Mensch sieht Bild, Körper nimmt teil.
Leute schauen Leuten beim Sex zu und werden dabei angetörnt.
„Abseitiges“ ist ein Versuch, die Ökosysteme unserer näheren urbanen sowie natürlichen Umwelt aus den Augen eines Wesens zu zeigen, das zum ersten Mal damit konfrontiert wird. Faszination trifft auf Angst, Unschuld trifft auf Bedrohung. Die Verhältnisse zwischen Video und Ton, Subjekt und Objekt, Fiktion und Wahrheit werden untersucht. Ästhetik wird mit Neugierde kombiniert, Wissen von Unwissen abgelöst.
Forschungsfeld (was wurde geordnet?)
Alltägliches, auffällig Unauffälliges, das dokumentarisch gesammelt wurde und zu fiktionalen Video- und Soundkombinationen zusammengefügt.
Ordnungskategorien
Die Videoclips sind nach Ort der Aufnahme und optisch-assoziativen Verknüpfung geornet.
Methode (wie wurde geordnet?)
Filmisch wurden Fragmente unserer direkten Umwelt gesammelt, die zu einer Geschichte angeordnet wurden. Die Kamerabewegungen animieren Objekt und Rundherum. Die Stimmungen und Gefühlswandlungen werden unterstützt durch zusätzliche Tonspuren (found footage), die die Welten erweitern.
Ziel (warum wurde geordnet?)
Storytelling; den Rezipient*innen wird eine Geschichte angeboten, die sich in der Fantasie zusammenfügt, individuell erweitert und nur so erschliessen lässt.
Adressat (für wen wurde geordnet?)
Jeder Mensch, der seine Fantasie gerne triggern möchte und sich auf eine Reise durch assoziative Bild- und Soundwelten begeben.
Zur Fasnacht gehe er ausser Landes und während des Handorgelfestivals in den Vogelpark, dort könne man die natürlichen Geräusche bei Bedarf wenigstens in den Hintergrund treten lassen und muss sich das Gehirn nicht durchdüdeldüen lassen, was angesichts des Alters und der Musikalität schon ein angenehmerer Umgang mit dem Umfeld scheint.
Berauscht von der Musik starre ich in die Nacht hinaus. Kein Stern hängt am Himmel. Doch der See breitet sich wie eine Paillettendecke vor mir aus, beleuchtet von Häusern, in denen man keine Ruhe kennt, von Strassenlaternen, Autos und Schriftzügen. Wie friedlich alles wirkt. Als gäbe es kein Chaos, keinen Lärm, keine Gewalt, wenn die Lichter ausgehen, das Glitzern verschwindet und die Sonne sich durch Wolken und Dunst erst nur als diffuses graues Licht bemerkbar macht.
Ich senke den Blick. Unter mir die Standpromenade zu Füssen der Linde, auf der ich sitze.
Ein Liebespaar sitzt dort auf einer der Bänke. Und ein Obdachloser, der dort immer sitzt. Jede Nacht. Auf seiner Bank. Wie ich betrachtet er den Glitzersee und denkt nach, über alles und nichts. Er ist nie alleine. Bemerkt hat er mich noch nie.
Eine Brise streicht um meinen Körper, ich spüre, wie die Blätter zittern. Kitzeln.
Ich bin dankbar, hat der Herbst sich noch nicht festgekrallt. Im Herbst verschwinden die Blätter, ich werde sichtbar. Im Herbst peitschen die Äste im Sturm. Schon einmal wurde ich weggefegt wie eine leere Plastiktüte, die jemand zum Spass an die Linde gehängt hat. Oder weil er zu faul war, sie zum nächsten Mülleimer zu tragen.
Das Liebespaar ist weg, nur zwei leere Bierflaschen zeigen, dass es einmal da war.
Lichter gehen aus, die Menschen legen sich zur Ruh. Nur der Obdachlose nicht. Er starrt weiter in die Nacht hinaus.
Noch ein tiefer Atemzug, dann lasse ich mich fallen. Dem rauen Asphalt entgegen, ich sehe das fettige Haar des Obdachlosen auf mich zurasen. Im letzten Moment, den Geruch nach Schweiss und Hunger längst tief in der Nase, breite ich meine Flügel aus und gleite über den See, ein Schatten zwischen den verbliebenen Lichtern, dem Glitzern.
Noch einmal blicke ich zurück. Bis morgen. Er hat mich nicht bemerkt. Ein Windhauch.