürich), was Zürich sein könnte und Ray Herlitz (Gastronom), was Zürich speist. Gemeinsam haben wir am Ende des Rundlaufs die auf Video archivierten Rezept angesehen.

Was is(s)t Zürich?

Was is(s)t Zürich?

Wer könnte diese Frage besser beantworten als die Bewohner, die tagtäglich in den Genuss der Stadt kommen – mit all dem Genüsslichen und Geschmacklosen, dem Delikaten und Unverdaulichen Dingen des täglichen Lebens. An verschiedenen Plätzen der Stadt laden wir die Bewohner ein, uns ihre persönlichen Rezepte zu verraten: Rezepte für die liebsten Speisen, Rezepte für einen besseren Alltag, Rezepte für eine schönere Stadt.

Vom 19. – 23. September (Mo – Fr) tauschen wir an verschiedenen Plätzen der Stadt eine Suppe gegen ein Gespräch, das sich mit verschiedenen Themen der Stadt befassen soll. Eine Woche später stellen wir die dabei gesammelten „Rezepte für Zürich“ im Schiffbau in der grossen Stadtinstallation „Alles muss Weg – 9 Tage urbaner Auverkauf“ vor.

Hier die Daten und Orte (jeweils 12 oder 13 Uhr, für ca. eine Stunde):

19.9. Seefeldstrasse 89, neben dem Eingang zum Parkhaus “Feldegg“
20.9. Marktplatz Oerlikon, Mitte vom Marktplatz
21.9. Schmiede Wiedikon, Birmensdorferstrasse
22.9. Langstrasse, Höhe Fussgaängerunterführung, Seite Zollstrasse
23.9. Züghusplatz, neben dem Juno-Brunnen

Nächtliche Forschungssalons

Forschungssalons
vom 24.6. bis 1.7., jeweils 21:45 Uhr

An sieben Abenden finden im Festivalzentrum im Schiffbau Forschungssalons und öffentliche Gespräche statt. Gäste aus der Wissenschaft und Kultur treffen auf die Künstler von Ciudades Paralelas, tauschen ihre Eindrücke und Gedanken zu den eben besuchten Orten aus und erörtern diese spezielle Form der Theatervorstellung. Dieses nächtliche Symposium bei einem Glas Wein ist Teil des Forschungsprojektes „Re/Okkupation“, das sich damit beschäftigt, wie performative Techniken zur Gestaltung von Öffentlichkeit im urbanen Raum genutzt werden können.

24.6. Lukas Bärfuss (Autor) und Nikolaus Müller-Schöll (Theaterwissenschaftler) sprechen mit Mariano Pensotti und Ligna

25.6. Martin Burckhardt (Philosoph) und Christopher Dell (Musiker und Improvisationstheoretiker) sprechen mit Christian Garcia

27.6. (!) Andres Bosshard (Klangforscher und -komponist) und Philip Ursprung (Kunsthistoriker) sprechen mit Ant Hampton

28.6. Christopher Henning (Philosoph) und Samir (Filmemacher) sprechen mit Gerardo Naumann

29.6. Jens Badura (Philosoph) und Angeli Janhsen (Kunsthistorikerin) sprechen mit Ligna und Lola Arias

30.6. Georg Christoph Tholen (Medien- und Kunstwissenschaftler ) und Patrick Primavesi (Theaterwissenschaftler) sprechen mit Dominic Huber

1.7. Miriam Drewes (Theaterwissenschaftlerin) und Simone Mahrenholz (Philosophin) sprechen mit Stefan Kaegi

https://blog.zhdk.ch/reokkupation/files/2011/06/Handzettel_ciudades1_071.pdf

Moderation und Konzeption: Imanuel Schipper

Re/Okkupation – Gestaltung von Öffentlichkeiten im urbanen Raum durch theatrale Interventionen (Leitung: Imanuel Schipper) wird gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds (DoRe) und wird am Institut Design2context (ZHdK) und der ETH (Professur für Architektur und Städtebau) durchgeführt.

Re/Okkupation – Kick Off!

Das Forschungsprojektes „Re/Okkupation“, das in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Zürich und der ETH (Professur für Architektur und Städtebau) am Institut für Theorie (ith) der ZHdK stattfindet und vom Schweizer Nationalfonds (SNF) gefördert wird, untersucht exemplarisch am Beispiel von theatralen Interventionen im Stadtraum Zürich, wie performative Techniken zur Erzeugung und Gestaltung von Öffentlichkeit im urbanen Raum genutzt werden können. Dabei bedient es sich interdisziplinär den Instrumentarien und Methoden der Design-, Architektur-, Urbanistik- und Theaterwissenschaft sowie der Philosophie.

Forschungsgegenstand ist „Ciudades Paralelas – Parallele Städte“, ein mehrtägiges Festival in verschiedenen Funktionsräumen der Stadt Zürich: Bahnhof, Hotel, Bibliothek, Shopping-Center, Wohnhaus, Fabrik, Dachlandschaft und Gericht werden von Künstlern aus Deutschland, Argentinien und der Schweiz durch Interventionen anders belebt und dem Besucher anders zugänglich gemacht. Die Interventionen bespielen also nicht traditionelle Typologien öffentlicher Räume (wie Strassen, Plätze, Parks etc.), sondern erschliessen andere/neue städtische Räume, in denen Öffentlichkeit praktiziert werden kann. Kuratiert wird das Mini-Festival von dem Rimini Protokoller Stefan Kaegi und der argentinischen Regisseurin Lola Arias. Praxispartner und Produzent ist das Schauspielhaus Zürich.

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich grundsätzlich mit der Frage, inwiefern künstlerische Strategien für wissenschaftliches Forschen fruchtbar gemacht werden können, indem es mit den Methoden der Wissenschaft die Nachhaltigkeit der theatralen Interventionen von Ciudades Paralelas im Stadtraum Zürich untersucht. Die vier Forschungsbereiche – Theaterwissenschaft, Urbanistik, Szenografie und Philosophie – arbeiten weitgehend unabhängig mit jeweils eigenen Fragestellungen und den Methoden der eigenen Disziplin. Wesentlich sind die drei gemeinsamen Treffen – wir nennen sie Laboratorien – in denen sowohl über den Stand der Arbeit berichtet, nach Gemeinsamkeiten und Differenzen gesucht, wie auch eruiert wird, ob und inwiefern sich die Forschungsbereiche aufeinander abstützen können. Als zusätzlicher Input und externe „Kontrolle“ werden zu diesen Laboratorien jeweils 4 – 6 Künstler oder Wissenschaftler diverser Disziplinen als Experten eingeladen.

In den einzelnen Forschungsteilen werden Fragen aufgeworfen, die das theatrale Ereignis und sein Umfeld von verschiedenen Seiten beleuchten. Immer geht es sowohl um eine Beschreibung der künstlerischen Intervention im urbanen Raum, der konkreten Gestaltung einer Öffentlichkeit, als auch um die Nützlichkeit theateraler Techniken zu dieser Gestaltung.

Durch die enge Verzahnung mit dem Festival Ciudades Paralelas versucht das Forschungsprojekt eine Brücke zu schlagen zwischen der künstlerischen Arbeit, die sich mit dem urbanen Raum beschäftigt, und den Disziplinen, die sich in einem eher wissenschaftlichen-theoretischen Umfeld damit auseinandersetzen.

Theaterwissenschaft – Imanuel Schipper (Projektleiter, ith, ZHdK)

Hier geht es um die Frage, was für Vorstellungsarten, Dramaturgien, Inszenierungen und Materialitäten für die theatralen Stadtrauminterventionen benutzt werden, und welche Rolle der Zuschauer dabei spielt: Wie stark wird er inkludiert und dadurch emanzipiert (im Verhältnis zur „klassischen“ Publikumssituation)? Daran anschliessend soll erörtert werden, was solche neuen Theaterformen für die Institution „Stadttheater“, für dessen Image in der Stadt und für dessen Publikum bedeutet – wenn Theater die bekannten Bretter (die die Welt bedeuten) verlässt und „normale“ urbane Funktionsräume zu Bühnen macht.

Philosophie – Clemens Bellut (Design2context, ZHdK)

Der geisteswissenschaftlich ausgerichtete Beitrag zu der Forschung untersucht einige Aspekte der philosophischen Diskussion über die politische Öffentlichkeit und schliesst Positionen von Arendt über Habermas, Lefebvre bis Agamben und Rancière ein. Insbesondere wird eine Konstruktion des Begriffes der „Öffentlichkeit“ als These aufgestellt und an Hand der künstlerischen Interventionen auf dessen Brauchbarkeit kritisch überprüft.

Urbanistik – Tim Rieniets (Urban Research Studio, Professur für Architektur und Städtebau, ETHZ); Gabriela Muri Koller (Dozentur Soziologie, ETHZ; Institut für Populäre Kulturen, UZH)

Das Forschungsprojekt Re/Okkupation (Teilprojekt Urbanistik) nimmt Ciudades Paralelas zum Anlass, einen noch weitgehend unerforschten Fragenkomplex zum Thema ‚öffentlicher Raum’ zu behandeln: Ist es möglich, durch Einsatz performativer Techniken aus dem Theater, Qualitäten von Öffentlichkeit in städtischen Räumen zu stimulieren? Welche performativen Techniken sind besonders gut geeignet, um Öffentlichkeit zu erzeugen? Welche städtischen Räume sind besonders geeignet, um durch performative Techniken qualifiziert zu werden?
Für das Forschungsprojekt Re/Okkupation (Teilprojekt Urbanistik) ist Öffentlichkeit kein politisch, juristisch oder medial vordefinierter Raum, sondern ein gesellschaftlicher Akt der gegenseitigen Wahrnehmung und Interaktion unterschiedlicher Gruppen und Individuen. Öffentlichkeit ist in diesem Sinne konstitutiv für den öffentlichen Raum und für jene Form des menschlichen Zusammenlebens, die wir Stadt nennen. Öffentlichkeit ist demnach nicht an bestimmte Raumtypen gebunden (z.B. Straßen, Plätze, öffentliche Anlagen), sondern kann sich überall dort ereignen, wo gegenseitige Begegnung und Austausch möglich ist: In Shoppingcenter, Bahnhöfe, Bibliotheken, Hotels, Fabriken etc.
Um die Wirksamkeit performativer Interventionen für die Entstehung von Öffentlichkeit verstehen und beurteilen zu können, werden ausgewählte Projekte von Ciudades Paralelas mittels empirischer Forschungsmethoden untersucht. Das Forschungsprojekt Re/Okkupation (Teilprojekt Urbanistik) bewegt sich dabei in einem interdisziplinären Spannungsfeld zwischen städtebaulicher und kulturwissenschaftlicher Stadtforschung. Um die Wechselwirkungen zwischen Menschen, Räumen und theatralen Interventionen erfassen zu können, kommt eine methodenplurale Kombination stadtethnografischer, kartografischer, film- und textbasierter Verfahren zum Einsatz.
Das Forschungsprojekt Re/Okkupation (Teilprojekt Urbanistik) wird von einem interdisziplinären Team von Studierenden durchgeführt und ist eine Kooperation der Professur für Architektur und Städtebau (ETH Zürich), der Dozentur Soziologie (ETH Zürich) und dem Institut für Populäre Kulturen (Universität Zürich) durchgeführt.

Szenografie – Stephan Trüby (MAS Scenography, ZHdK)

In diesem Teil liegt der Fokus auf Materialität und Funktion der bespielten Räume. Untersucht wird deren Umnutzung durch die theatralen Interventionen. Neben einer historischen Verortung der Umnutzung von öffentlichen Räumen wird auch nach dem Hinterlassen von Spuren aus der Umnutzung an der Architektur und bei den „Benutzern“ der Räume geforscht.