Die Kunst aus jedem Moment das Beste zu machen

Text: Eva Pauline Bossow | Head of Transfer Zurich Centre for Creative Economies und Mitglied des Digitalrats, Dezember 2022, Bild: Francesco Cantinelli on Unsplash

Einblick in die Workshop-Reihe «Hello Lemons», ein Angebot des Programms Digital Skills & Spaces 2022

Wenn die Welt immer komplexer und unvorhersehbarer wird, in parallelen – digitalen – Welten stattfindet, wie kann ich mich als Individuum darauf vorbereiten? Wie kann ich explizit mit Unsicherheit und gegebenenfalls Überforderung umgehen?

Eine künstlerische Methode, die das Ungewisse in den Mittelpunkt stellt, ist das Improvisationstheater. Hier wird im Moment selbst eine Geschichte erfunden und auf die Bühne gebracht. Ganz spontan, ohne Absprachen. Ausgangspunkt und Treiber sind die Darsteller:innen, ihre kreativen Ideen und Interaktionen im jeweiligen Setting. Das Ergebnis ist im besten Fall grossartig, im schlimmsten Fall nicht so sehenswert – aber immer eine Überraschung.

Ich persönlich liebe den Sprung in eine spielerische Improvisation. Es aktiviert all meine Sinne und löst ein Ideen-Ping-Pong in meinem Kopf aus. Was zählt ist die unmittelbare Handlung, Vergangenheit und Zukunft spielen eine untergeordnete Rolle. In meinem A(rbeitsa)lltag aber trainiere ich diese urmenschliche Fähigkeit viel zu wenig bewusst, dabei wird sie als eine «Superpower» des digitalen Zeitalters angesehen. Denn Aufmerksamkeit, Offenheit, Flexibilität, Fehlertoleranz und Reaktionsfähigkeit in Kombination sind Eigenschaften, die uns in einer komplexen, dynamischen Welt helfen können zu agieren.

Aus diesem Grund haben Renato Soldenhoff und ich die Improvisationstheatergruppe anundpfirsich eingeladen, eine kleine Workshop-Reihe unter dem Titel «Hello Lemons» für ZHdK- Angehörige zu machen. Der Titel ist eine Hommage an den Spruch «When life gives you lemons, make lemonade.».

Ziel war es, Improvisation als Methode zu erkennen und zu üben, die uns hilft mit unvorhergesehenen, herausfordernden Situationen umzugehen. Als Individuum und als Gruppe. Zum Beispiel weil es in einem hybriden Diskussionssetting einfach nicht rund läuft. Oder weil man in verschiedene Kommunikationskanäle gefühlt gleichzeitig auf alle Anfragen reagieren muss.

Und so war es

Nach einem kurzen Kennenlernen ging es los – mit vollem Körpereinsatz, raus aus der Komfortzone aber ohne peinliche Momente, dafür mit vielen Lachern. Kursleiter Gerald Weber erklärte jeweils die Übung, wir legten los. Anschliessend wurden Idee & Erleben der Aufgabe eingeordnet und über die Anwendung in Arbeitssituationen gesprochen.

Hier drei der insgesamt 15 Übungen als Flashlights:

Überforderungsübung
Eine Person steht in der Mitte, vier Personen stehen um sie herum, jeweils vorne & hinten, rechts & links. Die Umstehenden wollen alle etwas von der Person im Zentrum – die Antwort auf eine Frage, die Lösung einer Rechenaufgabe, das Nachahmen einer Bewegung. Und zwar gleichzeitig. Der/Diejenige mittendrin muss darauf reagieren. Ziel ist es, die Person permanent zu überfordern und ihr damit aufzuzeigen, wie unterschiedlich sie mit eben dieser umgehen kann – z.B. hinsichtlich Geschwindigkeit, Antwortqualität, Priorisierung und Fokussierung.

Pinguin-Übung
Stühle stehen im Raum verteilt, alle ausser einem sind von den Teilnehmenden besetzt. Der Kursleiter versucht sich auf den leeren Stuhl zu setzen, was die Gruppe zusammen verhindern muss, in dem sie selbst immer wieder den Platz wechselt. Die Aufgabe, in der es um Verständigung, Antizipation, Reaktionsgeschwindigkeit und das Entwickeln einer gemeinsamen ad-hoc-Strategie geht, kann man in verschiedenen Schwierigkeitsstufen durchführen.

Morph-Übung
Hybrides Treffen – ein Teil der Gruppe ist via Zoom als buntes Mosaikfeld auf einem Screen zusehen, ein Teil ist im Raum. Jede:r bekommt einen fiktiven Namen, den er/sie mit einer anderen Person tauschen muss: Du sagst mir Deinen Namen, ich Dir meinen; anschliessend wiederhole ich Deinen und übernehme ihn damit, Du ebenfalls. Dabei müssen alle mit allen tauschen – also analog und analog, analog und virtuell, virtuell und virtuell. Dass es Unterschiede in der Kommunikation in und zwischen den „Welten“ braucht, wird schnell deutlich. Ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen, Toleranz und Geduld sind wichtige Schlüssel.

(Weitere Impro-Spiele und Übungen findest du übrigens auf dem Improwiki)

Eindrücklich und schön war, wie aufmerksam und präsent die ganze Gruppe während des Kurses war – keine Laptops oder Handys, die sonst Teil von Meetings sind. Dadurch hat sich rasch eine gewisse Vertrautheit hergestellt, die bei den Übungen geholfen hat. Alles war niederschwelliger und hat gleichzeitig total Spass gemacht.

Fortsetzung folgt!

Wir sind überzeugt, dass Improvisationsfähigkeit hilfreich für die Bewältigung einer komplexen Welt sind. Darum – Fortsetzung folgt! Ab Februar 2023 wird eine zweite kurze Reihe durchgeführt. Dieses Mal als spielerische Mittagspause (12.15 bis 13.00 Uhr) unter der Leitung von Gunter Lösel, ZHdK-Theaterwissenschaftler, Schauspieler und Psychologe.

Weitere Informationen folgen auf der Intranetseite von Digital Skills & Spaces.

Freuen uns auf viele Mitmacher:innen!