ALL TAGS

Departement: Master in Fine Arts
Autorinnen / Autoren: Marianne Landolt, Rene Lehner, Baggenstos/Rudolf

In erster Linie verweist der Titel der Ausstellung, ALL TAGS, in die Richtung der Konfrontation mit dem Alltäglichen in der Kunst. Doch nicht nur der Titel, auch die Werke dieser Ausstellung sind aufgeladen mit den Fragen, welche in der zeitgenössischen Kunst nicht an Relevanz zu verlieren scheinen: Wo hört der Alltag auf und wo beginnt die Kunst? Was unterscheidet Kunst von „Nichtkunst“? Nach welchen Kriterien entscheiden wir, ob wir einem Objekt den Kunstcharakter zu- oder absprechen? Und wie lässt sich der Alltag selbst in Kunst verwandeln?

Auf der zweiten Ebene bezieht sich das Wortspiel ALL TAGS auch auf die englische Bedeutung von „all tags“ in Form von Markierung oder Zusatzinformation, und genau jene Markierungen oder Zusatzinformationen werden von den Kunstschaffenden Baggenstos/Rudolf, Mariann Landolt und dem Comiczeichner Rene Lehner im jeweiligen Werk des Gegenüber vorgenommen und durch kollektive Prozesse in diversen Medien umgesetzt. Dies widerspiegelt sich auch im Gesamtbild der Ausstellung. Auf eine experimentelle Weise wird hier der Versuch unternommen, die Struktur und das klassische Setting einer Gruppenausstellung zu durchbrechen, indem die Werke durch das gemeinsame Aneignen und Umsetzen neue Anknüpfungspunkte und Sichtweisen für die RezipientInnen erzeugen.

Der Technik der Aneignung in der Kunst liegt aber etwas zugrunde, das sich nicht aneignen lässt, und dies ist der Prozess der Aneignung selbst und genau dort eröffnet sich das Spannungsfeld dieser Ausstellung und der gemeinsame Nenner der ansonsten durchaus heterogenen Arbeitsweisen. Während das Duo Baggenstos/Rudolf mit objets trouvés arbeitet, welche sie immer ein wenig in der gewohnten Wahrnehmung modifizieren, oder die dem Objekt immanente Zwecksetzung in ihrer herkömmlichen Nutzung subtil abändern, bildet das Ready Made den kunsthistorische Ansatzpunkt von Mariann Landolts assoziativen Werken, welche sie aus dem öffentlichen Raum entnimmt. Auch Lehner verarbeitet das Vorgefundene und Alltägliche unentwegt in seinen Comics. Dennoch reagiert und interveniert er auf die Thematik ganz anders als die KünstlerInnen. In dieser Form von Interaktion eröffnen sich vollkommen neue Herausforderungen für die prozesshafte Arbeitsweise von Baggenstos/Rudolf und Landolt und der narrativen, an Eindeutigkeit und Klarheit orientierten, Methode von Rene Lehner.

Zusätzlich untersucht auch Karin Kurzmeyer in ihrer Lecture „Angebote für eine Stadt“ die oben genannten Fragen betreffend des Alltäglichen in der Kunst und potenziert somit die Auseinandersetzung innerhalb des experimentellen Spielfelds zwischen Prozess und kollektiver Aneignung.

Text: Jana Vanecek