Gross, schlank, schlaksiger Typ, Stadtarchitekt. Hellwach und konzentriert sitzt er inmitten allen Zwischenschläfern in der S11, 8 Uhr früh.
Löffel aus der Tasche, schüttel den Becher! Vorsichtig zieht er den Deckel ab, Zunge drüber. Mit viel Sorgfalt leert sich das Holunderblütenjoghurt. Löffelchen für Löffelchen. Gestrichen, nicht gehäuft.
Währenddessen läuft Anime auf seinem Smartphone, Multitasking.
Becher leer, Deckel rein, Löffel in den Mund. Bist du schon satt? Nach hundertachzig Gramm probiotischer Creme? Mir wäre gerade erst der Hunger angeregt worden, mehr!
In aller Seelenruhe wird am Löffel genuckelt, auf dem Schoss hat er fein säuberlich gefaltet eine Arbeit über vertikale Gärten, Pflanzen an Fassaden. Inklusive Wärmebilder, die zeigen, dass Grünzeug im Hitzesommer die Stadt und bewachsenen Gebäude kühlen.
Eine Seite nach der anderen liest der Stadtarchitekt sorgfältig auf Fehler durch (ich nehme an nicht zum ersten Mal), fast liebevoll faltet er den ungehefteten Stapel A3-Papier in der Mitte von Neuem, um auch ja zwei exakte Hälften zu haben.
Ich bin fasziniert von der Hingabe und Ruhe des jungen Herrn, unbeeindruckt vom Rundherum…
Kurz bevor die S11 im Bahnhof Hardbrücke einfährt und ich aussteigen muss, packt Mister Stadtarchitekt die zweite Runde aus. Bio mit Fruchtkompott. Die Sorte Joghurt, die den Geschmack separiert hat, am Boden des Bechers, für Mensch „Vormischen“ und Mensch „Ich-arbeite-mich-zum-geilen-Zeug-durch“. Natürlich ist der Schüttler einer der ersteren.
Ich bin froh gibts für ihn ein zweites Frühstück, zweite Portion Darmfloraaufbau mit Zucker!