Als ich die Einladung von der ZHdK nach Zürich bekam, war ich überrascht. Eine Hochschule der Künste, was hatte ich da verloren? Es ist nicht so, als gäbe es keine Schnittmenge zwischen der Kunst und dem, womit ich mein Geld verdiene. Als Journalist ist man auch eine Art Künstler, seit der Zeitungskrise immer mehr auch Überlebenskünstler, aber das ist ein anderes Thema.
Wäre ich mutiger gewesen, hätte ich vermutlich eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen. Grafikdesign, Illustrationen, Foto- und Videographie – das hat mich schon immer interessiert und es gab Menschen, die mir einen solchen Schritt sogar nahegelegt hatten. Stattdessen habe ich mich für den Journalismus entschieden. Ein Beruf, der mir solider erschien, mehr Sichehreit versprach. Oh Irony.
Der Moment, als ich meinen ersten Fuß in die ZHdK setzte, war nichts weniger als magisch! Eine Welt, wie ich sie so noch nie erlabt hatte, tat sich vor mir auf: Studenten, wohin man blickt bepackt mit Kamerastativen, Kunstmappen oder Instrumentenkoffern. Designer, Musiker, Tänzerinnen und Tänzer, alle unter einem Dach. Und obwohl sie aus unterschiedlichen Fachrichtungen, unterschiedlichen Teilen der Welt stammen, schienen sich alle untereinander irgendwie zu verstehen.
Diese Kreativität, dies Offenheit und Interdisziplinarität. Wo hat man das heute schon? Da war zum Beispiel die Ballettstunde mit Cathy Sharp. Offene Türen, selbst für externe Besucher wie mich. 90 Minuten schweißtreibende Übungen und Choreographien, begleitet von Brian Gill am Flügel – was für eine großartige Art, seinen Montag Vormittag zu verbringen. Meinen größten Respekt vor Cathy Sharp, die es schaffte, mit Herz und Verstand die Gruppe zu motivieren. Toll, so etwas mal live zu erleben.
Oder auch mal Mäuschen in den unzähligen Werkstätten des Toni-Areals zu spielen. Ein Ort, an dem sich die Ideen der Studentinnen und Studenten manifestieren. Ob Keramik, Metall, Textilien, Holz oder Kunststoff – für 1281 Kursabsolventen der ZHdK stehen die Hallen mit all ihren wundersamen Apperaturen, Werkbänken, Schleifmaschinen, Brennöfen oder 3D-Druckern offen.
Thomas Tobler, Werkstattleiter Modellbau, zeigt mir den Prototyp von Birldy, einer Virtual-Reality-Installation, die in der ZHdK konzipiert und gebaut wurde. Mit Birdly ist es möglich, wie ein Vogel durch die Häuserschluchten von San Francisco oder Manhattan zu fliegen. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das man selbst ausprobiert haben muss, um es zu begreifen. Birdly sorgte weltweit für so derart viel Aufsehen, dass die Technologie von der ZHdK-Ausgründung Somniacs zur Serienreife geführt werden soll.
Fast so schön wie Fliegen war der anschließende Abstecher im sechsten Stock des Musik-Departements. Valerian Jegorova hatte mich zu einem Besuch in das musikalische Italien um 1700 eingeladen. Cantata und Sonata, erst in der Theorie, dann in der Praxis. Sieben internationale Studentinnen, die noch nie zuvor miteinander musiziert hatten, sollten sich spontan an einer Sarabande von Corelli versuchen.
Galaktisch wurde es ganz zum Schluss des Tages: Ein Ausflug auf den Plunder Planet mit Projektleitserin und Senior Researcherin Anna Lisa Martin-Niedecken. Bei Plunder Planet handelt es sich um einer neuartigen Kombination aus Sportgerät und Computerspiel. Sensoren gepaart mit einer intelligenten Software sollen den Spieler motivieren, seinen Körper optimal zu trainieren. Das Spiel hilft, sogar Couch Potaoes wie mich zum Training zu animieren. Was soll ich sagen: es hat funktioniert. Ich verbrenne Kalorien wie beim Joggen, die Zeit verging sprichwörtlich wie im Flug.
Soweit mein erster Tag an der ZHdK. Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch am 24. Oktober. Dann lautet das Motto „Kunst und Chaos“.
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