Archive for Juni, 2018

Fleischfrage.

Samstag, Juni 9th, 2018

(enthält Helvetismen)

 

Was macht man mit einer Frage? Aufwerfen, wegwerfen? Hinwerfen, wie einen Knochen vor den Hund. Nicht mal ins Meer, damit er nass wird, der Hund, nein die Frage da hingelegt, schön spröde, damit er sich die Zähne daran verbeissen kann, hingelegt gleich vorne hin vor die Schnauze. Da liegt sie, die Frage und wird angeknurrt und in Gedanken zerfleischt. Doch was gibt es an einem Knochen noch zu zerfleischen? Da ist nichts mehr dran, alles wurde bereits abgeschabt, alles abgenagt, abgekafelt, weggefressen, zerrissen mit den Fangzähnen, den Schneidezähnen, den reissenden, beissenden dreieckigen Weissen. Die Fasern abgezerrt und das Fett abgeleckt. Sie schmeckt gut, so eine fette Frage. Eine richtig gut genährte, fettige Frage – davon kann man lange zehren. Sie nährt und nährt und nährt. Zuerst wird die schnelle Energie daraus verbrannt, dann irgendwann geht’s an die angefressenen Fettreserven, während der Körper noch immer aus der Frage zehrt. Achtlos vor dich hingeworfen, kann die fette Frage dich durch den Winter bringen.

Doch wer wirft schon eine so fette Frage achtlos weg? Niemand, die legt jemand da hin. Jemand denkt sich, dass du dich gerne da drin vergnagen wirst, in der Frage. Dich daran zerbeissen kannst, weil du den Anschein machst, dass du schon lange keine Frage mehr zugeworfen gekriegt hast. Dass du dich schon länger nicht mehr mit einer Frage vor deiner Fresse auseinander gesetzt hast. Dass man doch diese Frage dir direkt, keine 3 Zentimeter vor dich hinstellen könnte, weil dann würdest du sie schon sehen, die Frage. Und dann, wenn du den Duft der fettigen, saftigen, sehnigweichen, lange geschmorten und dennoch in der perfekten Konsistenz aus fast zerfallend und noch aneinander haftenden Frage riechst… dann würdest du schon glustig werden. Dann würdest du schon Appetit bekommen auf die Frage. Die Frage, die vor dir auf dem Boden liegt. Vor deiner Schnauze, die auch auf dem Boden liegt. Weil du weißt, dass –wenn dann mal eine Frage kommt – dann musst du dich nicht bewegen. Die kommt immer. Die Frage wird meist irgendwann vor die hingelegt, fett und saftig.

Du hast noch nie nach einer Frage gesucht. Wieso auch, wäre viel zu anstrengend. Die Frage ergibt sich aus den Umständen. Es werden so viele Fragen geschlachtet und verteilt, da fällt schon eine für dich ab. Nur Sauce gibt’s nicht immer dazu. Aber das ist ja auch Luxus. Die Frage zählt, die Wärme der Frage, die sie noch hat. Früher hast du den Fehler gemacht, dich auf die Frage zu stürzen, sobald du sie vor deiner Nase hattest. Doch du hast gelernt. Die Frage ist auseinander zu nehmen, langsam. Fleischfaser um Fleischfaser. In ihre Einzelteile zu zerlegen. So kannst du jeden Bissen davon langsam zerkauen und es geniessen, dass du gerade eine Frage zwischen den Zähnen hast. Diese Verzehrweise verhindert, dass dir zu viel zwischen den Zähnen hängen bleibt – ja, dass wirklich alles, alles dieser Frage den Magen erreicht und dort von der Säure zerfressen wird. Weil aufliegen, im Magen, soll die Frage nicht. Nein. Sie soll runtergehen wie Butter. Sich in deinem Magen warm und wohlig anfühlen und dich nicht mitten in der Nacht aus dem Schlaf reissen. Sie soll dir nicht aufstossen. Sie soll nicht gleich nach 2 Stunden wieder aus dir rausdrängen. Sie soll dich nähren und stärken. Das macht eine gute Frage aus.

Du beisst also in die Frage und machst sie damit lebendig. Du gibst ihr Sinn. Du machst, mit deinem tötenden Biss, die Frage real. Das mag dein Hundehirn übersteigen aber in dem Moment, in welchem du die Frage anerkennst als Etwas, in das man seine Zähne reinschlagen kann und sich verbeissen kann… In dem Moment bist du eins mit der Frage. Ausser der Frage siehst du nichts mehr. Und ausser dir ist für die Frage nichts real. Alles, was die Frage spürt, das einzige, was sie wahrnimmt, sind deine spitzen Hauer. Dein Kauwerkzeug. Du machst die Frage existent, indem du ihre Existenz vor deiner Schnauze anerkennst. Und sie geniesst. Das erste und letzte also, was die Frage wahrnimmt, ist dein Genuss beim Zersetzen ihrer Existenz.

Nachtschicht

Samstag, Juni 9th, 2018
Nachtschicht
das ist
wenn nur wenige wach sind,
Nachtschicht
das ist
Krach machen, wenn andere still
sind, das ist
Nachtschicht,
wenn viele halbnackt
sind und sich zu
bumbumbum
bewegen, das ist
Acht geben, auf einen torkelnden,
Fremden,
den man zu kennen
glaubt, weil sie sich doch alle ähneln
im Dunkeln
Nachtschicht, das sind
viele Erinnerungen,
Stunden,
die nicht verbracht,
sondern verbrungen
wurden, hungernd
vor dem McDonalds stehend,
keiner allein
und doch irgendwie ein-
sam in der Nacht,
das ist Nacht-
schicht,
über die niemand spricht,
ein Licht,
das aufflackert, weil jemand
deine Hilfe braucht,
weil es dunkel ist
und es ihn im Herzen sticht,
Nachtschicht, das ist
Hand reichen, das ist
Haare bleichen, das ist
Bohnen einweichen
für den Eintopf am Morgen,
den der Sohn in die Schule mitnimmt,
nach einer durchgemachten Nacht
mit Freunden, ausgelacht
im Club, verklemmt geschimpft,
bloss weil seine Mutter nicht 7000 nach Hause bringt;
sie arbeitet Nachtschicht,
weiss manchmal auch nicht,
wo ihr der Kopf steht, welche Zeit es ist
denn in der Nacht
steht manche Uhr still,
auch wenn man es nicht will,
für manche ist Nachtschicht
der einzige Weg aus der Welt, die sie kennen,
aus der sie weg-rennen
wollen, die Nacht verspricht
so viel Gutes, so viel Geld
in dieser Welt der Dansings,
des Alkohols, der Drogen, der Prostitution
ohne Lohn
arbeiten in der Nacht nicht viele,
doch jene,
die das tun
sind Teil einer Koalition,
jeder lebt vom andren,
jeder gibt jedem
in der Nacht,
weil alle wissen, wir sind nicht gemacht
für dieses Leben, wir wollen raus
aus diesem langsamen Sterben,
der Welt mit ihren Abgründen und Sünden,
würden lieber verschwinden
und dennoch unseren besten Freund daran hindern,
sich auf die Geleise zu werfen,
allem ein Ende zu setzen,
sich zu zerschnetzeln,
lieber das Hirn wegfetzen,
es wirkt so viel einfacher in der Nacht,
sie scheint wie dafür gemacht,
für das Verbotene, das Verruchte,
das, was noch gefehlt
hat, ein Haftbefehl, nicht fehl
am Platz doch irgendwie auch nicht ganz richtig,
was soll er denn in dieser neuen Welt,
in der er nicht mal die Sprache kennt,
Dinge verrichten
muss, von denen er kaum
geahnt hat, dass sie existieren,
geschweige denn ihn vernichten
könnten, Nachtschicht,
das ist doch auch Nachsicht
mit denjenigen, die nicht so viel haben,
die nicht darauf bauen,
am nächsten Abend,
ein Heim zu haben,
jemanden
der da ist, sie zu umarmen,
wenns mal hart auf hart kommt.

Nachtschicht, das ist Nachtfick,
das ist kein Witz,
jeder, der in der Nacht Shit verkauft oder
sich mit Mistpisse besauft, jeder der
hilft, einem anderen die Zukunft zu verbauen.
Nachtschicht, das ist das Ghetto,
das sind die Freien, das ist die Aussicht über eine Stadt, ein Lichtermeer
viel zu lange ist es her
dass das alte Paar im Park mehr
tat als nur Händchenhalten,
nun sitzen sie da und schauen in die Ferne über das Lichtermeer,
sehen sich an,
wissen genau,
was der andere denkt,
und geben sich mit einem Blick,
was der andere da unten um den Block mit einem Fick
niemals erhalten wird,
die Suche nach Nähe,
nein, die Frau als Trophäe
ist noch immer viel zu common,
die Jungs würden nicht mitkommen,
wäre es plötzlich anders,
verschwommen,
schauen sie unter ihren Caps hervor,
wissen nicht viel mehr als zuvor,
die weisse Pille hat nichts Neues gebracht,
hat nur alles etwas farbiger gemacht.
Kann es das sein,
ist das nicht alles Schein
und Trug,
wer fühlt sich heutzutage noch gut genug
und kann auf den Scheiss verzichten, wer
hat den Mut, sich nicht vernichten
zu lassen von diesem Müll,
dieses Fliehen
in Phantasien, die auch so existieren
würden in ihren Köpfen,
wo nur die Angst vorherrscht, diese auszuschöpfen,
hineinzutauchen, alles aufzubrauchen,
was die Seele hergibt und den Mut zu haben,
mal völlig leer zu sein, nichts mehr zu sein,
kein
Mensch, keine Frau oder Mann,
nur ein
und alles mit dir
wer kann das noch, ohne bekifft zu sein,
ohne irgendein
Mittel eingeworfen zu haben,
wer traut sich denn

Nachtschicht, das ist Nachtgift,
das ist toxisch,
und hört nicht
auf, nach einer Weile, nein,
nach Nachtschicht wird man süchtig
ach, Nachtschicht,
das ist, wenn man müde ist,
wenn man sich zurückzieht oder
nochmals alles sieht,
was es da draussen zu sehen gibt
Nachtschicht, das ist was ich
zum Glück nicht machen muss
aber machen darf, wenn es mir
danach ist.