Die Lichtkunst ist heute neben Malerei, Plastik oder Fotografie eine eigenständige Kunstgattung, die in den übergeordneten Kategorien der Skulptur und Installation zu finden ist. Zu wichtigen Vertretern der Lichtkunst zählen Lázló Moholy-Nagy mit Licht-Raum-Modulator (1920-30), Otto Pienes Lichtballette, Dan Flavin mit seinen Leuchtstoffröhren-Installationen oder die Licht- und Wahrnehmungsräume von James Turrell. Zu den jüngeren Vertretern dieser Kunstrichtung werden mit ihren Werkgruppen Ólafur Elíasson, Mischa Kuball und Christina Kubisch gerechnet.
Eine Leuchtstoffröhre wird zur Ikone
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts findet sich in den Arbeiten amerikanischer Künstler die Tendenz zur Konzentration auf das «reine» Licht und seine Ausbreitung im Raum. 1963 entsteht jene erste Ikone, mit welcher der Amerikaner Dan Flavin sein gesamtes Werk bis heute begründet: Die Diagonale vom 25. Mai 1963, ein genormtes Industrieprodukt, eine Lichtleiste mit einer gelben Leuchtstoffröhre.
Im Unterschied zur traditionellen Plastik und Skulptur, die von aussen mit Licht modelliert wird, dringt bei Flavin das Licht umgekehrt von Innen nach Aussen. Ziel des Lichts ist kein Körper, sondern der Raum. Nach stilllebenhaften Einzelinstallationen entwickelt Flavin rasch ein Repertoire von Lichtbarrieren und Lichtkorridoren und wird damit zum Pionier für einen Grossteil der in seiner Nachfolge arbeitenden Künstler, denen es um die Diffusion des Lichts im Raum geht. Die dienende Funktion seiner ausschliesslich industriell genormten Lichtröhren ordnet sich keinem wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Zweck unter, sondern den Gesetzen des Raumes. Wände, Decke und Boden sind ihre Träger, die Architektur ist der Dialogpartner.
Lichträume
Entsubjektivierte Profanität einerseits und geistig aufscheinende Sinnlichkeit kennzeichnen das Werk eines anderen amerikanischen Künstlers: James Turrell. Turrell präsentiert das Licht in seiner physischen Eigenheit, in seiner metaphysischen Wirkung. Ein Künstler, dessen Arbeit ganz auf die Schaffung einer geistigen Erfahrungsqualität durch Licht entgrenzter Räume ausgerichtet ist. Unbegreifbare, dimensions- und grenzenlos wirkende Lichträume, Räume reiner Sinneserlebnisse, die immer auch transzendentaler Deutungen offen stehen.
Gemeinsam mit den Arbeiten von Dan Flavin, aber auch Robert Irwin oder Douglas Wheeler aus der Zeit um 1970 ist den Lichtinstallationen von James Turrell ihre Selbstreferentialität, die Untersuchung von Licht als Material mit dessen physikalisch-optischen Eigenschaften und dessen zeiträumlich gebundener Wirkung auf den Betrachter. Dieses Aufzeigen von optischen Grenzphänomenen, ist von einer ganzen Reihe von Künstlern mit individuellen Handschriften parallel erprobt und bis in unsere Zeit auch im öffentlichen Raum fortgeführt worden.
Immer changiert der künstlerische Gestus zwischen der demonstrativen Vorführung der Leuchtstoffröhren und der sphärischen Immaterialität eines indirekt erzeugten Lichtes; zwischen architekturbezogener Akzentuierung durch leuchtende Linien und deren Ent-materialisierung zu einem nicht fassbarem Lichtraum.
Lichtkunst
Dass die Faszinationskraft, die von den bunten Neonlichtern ausgeht, für die künstlerische Arbeit gefährlich sein kann, ist zugleich Thema der Kunstkritik. Immer wieder wird daher darauf verwiesen, dass die Integration dieser Materialien in den künstlerischen Prozess nur dann gelingt, solange die Faszination des Materials den ästhetischen Diskurs nicht in den Hintergrund rückt, solange der leuchtende Farbkörper durch ein überzeugendes künstlerisches Konzept legitimiert wird und nicht zum dekorativen Selbstzweck verkommt. An diesem Punkt richtet sich daher schnell das Interesse der Kunstkritiker auf jene Künstler und Künstlerinnen, in deren Werken die inhaltlichen Botschaften im Vordergrund stehen.
Christian Boltanski beispielsweise, jener Künstler, der durch den, vom Kritiker Günther Metken in dieser Zeit geprägten, Begriff Spurensicherung, zum paradigmatischsten Spurenproduzenten avanciert. Auf Vitrinen mit Kindheitsdokumenten folgen leuchtende Riesenhampelmänner, Projektionen und Schattenspiele von simplen Drahtfiguren, die ihr dämonisches Unwesen auf den Wänden der Galerien und Museen treiben. Licht-Schatten-Gebilde. Alpträume eigener Innerlichkeit. Fratzen einer durch den Holocaust traumatisierten Gesellschaft.
Zeitgleich macht in Amerika die Künstlerin Jenny Holzer von sich Reden. Ihr Leuchtschriftenwerk beginnt im umbauten wie öffentlichen Raum unvorbereitete Betrachter und Passanten zu verwirren. Erstmalig 1982 lässt sie diese, fortan als Truisms bekannten Botschaften auf der elektronischen Anzeigetafel des Time Square in New York laufen, dort wo sich alles drängt und Werbeanzeigen, Nachrichten und Veranstaltungshinweise durcheinander laufen und definiert eine sozial engagierte, politisch orientierte Kunst.
Die Scheinhaftigkeit des projektiven Versprechens
In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Lichtprojektion bestimmendes Medium der Lichtkunst. Der Licht aussendenden Apparaturen bedienen sich vor allem die Künstler Michel Verjux, Andreas M. Kaufmann und Mischa Kuball. Den Arbeiten von Andreas M. Kaufmann, mit seinen ikonographisch aufgeladenen und immer auf den Ort ihrer Präsentation bezogenen Diaprojektionen – Bilder aus der Kunst- und Filmgeschichte, Fundstücke aus diversen Archiven und Enzyklopädien –, entgegnet Michel Verjux mit der Kraft der modernen Abstraktion: Die Diskrepanz zwischen dem Schein der Projektion und dem meist nur bruchstückhaft aufscheinenden Angeschienenen ist zentrales Thema seiner Arbeit.
Auch der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball verwendet oft Projektoren, meist Kreiselprojektoren, die es ihm erlauben, Lichtaustritt oder Motiv unablässig zu verändern. Doch besticht gerade seine künstlerische Arbeit immer wieder durch den an den Ort angepassten, geistesgegenwärtigen und variierenden Einsatz von Licht. Beispielsweise wenn er die Form eines ehemaligen Gauleiterbunkers aus den 30er Jahren auf der Strasse mit Licht nachzeichnet oder, wie 1998 auf der Biennale von Sao Paulo, er brasilianischen Bürgern Lampen im Stil zeitloser Designklassiker anbietet und im Tausch dafür deren persönliche Lampen als Konzentrat des Privaten zu zwei Leuchtflächen im Museum zusammenstellt.
Aber die wohl spektakulärste, weil äusserst einfache Lichtarbeit dieses Künstlers ist refraction house. Eine kleine Synagoge in Stommeln, am Niederrhein, von der Hauptstrasse kaum zu sehen, so eingeschachtelt und verborgen liegt sie, wird von Innen mit Licht geflutet. Licht, das aus den Fenstern zu schreien scheint, die Mauern der Synagoge, das äussere Gestein dabei ins Dunkel schiebt, entmaterialisiert und alles umstehende in gleissendes Licht rückt. Gestern und Heute verschwistern sich.
Die Werke der letztgenannten Künstler, die stellvertretend für eine ganze Reihe weiterer «Projektionskünstler» ihrer Generation stehen, leben von der ästhetischen Wirkung ihres Mediums. Doch im Unterschied zu den Puristen der 60er und 70er Jahre dient es diesen Künstlern vor allem als Medium. Es wird als Bedeutungsträger eingesetzt und verweist immer auch auf die Scheinhaftigkeit seines projektiven Versprechens. Diese Künstler begreifen Licht als ein Medium, das eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Phänomen und Problemen der Gegenwart und Vergangenheit möglich macht.
nach http://de.wikipedia.org/wiki/Lichtkunst
Bibliographie / Literatur
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- Zwimpfer, M. (2012). Licht und Farbe. Physik, Erscheinung, Wahrnehmung, Niggl.
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- Schwarz, M. (1998). Licht und Raum: elektrisches Licht in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Wienand
- Westfälischer Kunstverein Münster (1993). Michel Verjux, ausgewählte Werke der Jahre 1983 – 1993, Ed. Cantz.
- Häusler W., Lienhardt C. (2002). Keith Sonnier: Skulptur – Licht – Raum, Hatje Cantz
- Light pieces (2000). Casino Luxembourg – Forum d‘Art Contempora