1. Energieproduktion – Fusionsenergie Teil 2 – Die Entwicklung

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Obwohl die Geschichte der Fusionsenergie immer wieder als das geradlinige Streben zur menschengemachten Sonne auf Erden erzählt wird, sieht der Weg komplizierter und defragmentierter aus. Man beginnt oft  bei den alten Griechen, wenn es um gewisse Modelle des Sonnensystems und dem Inneren Werken der Welt geht. Faktisch began die Forschung mit der ersten Entdeckung einer Fusionsreaktion im Jahr 1917. Die Kernfusion wurde wie ihre wesentlich bekanntere Schwester – die Kernspaltung – zuerst mit dem Ziel der militärischen Waffenentwicklung verfolgt und in Form von Bomben getestet. Von der edlen Idee die Menschheit von ihren Energieproblemen zu retten, war damals nicht im geringsten die Rede, denn ausser als Wasserstoffbombe wiesen die Experimente keine positiven Energiebilanzen auf und waren sicherlich nicht dazu bestimmt Menschen zu retten.

In den folgenden Jahren wurde die destruktive Komponente der Kernenergie in eine Euphorie um deren Energieausbeute gewandelt und daher intensiv an der kommerziellen Energieproduktion geforscht und entwickelt. Im Schatten des wirtschaftlichen Durchbruchs ihrer Schwester ging die Forschung an der Fusionskraft weiter. Am erfolgreichsten von all diesen kleinen Versuchs- und Forschungsreaktoren war lange Zeit die britische Anlage JET im Jahre 1983 (Joint European Torus) die 65 Prozent der hineingestecken Energie freisetzte. JET erlaubte es für den nächst grösseren Schritt – dem internationalen Flaggschiff der Forschung namens ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) – die Reaktorgrösse, Erhitzungs und Kühlungsbedingungen zu definieren.

Auf der scheinbar gradlinigen Entwicklung von JET zum ITER, das zum jetzigen Stand (2016) im Bau ist, liegt in weiterer Ferne DEMO – ein weiterer Megareaktor. Bei all diesen Projekten handelt es sich um eine ehemals russische Lösung bzw. Bauform eines Fusionsreaktoren – dem «Tokamak». Diese Bauform hat in ihrem Konzept Vor- und Nachteile. Daher ist es nicht verwunderlich, dass unter den vielen kleinen Projekten die JET voraus gingen oder parallel dazu entstanden, andere Konzepte in den Laboratorien entwickelt oder überprüft wurden wie das Konzept des Stellarators. Wenn man diese anderen Technologien miteinbezieht sieht die Entwicklung weniger aus wie eine gerade Linie und mehr wie ein Strassennetz das aus unterschiedlichen Richtungen kommt und ineinander oder voneinander abzweigt, wie es mit dem Stellarator Wendelstein 7X einige neuen Ideen in die Konzeptionsphase von ITER geschafft haben. Es wird also immer wieder versucht aus diesen vielen Projekten und losen Enden trichterförmig Wissen in ein grosses Projekt wie ITER oder DEMO zu speisen.

Weiteres Interessantes ist am Zeitraum der Entwicklung vom Mammutprojekt Fusionsenergie zu sehen. Die Faustregel besagt, dass zu jedem Zeitpunkt die Forscher von weiteren 30-50 Jahren ausgehen bis die Probleme um die Fusionsenergie gelöst sind. Von manchen Kritikern wird diese Zeitspanne als «Fusionskonstante» bezeichnet. Der heutige Stand der Hoffnung sieht wie folgt aus. Bei ITER sollte man 2023 mit der Plasmaforschung beginnen können. 10 Jahre Forschung an ITER sollen, dann genug Erkenntnisse bereitstellen, dass man genauer ans Reissbrett für DEMO sitzen kann, was 2033 sein würde. Falls sich jedoch ITER und die Bauform des Tokamak als eine Fehlinvestition herausstellen werden, würde man DEMO als Nachfolgeprojekt für den Stellarator Wendelstein 7X aufsetzen. Somit wird aus heutiger Sicht ein wirtschaftlich nutzbarer Reaktor nicht vor 2050 erwartet. Was schwammig klingt, bestätigt eben diese Fusionskonstante von 30-50 Jahren.

Man braucht also einen langen Atem wenn es um die Kernfusion geht. Die Aussicht auf eine beinahe unerschöpfliche Energiequelle mit weniger Risiken oder Endlagerungsproblemen scheint diesen langen Atem zu befeuern. Schaut man aber genauer hin, entdeckt man auch weitere Punkte, wieso man nicht schon lange das Handtuch geworfen hat. Zum einen ist Deutschland eine der weltweit führenden Nationen was die Forschung von Fusionskraft angeht. Forschung ist von sich aus nicht wirtschaftlich, aber die Hoffnung, dass sich daraus ein neuer Wirtschaftszweig und eine Vormachtstellung entwickeln könnte ist zu verlockend nicht darin zu investieren. Ein Schlagwort, dass auch kritische Stimmen zu bremsen vermag ist: «Es wäre nicht das erste Mal, das Deutschland aus politischen Gründen seine Spitzenforschung erstickt.» Zum anderen befeuert die Fusionskraft durch ihre Ausmasse immer wieder Kontroversen. Diese Kontroversen führen Befürworter wie auch Gegner auf die Barrikaden in den Medien und Foren, welche den Diskurs am Leben erhalten und dadurch auch die Fusionsforschung. Salzt man das Ganze regelmässig mit Prisen von Science Fiction, abgeklären Interviews mit den leitenden Wissenschaftlern, die ihren Stand sowie Umstände der Arbeiten wiedergeben und kleinen Erfolgen in Teilbereichen, welche verwandt zur Fusionsforschung sind, erhält man das Thema der Fusionskraft im Bewusstsein von Teilen der Bevölkerung lebendig.

Hauptantrieb dieses Ganzen sind jedoch die Wissenschaftler. Die Forschung ist eine sehr interessante Wirtschaft, weil sie ohne Wirtschaftlichkeit und nur mit Unmengen an Arbeit auskommt. Der ikonografische Wissenschaftler will die Welt verstehen und verbessern. Dabei darf ihm die Arbeit jedoch nie ausgehen, sonst wäre sein Werk getan und er seiner Existenzgrundlage beraubt. Die Wissenschaftler dürfen nicht fertig werden und müssen vorher «sterben» bzw. in Pension gehen, aber auf dem Weg dahin einige Durchbrüche und Errungenschaften in ihren Forschungsfeldern vorweisen um sich weiterhin Gelder für ebendiese zu sichern. Dabei kämpften sie gegen die Politik, Öffentlichkeit und die Wirtschaft mit den besten Waffen, die sie haben – Argumente und Rethorik. Da die Forschenden nun im Bezug auf die Fusionskraft an verschiedenen Teilbereichen Grundlagenforschung betreiben, können die Resulate auch in anderen Bereichen ausserhalb der Fusionskraft eingesetzt werden. Das heisst die potentielle Wertschöpfung wäre grösser als nur das Endprodukt Fusionsreaktor. Mit dieser Strategie halten sich auch die NASA und ESA am Leben, da immer wieder Entwicklungen für die Weltraumfahrt in unseren Alltag Einzug finden.

1. Energieproduktion – Fusionsenergie Teil 1 – Übersicht Technologie

Wie man einen Stern auf der Erde zündet.

Die Sonne gilt als Vorbild für die Fusionsenergie. Anstatt die Atome zu spalten und so Energie in Form von Hitze freizusetzen, bringt man die Materie dazu sich in ein neues Element zusammenzuschmelzen (Kernfusion). Hierbei liegt die Energieausbeute um ein zehnfaches höher als bei der herkömmlichen Atomenergie. Um dies zu erreichen muss man den Brennstoff mit immensem Druck und mehreren Millionen Grad Celsius in den Aggregatszustand von Plasma bringen.

Vorteile:

  • keine Treibhausgas-Emissionen
  • nachhaltige und langfristige Brennstoffversorgung („Ionisiertes Wasser“ bzw. Deuterium und oder Tritium)
  • keine Kernschmelze bzw. „überkritische thermischen Reaktionen“
  • keine Endlagerungsprobleme – kein langlebiges radioaktives Material

Nachteile:

  • Komplexität der Technologie (Wendelstein 7-X, W7X Kurzdoku)
  • Entwicklungszeit und -Kosten im Bereich der Fusionsenergie (ITER, ARTE Doku zu ITER)
  • Bauzeit und -Kosten für ein Fusionkraftwerk (W7X Zeitraffer)
  • (Momentan) Häufig unvorhergesehene Unterbrechungen und oder lange Stillstandszeiten für Wartung und Reparatur
  • Wirtschaftlichkeit – hohe Investitions- und Betriebskosten
  • Immenser Energieverbrauch zum Zünden der Fusionsreaktion (W7X Zündung)
  • Radioaktive Verseuchung der Reaktorhülle (wie bei AKWs)
  • Komplexes bis nahezu unmögliches Austauschen der Reaktorhülle
  • Geringe Menge (1-10 Kilogramm) radioaktiver Gase (Brennstoff) welche im schlimmsten Fall freigesetzt werden könnten

Noch ein wenig Nachschlag

Es gibt wie in den dunklen Anfängen der Kernenergie auch beim Bau von einem Fusionsreaktor verschiedene Strategien bzw. Bautypen: Die Bekanntesten davon sind der Tokamak und der Stellarator. Arte beleuchtet in der folgenden Doku verschiedenste Konzepte, welche über die Welt verteilt gleichzeitig erforscht bzw. erarbeitet werden.