Neue künstlerische Darstellungsformate etablieren sich nicht einfach als Überschreitungen von alten; sie verändern vielmehr die Perspektive auf diese und lassen damit das Alte neu erscheinen und damit die eigene Tat als immer schon gerechtfertigt oder gar als höchst notwendig. Damit verschwinden jedoch leicht die historischen Eigensinnigkeiten dessen, was überschritten werden soll, und die Dynamiken und Spannungen zwischen den einzelnen Feldern der Kultur, des Wissens und der Politik werden auf eindimensionale Logiken der Entwicklung hin reduziert. In den meisten Diskursen zur künstlerischen Forschung wird dementsprechend heute ein Anspruch erhoben, dass Kunst grundsätzlich und immer schon eine besondere Art der Wissensproduktion darstelle, dass ihr ein epistemologisches Potential innewohne, oder gar, dass sie eine «ästhetische Wissenschaft» hervorbrächte. Dem geht die Hoffnung einher, dass die Kunst in der künstlerischen Forschung sich dennoch ihrer Verwissenschaftlichung entziehen werde und gleichzeitig eine neue, fröhliche und subversive Wissenschaft in Gang zu setzen in der Lage sei. Solchen Formulierungen gegenüber scheint mir zumindest eine gewisse Skepsis angebracht, nicht nur weil sich in ihnen stark idealisierte Erwartungen an Kunst und damit ein ungebrochen substanzielles Kunstverständnis ausdrückt, sondern weil ich denke, dass sie das Problem, das im Verhältnis von Kunst und Forschung angesprochen wird, eher verdecken als lösen.
Um dieses Problem besser zu erfassen, wird es notwendig sein, erst einmal zu verstehen, warum Kunst im geläufigen, modernen Verständnis eben nicht Wissen, Forschung oder eine Wissenschaft ist. Sie bleibt darin vielmehr stets auf Vorstellungen eines individuellen Ausdrucks, einer besonderen, kontemplativen Erfahrung oder einer energetischen Kommunikationskraft bezogen. Diese Begriffe werden zu Recht als hoch ideologisierte Konstrukte kritisiert; dennoch sind sie in sich vielschichtiger als sie in den direkten Abgrenzungsakten der künstlerischen Forschung manchmal erscheinen. Auch ist heute zweifellos nicht mehr jede Kunst als Ausdruck, Kontemplation oder unmittelbarer Energietransfer zu verstehen. Historisch gesprochen hat sogar genau dieses moderne Verständnis von Kunst seine Wurzeln in einer Art von Wissensproduktion, zumindest innerhalb der für es selbst formativen Periode der europäischen Renaissance. Die Frage stellt sich jedoch, warum es diese Verbindung in der Moderne verloren hat; warum das enorme soziale Prestige und die daran geknüpften institutionellen Privilegien der Kunst genau darauf basieren, dass sie nicht als Wissen, Forschung oder Wissenschaft begriffen wird.
Entscheidend für eine Rekonstruktion des Problemhorizonts von Kunst und Forschung wird daher sein, die besonderen Verhältnisformen zwischen Ausdruck und Wissen, aktiver Welterforschung und passiver Kontemplation, energetischer und reflexiver Kommunikation in ihrer jeweiligen historischen Prozessualität zu verstehen. Auffallend ist vor allem, wie stark diese Begriffspaare aufeinander bezogen sind, so dass man mit gutem Grund von einem komplementären Verhältnis sprechen könnte; auch die historischen Dynamiken zwischen diesen Begriffen lassen sich nicht nach dem Muster eines eindimensionalen Übergangs vom Ausdruck zum Wissen, von der Kontemplation zur Vita activa, von der magischen zur rationalen Kommunikation begreifen. Vielmehr wäre auch hier eher der Zusammenhang zu wahren, das heisst, das aufeinander Angewiesene der Positionen zu sehen und diese daher eher als miteinander interagierende Spannungspole zu begreifen. Auf der Ebene der sozialen Differenzierung bilden sich die Spannungspole dieser Verhältnisformen zu funktional differenzierten Feldern wie etwa Kunst und Technik, Kunst und Wissenschaft, Natur- und Geisteswissenschaften aus.
Das heisst, diese Felder differenzieren sich keineswegs nach ihren jeweils inneren Logiken aus und bringen damit autonom und rein «emergent» ihre modernen Erscheinungsformen hervor; sie grenzen sich vielmehr voneinander ab, und gerade indem sie dies tun, bleiben sie auch aufeinander bezogen. Die Kunst ist daher im modernen Verständnis genau das, was die Wissenschaft nicht ist und umgekehrt. Doch dieses jeweilige Sein und Nicht-Sein kann nur durch den Kontakt miteinander vermittelt werden, sonst könnten nämlich die Abgrenzungsakte gar nicht vollzogen werden. Strukturell gesehen, ist also ein Mindestmass an Austausch notwendig, gerade um sich als möglichst autonom und abgegrenzt voneinander definieren zu können. Solche Abgrenzungsakte entfalten in ihren grundlegenden Logiken bereits auf der Begriffsebene ein Wechselspiel zwischen, mit Ernst Cassirer gesprochen, Funktions- und Substanzbestimmungen. Alle Wissenschaft seit dem 18. Jahrhundert versteht sich als Auflösung von substanziellen Vorannahmen und als strikt funktionaler Erklärungsansatz. Die Gegenstandbereiche selbst müssen allerdings vielfach erst durch substanzielle Annahmen (das Leben, die Natur) konstituiert werden. Für die Kunst, die Geisteswissenschaften und die Philosophie sind hingegen die Substanzfragen (nach dem Muster der «Was ist …»-Fragen) konstitutiv geworden, als prägende Hintergrundannahmen auch dort, wo sie sich selbst einen scheinbar strengen Funktionalismus auferlegt haben. Tatsächlich sind so, nach C. P. Snows berühmter Formulierung, «zwei Kulturen» entstanden, die scheinbar einen jeweils vollkommen unterschiedlichen Umgang mit ihren Begrifflichkeiten, Methoden und Weltverständnissen pflegen. Die Klage über die Spaltung der Kulturen übersieht jedoch geflissentlich die Abhängigkeiten dieser Kulturen voneinander und damit die Tatsache, dass es genau die Abgrenzungsakte voneinander sind, in denen sich die Moderne als Spaltung von Kulturen realisiert. Umgekehrt erscheint jedoch auch die Hoffnung, diese Spaltung durch ein wenig inter- bzw. transdisziplinäre Emphase intentional überwinden zu können, als trügerisch.
Denn hier zeigt sich das Problem, dass keineswegs leicht zu entscheiden ist, ob ein transdisziplinärer Ansatz in welchem Bereich auch immer tatsächlich die Ordnung der Felder auflöst und die Spaltung der Moderne aufzuheben in der Lage ist, oder ob ein solcher Ansatz eben nur jene notwendigen Berührungspunkte liefert, auf Grund derer sich die Felder erst voneinander abgrenzen und der somit zu deren «autonomer» Begründung beiträgt. Luhmann wie Bourdieu haben aus ihren höchst unterschiedlichen Perspektiven heraus nahegelegt, dass gerade die transgressiven Logiken der Avantgarde-Tradition keineswegs ihre Ausgangsbedingungen überwinden, sondern eher zur Stabilisierung der jeweiligen Systeme oder Felder beitragen können. Nicht nur macht erst die Überschreitung die Grenzen sichtbar und bestätigt diese in der Wiederholung, auch bilden sich in den Abgrenzungsakten jene vereinfachten Klischees des jeweils anderen aus, die ebenso zu dessen innerer Stabilisierung beitragen; und schliesslich bestätigt die kritische Abgrenzung vom anderen Feld immer auch gleichzeitig den Ort der Aussageposition im eigenen Feld. Das heisst, die Kritik etwa am Objektivismus der Naturwissenschaften im Namen eines immer schon inkarnierten Sinns oder eines situierten Wissens hebt keineswegs die Spaltung der zwei Kulturen auf, sondern bestätigt und reproduziert zuallererst diese Spaltung.
Deshalb wird es für die Debatte um die Möglichkeiten und emanzipatorischen Potenziale künstlerischer Forschung entscheidend sein, die historischen Prozesse dieser komplementären Ausdifferenzierung, die darin wirkenden Logiken und ihre kulturellen Effekte besser zu verstehen. Dies wiederum setzt voraus, die Spannung zwischen Wissenschaft und Kunst nicht vorschnell aufzuheben und einer intentionsgeleiteten, letztlich eher konfusen als tatsächlich emanzipatorischen Verschmelzung das Wort zu reden. Erst die Anerkennung der Differenz erlaubt, die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Austausches zu stellen, der tatsächlich über die strukturell notwendigen Kontakte für den Systemerhalt hinausweisen könnte. Das Projekt «künstlerische Forschung» muss dementsprechend von einem zweistufigen Modell ausgehen, bei dem die erste Stufe die Differenzierung der beiden Bereiche und vor allem die in dieser Differenzierung historisch entwickelten Methoden, Begriffe, Kriterien und Massstäbe anzeigt und erst auf der zweiten Stufe nach Möglichkeiten einer neuen oder tatsächlich anderen Bezugnahme gefragt wird.
Dies gilt insbesondere für die Entwicklung eigener Begriffe, Methoden und Kriterien für künstlerische Forschung. Denn die Verschmelzung der Felder führt erst einmal auch zur Verunklärung der Massstäbe, nach denen die Ergebnisse beurteilt werden könnten. Künstlerische Forschung müsste den Spagat zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Kriterien schaffen bzw. ihnen gleichermassen genügen, was allerdings kaum vorstellbar ist, gerade weil diese Kriterien jeweils durch die komplementäre Differenzierung geprägt sind. Es kann also nicht damit getan sein, einen reinen Subjektivismus des Wissens gegen die Objektivitätsanmassung der Naturwissenschaften ins Feld zu führen; zwar artikuliert sich zweifellos auch im reinen Subjektivismus eine bestimmte Form von Wissen, aber eben keine nachprüfbare, letztlich falsifizierbare Erkenntnis. Der Begriff der Forschung lebt gerade von dieser Differenz zwischen Wissen und Erkenntnis; und es ist dementsprechend genau diese Differenz, die auch in der künstlerischen Forschung adressiert werden muss. Hierfür sind zweifellos die Fragen nach der politischen, ästhetischen und philosophischen Relevanz des alltäglichen, subjektiven Wissens von Bedeutung; ferner können mit gutem Recht die verdinglichende Objektkonstitution und die distanzierenden Selektionskriterien der Wissenschaft kritisch befragt oder auch die Rolle der alltäglichen Sprachspiele und epistemischen Diskurse für die Konstitution der Wissenschaften insgesamt zur Diskussion gestellt werden. Doch alle diese wissenschaftskritischen Argumente können nicht die grundsätzliche Differenz von Wissen und Erkenntnis überwinden, ohne einem irreduziblen Relativismus das Wort zu reden. Das heisst, auch die künstlerische Forschung muss ihren Begriff der Forschung philosophisch und wissenschaftstheoretisch ernst nehmen und darf ihn nicht zu einer schwammigen Metapher des Navigierens in unterschiedlichen Wissensfeldern degradieren.
Gleichzeitig steht sie vor der Aufgabe, auch ihren Begriff von Kunst reflexiv zu bestimmen und diesen nicht als vagen Statthalter für Subjektivismus, freie Wissensassoziationen oder politische Voluntarismen aller Art einzusetzen. Gerade die Beliebigkeit solcher Bestimmungen ist ein untrügliches Zeichen der künstlerisch-geisteswissenschaftlich-philosophischen Kultur und weit davon entfernt, diese in Frage zu stellen. Es kann also nicht bloss um die Aneignung von wissenschaftlichen Methoden im Sinne einer «erweiterten» künstlerischen Praxis gehen, denn gerade diese Formen einer verwissenschaftlichen Kunst tendieren leicht dazu, ein eigenes Subfeld des Kunstfeldes und keinen tatsächlichen «Zwischenbereich» zu etablieren. Nur wenn diese Verfahren – und hierin unterscheiden sie sich nicht von den traditionell künstlerischen – auch im Sinne einer Forschung, das heisst einer Erkenntnisorientierung durch die spezifischen künstlerischen Methoden, eingesetzt werden, kann tatsächlich von einer künstlerischen Forschung gesprochen werden.
Eine solche Erkenntnisorientierung liesse sich wohl am besten von dort aus entwickeln, wo die Bezugnahmen auf- und die Abgrenzungsakte voneinander in der Konstitution der komplementären Begrifflichkeiten, Logiken und Felder noch in ihrem Zusammenhang erkennbar sind. Das betrifft die künstlerischen Methoden selbst insofern, als diese gerade in ihrem progressiven Selbstverständnis stark durch intentionale Bezugnahmen auf wissenschaftlich-technische Begriffe, wie etwa Experiment oder Labor gekennzeichnet sind, ohne dabei jedoch zumeist die Differenz im Gebrauch solcher Begriffe zu thematisieren. Künstlerische Forschung wäre dann sinnvoll, wenn diese Begriffe nicht einfach beansprucht würden, sondern wenn in der Beanspruchung auch gleichzeitig die Abgrenzung sichtbar gehalten und damit ihr spezifischer künstlerischer Sinn artikuliert werden könnte. Ähnliches gilt für die Vorstellungen einer Produktion, eines Verfahrens, einer Textualität oder einer Praxis, die allesamt darauf zielen, die idealistische Kategorie des Kunstwerks zu ersetzen. Doch alle diese Begriffe verankern die künstlerischen Arbeiten keineswegs in der Realität; Produktion, Verfahren, Textualität und Praxis sind selbst historisch zu situierende und damit zu interpretierende Begriffe, die nicht als endgültige Lösungen für das Problem des Werks gelten können. Sie bleiben sogar notwendigerweise auf die Kategorie des Werks zurückverwiesen, denn als künstlerische Behauptungen können sie sich gleichzeitig nur in Abgrenzung zu den reinen Formen der ökonomischen Produktion, des juridischen Verfahrens, des wissenschaftlichen Texts oder der politischen Praxis begreifen. Und die Kriterien des Künstlerischen haben sich historisch stark an der Kategorie des Werks entwickelt; sie sind nicht ohne weiteres davon ablösbar. Daher beschreiben diese Begriffe selbst nur unzureichend die von ihnen gemeinten, transgressiven künstlerischen Arbeitsweisen; diese werden vielmehr nur verständlich, wenn man ihre begrifflichen Definitionsversuche als spezifische Übertragungsakte von einem Feld in das andere versteht. Solche Übertragungsakte und die in ihnen wirksam werdenden Aneignungsgesten verweisen stets eher auf die Logiken und Bedürfnisse des Felds, aus dem heraus sie vollzogen werden; sie markieren die von ihnen gebrauchten Begriffe mit einem voluntaristischen und performativen Element, das im Widerspruch zu seiner scheinbar objektiven Semantik steht. Doch wären sie deshalb keineswegs als vermeidbare Fehler auf dem Weg zur wahren künstlerischen Forschung zu begreifen; für diese sind sie gerade als symptomatische Faktoren konstitutiv.
Die Bedingungen dieser Übertragsakte und Aneignungsweisen in den unterschiedlichen Milieus der jeweils eigenen «Kultur» zu reflektieren erscheint daher unumgänglich. Vor allem jene Haltungen, Positionen und Selbststilisierungen, die als besondere Subjektivierungsweisen einen entscheiden Faktor künstlerischer Identitätsbildungen ausmachen, können von der künstlerischen Forschung nicht ignoriert werden. Auch in ihnen artikuliert sich nicht ein Hindernis für einen Forschungsansatz, sondern die Bedingung seiner Möglichkeit. Denn selbst wenn die «distanzierte» und deshalb wiederhol- und nachprüfbare Herangehensweise gegenüber dem subjektiven «Engagement» zum eigentlichen Kriterium des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns geworden ist, dann heisst dies doch gerade, dass solche distanzierten Einstellungen stets auch persönliche Entscheidungen sowie subjektive Aneignungsformen und Bedeutungsaufladungen voraussetzen. Daran lassen sich wiederum nicht nur spezifisch künstlerische Fragestellungen festmachen, sondern auch solche der wissenschaftlichen Kreativität oder des Stils und der möglichen Dimension eines wissenschaftlichen Werkbegriffs. Umgekehrt liesse sich von hier aus nach den «distanzierenden» Faktoren des Kunstbetriebs fragen und die Gemeinsamkeiten bzw. Differenzen der jeweiligen institutionellen Strukturen adressieren. Auch der akut subjektive Faktor einer jeden Kontextualisierung von Wissen und Erkenntnissen als der spezifisch politischen Dimension künstlerischer Forschung rückt hier ins Blickfeld. Über die klassisch wissenssoziologischen oder sozialhistorischen Themenstellungen zur Funktion und den Wirkungen von Erkenntnissen oder zu den sozialen Standorten oder Aussagepositionen der wissenschaftlich bzw. künstlerisch tätigen Subjekte hinaus könnten dabei die impliziten moralischen, politischen und kulturellen Aspekte jeder Forschung adressiert werden. Gegenüber den akademischen Herangehensweisen liessen sich hier sicherlich andere Momente mobilisieren, die mit der unterschiedlichen Institutionalisierung, den spezifischen Milieus und Erfahrungen von Kunst zu tun haben.
Es gilt daher nicht so sehr Aspekte der jeweils anderen Kultur intentional zu beanspruchen, im positiven wie im negativen Sinn, und daraus entweder die Bestätigung des jeweils Eigenen oder auch dessen kategorische Auflösung abzuleiten, sondern erst einmal die immer schon vorhandenen Austauschprozesse in ihren vielfältigen historischen, sozialen und kulturellen Dimensionen zu adressieren. Tatsächlich existieren tiefliegende epistemische Zusammenhänge, die sich jedoch innerhalb der Moderne vielfach erst in der Spaltung der Kulturen realisieren konnten. Es handelt sich hierbei um Aspekte der Wissenschaften und der Kunst, die in deren jeweiliger akademischer oder kunstweltlicher Selbststilisierung meist nur als sekundär eingestuft werden. Darunter wären neben den Subjektivierungs- auch die «Objektivierungsfragen» zu fassen, insbesondere hinsichtlich der Anordnungs- und Präsentationsweisen von Objekten, die der reinen Erkenntnis keineswegs äusserlich sind; sie haben im Lauf der frühen Neuzeit den wissenschaftlichen Diskurs überhaupt erst in Gang gesetzt, dessen Objekt- bzw. Objektivitätsverständnis mit geformt, und sie prägen als sammlungslogische oder «archivologische» Effekte bis heute die Diskurshorizonte in beiden Kulturen. Noch grundlegender wäre in dieser Hinsicht die metaphorische Dimension sowohl der künstlerischen als auch der wissenschaftlichen Begrifflichkeiten, Sprachspiele und epistemischen Diskurse zu nennen. Denn diese metaphorische Dimension beruht vielfach auf Entlehnungen von Begriffen und Vorstellungsweisen aus dem jeweils anderen Feld. Gegen jeden Begriffsrealismus ist gerade sie es, die Veränderung denkbar hält und die hermetische Schliessung der beiden Kulturen etwa in einen reinen Subjektivismus auf der einen Seite und einen ebenso reinen Objektivismus auf der anderen verhindert. Auf dieser metaphorologischen Ebene tauschen die beiden Kulturen tatsächlich zentrale Elemente ihrer Identitätsbildungen aus, ohne sich dabei jedoch ineinander aufzulösen. Diese Transfers in ihren unterschiedlichen historischen wie funktionalen Dimensionen oder in der besonderen, wechselseitigen Kontextualisierung zu erforschen setzt voraus, insbesondere jene Bedeutung stiftenden Akte des Austausches selbst zu adressieren. Denn in ihnen findet sich die Idee einer künstlerischen Forschung immer schon vorgezeichnet, sowohl in ihren Chancen und Möglichkeitsfeldern als auch in ihren Abgründen. Denn welche thematischen Horizonte die künstlerische Forschung auch immer eröffnen wird, sie bleibt an die implizite Abgrenzung vom mythischen und religiösen Denken im Begriff der Forschung ebenso gebunden wie an die stets mitschwingende Selbstmythisierung als Kunst und als Wissenschaft, sowie schliesslich an die eurozentrischen Dimensionen der eigenen historischen Voraussetzungen im Prozess der Ausdifferenzierung zwischen Wissenschaft und Kunst. Doch auch diese Abgründe eröffnen neue Möglichkeiten, sich etwa im globalisierten Zusammenhang zunehmend als «eine» Kultur der Spaltung in Abgrenzung zu und im Austausch mit anderen Kulturen zu erfahren.
Anmerkung: Der Text ist in einer englischen Fassung erschienen1
- Helmut Draxler, «A Culture of Division. Artistic Research as a Problem», in: metroZones (Hg.), Faith is the Place. The Urban Cultures of Global Prayers, Berlin 2012, S. 124–129. ↩