Utopisches Zeug – Design in Gebrauch und Verhandlung

Kann Design als zeitgenössische Lebenskunst verstanden werden?

Indem sich strukturelle Gemeinsamkeiten des Designs mit seiner Handlungs- und Technikbezogenheit zu verschiedenen Bedeutungsebenen der Lebenskunst im griechischen Begriff Technée (Platon) zeigen, ergibt sich die Möglichkeit, sie analog zu der von Michel Foucault aus der Lebenskunst entwickelten Selbsttechnik für das Design neu zu verorten und fruchtbar zu machen. Dem Dispositiv Ausstellung kommt dabei, als Ort der Verhandlung bestimmter Konventionen des Umgangs mit dem Design, eine besondere Bedeutung zu.

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do hit chair, Marjin van der Poll, 1999

1.     Konventionen des Zeigens – Ritual und Repräsentation

Mit der Gründung von Designmuseen und einer stark wachsenden Ausstellungstätigkeit lassen sich es seit dem Ende der 1980er Jahre Veränderungen eines Werkverständnisses im Design feststellen. Der Wandel in den Konventionen des Ausstellens von Design, aber auch der sich stark entwickelnde Markt haben bereits mit spezialisierten Galerien, Designmessen und limitierten Editionen auf einen erweiterten und autonomer gefassten Werkbegriff reagiert. Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet sicherlich die Gründung der Designmesse „Design/Miami“ (Basel) im Jahre 2005, die jeweils parallel zu einer der bedeutendsten Kunstmessen weltweit, der Art Basel, stattfindet.

Dennoch existiert, ausser Verschmelzungsprognosen und begrifflichen Verschränkungen wie „Design + Art = DesignArt”, kaum eine differenzierte theoretische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Der jeweilig eigenständige Hintergrund der beiden Disziplinen bleibt dabei in Markt, Ausbildung, Öffentlichkeit und den Konventionen des Ausstellens bestehen und entwickelt dezidiert eigene Formate des Umgangs. „Hat jede Gesellschaft ihre Rituale, so ist die Ausstellung – und darin liegt der Kern ihres Erfolgs – das Ritual einer „produktivistischen“ Gesellschaft (Felix Guattari), einer Gesellschaft, die sich über Objekte definiert und die ihre Identität sowie ihren Wohlstand aus der Herstellung materieller Güter bezieht.“ (Dorothea von Hantelmann) Wenn wir die Ausstellung als konkreten Ausdruck der Produktivgesellschaft betrachten möchten, ergibt sich durch die These Hantelmanns zwingend eine direkte Verbindung zu den Ausstellungsformaten des Designs, bei denen die möglicherweise spezifische „rituelle“ Prägung einen Hinweis auf das veränderte Werkverständnis im Design bildet.

2.     Selbsttechnik und Delegation

Bereits sehr früh in der Geschichte des Designs, während der Industrialisierungsprozesse im 18. und 19. Jh. und damit im Grunde bei der Entstehung des Designs als Disziplin, werden mit der Produktion und Gestaltung von Gebrauchsgütern ethische Werte verknüpft. Die Prägung des Alltags durch industriell gefertigte Güter wird im Design als Verantwortung und als Bildungsauftrag wahrgenommen. Im Übergang von einer handwerklich geprägten zu einer industriellen Produktion erscheint die Warenwelt entfremdet. Dies wird an Ausstellungsformaten wie z.B. Präsentationen von Warenhäusern, Produktschauen und Weltausstellungen sichtbar. Der entfremdete Gebrauchsgegenstand wird als Ware zu einem rationalisierten, anonymisierten Industrieprodukt, das im Display des Marktes ebenso unnahbar erscheint wie die Kunst in den Galerien des bürgerlichen Museums. Als eine eben solche, durch Warenhäuser und Ausstellungskontexte der Industrie stilisierte moderne Ware, wird sie auch in der Kunstgewerbe- und Lebensreformbewegung problematisiert.

Die Waren werden als Fetisch (H. Böhme) zu „sinnlich übersinnlichen oder gesellschaftlichen Dingen“ (Marx) und übernehmen als Fetische auch gesellschaftliche Funktionen, die zunächst von der Kunst erfüllt wurden: „Gestylte Kochbücher ersetzten das Stillleben (…) der schicke Geländewagen die Landschaft. (…) Sind z.B. die scheinbar allradgetriebenen Geländewagen, die in zunehmenden Mass unsere Städte bevölkern wirklich dazu da Wochenenden im Grünen zu verbringen? (…) Oder dienen die sogenannten SUVs genau dem Gegenteil, nämlich dazu, eine Erfahrung von Natur und „Off-road“ zu verkörpern, ohne das man überhaupt noch hinzufahren braucht. (…) Ist das Kochbuch nur der sehnsüchtige, symbolische  Ersatz für ein Feld von Erfahrungen das unwiederbringlich verlorengegangen ist (…)? (Pfaller) Die Kritik an einer Warenkultur und -ökonomie sowie an einer mit ihr verbundenen Lebenspraxis richtet sich demnach an den Umgang mit einer interpassiven (Pfaller) Dimension der Ware.

Verantworlich für das Teilprojekt: Tido von Oppeln

Tido von Oppeln arbeitet als Autor, Kurator und Dozent in Zürich. Seit 2005 war er an verschiedenen Ausstellungen zu Design, Kunst und Architektur im Werkbundarchiv – museum der dinge, Vitra Design Museum, Marta Herford und im MuseumsQuartier Wien beteiligt. Er schreibt für unterschiedliche Designmagazine, unter anderem regelmässig für das belgische Kunst-, Architektur- und Designmagazin DAMN. Seit 2009 ist er zudem Dozent für Designtheorie und -geschichte in Luzern und Zürich.

tido.vonoppeln(at)zhdk.ch
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