Eisenschmuck

Parure mit Weinblattmotiven: Collier mit Kreuzanhänger, Armband und Ohrgehängen, Johann Conrad Gleiss, Berlin, 1825–1830; Eisenguss, polierter Stahl, Gold; KGM Berlin, Inv. Nr. Wo D I 23a, Wo D I 30b, O-1974,3,332a-b, © bpk / Kunstgewerbemuseum, SMB / Martin Franken

Claudia Banz 

Eisen als patriotischer Code

Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte das Material Eisen vor allem im ehemaligen Preußen eine ökonomische, politische und ästhetische Blüte. Die Dekaden der Befreiungskämpfe von der napoleonischen Herrschaft galten als Eiserne Zeit. Entsprechend avancierte Eisen zum patriotischen Material. Wirtschaftlich wurde die Eisenproduktion von König Friedrich Wilhelm III. nachhaltig gefördert. Mit der 1804 gegründeten Königlichen Eisengießerei, die mit seinerzeit bedeutenden Künstlern wie Karl Friedrich Schinkel oder Daniel Rauch zusammenarbeitete, entwickelte sich Berlin zum wichtigen Produktionsstandort und künstlerischen Zentrum für Eisenkunstguss. Um die bürgerliche Tugend der Einfachheit zu festigen, setzte die Preußische Regierung den ebenso innovativen wie kostengünstigen Eisenkunstguss auch als Medium der Geschmacksbildung ein: Über die Produktion von großformatigen Antiken, Möbeln, Portraitbüsten, Zierrat, Architekturelementen und Schmuck wollte man die Teilhabe der Bevölkerung am Schönen befördern (→Vorbilder). 

International berühmt wurde der Berliner Eisenguss vor allem durch den Schmuck, auch „Fer de Berlin“oder „Berlin Iron“ genannt, ein Ergebnis virtuoser Handwerkskunst und unerreicht in seiner Filigranität und Zartheit. In Mode kam der Eisenschmuck ob seiner spartanischen Ausstrahlung und seiner schwarzen Fassung zunächst als Trauerschmuck. Dank professioneller Juweliere, darunter Johann Conrad Gleiss oder Siméon Pierre Devaranne, entwickelte sich Eisenschmuck zum begehrten modischen Accessoire zwischen Paris und St. Petersburg. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verlor er jedoch wegen des unglamourösen Materials und seinem Status als günstig produziertes Massenprodukt ebenso wie die übrige Eisengusskunst an Popularität. Gefragt waren wieder hochwertigere Materialien, vor allem im Bereich von Schmuck und Repräsentation.

Innovation Eisenkunstguss

Dank neuer Rezepturen und technischer Neuerungen konnte der Eisenschmuck in hoher Qualität gefertigt werden. Zunächst wurden alle Einzelteile des späteren Schmuckstücks als Modell in Messing oder Silber geschaffen. Ein feuerfester Tiegel wurde mit feinkörnigem Formsand befüllt und verdichtet. Die Modellteilchen wurden in die plan abgezogene Sandoberfläche eingedrückt, so dass ein Negativabdruck im Sand entstand. Anschließend mussten feine Gusskanäle im Sand angelegt werden, damit die Eisenschmelze die Gussformen vollständig ausfüllte und die dabei verdrängte Luft entweichen konnte. Je nach Komplexität des Modells war es möglich, mehrere Schmuckteile gleichzeitig in einem Tiegel zu gießen. Dadurch entstand ein sogenannter Gussbaum mit zahlreichen Verästelungen.

Die dünnflüssige Eisenschmelze wurde bei über 1000 °C über einen im Formsand angelegten Gießtrichter in den Tiegel eingefüllt. Der Eisenschmelze wurde Phosphor zulegiert, um die Korrosionsbeständigkeit und Gießbarkeit zu erhöhen. Nachteilig wirkte sich der Legierungspartner auf die Sprödigkeit aus. Deshalb durfte das Abkühlen der Form nicht zu schnell erfolgen. Durch eine anschließende Wärmebehandlung (Tempern) wurde der Kristallisationsprozess im Metallgefüge positiv beeinflusst und die Materialität deutlich verbessert. Nach dem langsamen Abkühlen konnten der Formsand mechanisch entfernt und die Gießlinge mit einem Seidenschneider vom Gussbaum getrennt werden.

Zahlreiche Handwerker bearbeiteten die Eisengussteile weiter: mit verschiedenen Werkzeugen wurde entgratet und geschliffen. Durch die abschließende Behandlung der Eisenoberfläche mit einem korrosionsstabilen Firnis (Leinöl, Ruß) entstand der typische mattschwarze Glanz.  

Eine weitere Neuerung war das Baukastenprinzip: Aus seriell gefertigten Gussteilen wurden individuelle Schmuckgarnituren gefertigt. Eine dreidimensionale Blüte entsteht aus mehreren übereinander montierten Teilen, welche über Nieten und Stifte zusammengehalten werden. Vier lanzettförmige Gießlinge bilden einen Kreuzanhänger und in Reihe gelegte Glieder verbinden sich zu einem Armband oder Collier. Das Zusammenfügen der Einzelteile erfolgte über verschieden große Ösen aus Eisendraht. Als Verschlüsse dienten einfache S-Haken oder raffinierte Schlösser. (Wibke Bornkessel)

Gold gab ich für Eisen

Der Höhenflug des Berliner Eisenschmucks erhielt durch den legendären Spendenaufruf der preußischen Prinzessin Marianne „Gold gab ich für Eisen“ 1813 nachhaltige Impulse. Damit wurde auch die seit Jahrtausenden etablierte Wertehierarchie der Materialien für kurze Zeit auf den Kopf gestellt. Denn Gold ist zugleich reale und transzendente Materie: Mit ihm verbindet sich die Sehnsucht nach dem ‚Goldenen Zeitalter‘; es repräsentiert Macht und Magie, steht für das Göttliche, Königliche, Herrschaftliche, für Sonne, Licht und Reinheit. Gold war ein so begehrtes und kostbares Gut, dass Alchemisten vom Mittelalter bis in die beginnende Neuzeit die Umwandlung von unedlen Stoffen in lauteres Gold mittels geheimnisvoller, mystischer Operationen zu vollziehen suchten. Auch wenn es Goldvorkommen in Deutschland, vor allem im Rhein, oder in Europa gab und gibt, so verbindet sich mit der Goldgewinnung eine jahrhundertelange Geschichte der Ausbeutung und Sklaverei. Galt Eisen im 19. Jahrhundert als ‚einheimisches‘ Material und seine Produktion als technischer Innovationstreiber, so repräsentiert Gold bis heute eine genuin ‚koloniale‘ Materialressource, die auf den historischen Handelsrouten zunächst aus Südamerika, später auch aus Nordamerika und Afrika importiert wurde (→ Taschenglobus).

Generationen von Goldschmied*innen haben das Gold zu kostbarem Kirchen- oder Tafelgerät und zu Schmuck verarbeitet. Regelten bis ins 18. Jahrhundert strenge Kleider- und Schmuckordnungen das gesellschaftliche Repräsentationsbedürfnis, so ermöglichte die neu entstehende Schmuckindustrie eine preisgünstigere Produktion. Schmuck wurde somit auch für eine breitere und weniger begüterte Kundschaft erschwinglich. Die Hersteller wetteiferten um neue Ideen und Herstellungstechniken. Es entstanden neue Fachberufe wie der Stanzer oder die Politeuse. Selbst Goldschmuck wurde in Serie hergestellt. Der bekannte Spruch „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ spielt möglicherweise darauf an, dass das kostbare Material nicht immer in Reinform verwendet wurde. Häufig wurden Silber oder unedle Metalle ‚vergoldet‘. 

Eisen: Baustoff der Moderne

Im Zuge der Industriellen Revolution avancierte Eisen zum dominanten Baustoff. Der technische Fortschritt ermöglichte die massenhafte Herstellung von normierten und standardisierten Eisenteilen. Mit dem Eintritt des Eisens in die Architektur verlagerte sich der Großteil der Arbeit von der Baustelle in die Fabrik. Die Baustelle ist nur noch der Ort der Montage. Für Sigfried Giedion markiert dies den Beginn des neuen Bauens. In seinem 1928 erstmals erschienenen Buch Bauen in Frankreich, Bauen in Eisen, Bauen in Eisenbeton konstatiert er: „Der Sinn des Eisens ist: Hohe Beanspruchungsmöglichkeit auf geringste Dimensionen zu kondensieren. Eisen in einem Bau bedeutet zugleich Muskelstrang und Skelett. Eisen öffnet Räume. Die Wand kann zur durchsichtigen Glashaut werden. Dies führt zu neuen Gesetzen der Gestaltung.“  

In der Bauwelt des 19. Jahrhunderts galt Eisen als ästhetisch unverbrauchtes Material: Es brachte neue konstruktive Physiognomien hervor, die eine große Faszination ausübten. Vor allem für die Weltausstellungen entstanden innovative Zweckbauten aus Eisen und Glas, da sie im Unterschied zu Bauten aus dem teuren und schwerfälligen Material Stein schnell und leicht aufzubauen und zu demontieren waren. Die erste Weltausstellung in London (1851) begeisterte das Publikum mit der ersten „Kathedrale“der Eisenkonstruktion, dem Kristallpalast. Den vorläufigen Höhepunkt markierte der für die Pariser Weltausstellung 1889 errichtete Eiffelturm, den Gustave Eiffel und seine Ingenieure in nur 17 Monaten errichteten. Mit seinen 300 Metern blieb er bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt. Als Manifest des modernen Bauens ist er zugleich ein Produkt seiner Epoche: Reduziert auf sein konstruktives Gerüst, ohne zusätzliche Wände, wird die Luft in bisher unbekannter Weise als formendes Material ins Innere der Pfeiler gezogen. Doch gegen die „schwarzen Skelette“ und die von Ingenieuren und nicht von Architekten errichteten Zweckbauten richtete sich auch starke zeitgenössische Kritik: Zu sehr würden sich diese Bauten in der Demonstration des technischen Fortschritts und der ökonomischen Verwertbarkeit erschöpfen. Ziel der Architektur aber sei die Rückbindung an die Geschichte und die Repräsentation ideeller Werte.