Paul Hindemith – Mathis der Maler (Opernhaus Zürich)

Referenz zum Abschied

Mit Hindemiths Mathis der Maler erwies Alexander Pereira dem Haus, von dem er nach 21 Intendanzjahren mit dieser Festspielpremiere Abschied zu nehmen hatte, eine besondere Referenz, denn das Werk wurde 1938 auf eben dieser Bühne uraufgeführt. Und einmal mehr regte der umtriebige Majordomo mit seiner Werkwahl Sängerinnen und Sänger zu wichtigen und teils karrierelenkenden Rollendebuts an. Diesmal war es mit einer Ausnahme gar für das gesamte Ensemble eine Erstbegegnung. So hat sich THOMAS HAMPSON mit der Titelpartie eine bedeutende neue Partie souverän angeeignet und zeichnete ein eminent ausgearbeitetes Portrait dieser reflektierenden Künstlerfigur: beklemmend die Verinnerlichung und intensiv das Hadern, in mustergültiger Diktion und mit profundem Ausloten der textlichen Tiefe. EMILY MAGEE arbeitete weit weniger auf Text als auf Volumen und Strahlkraft, die sie trotz ihres deutlich eingedunkelten Timbres erreichte. So verlieh sie der Ursula Selbstbewusstsein und Stärke. Die leiseren Töne, die ihrem Sopran so gut anstehen, verhinderte leider das robuste Dirigat von DANIELE GATTI. Die Vitalität, der er in Hindemiths Partitur nachspürte, hielt die Musik zwar wohltuend in geradezu sinfonischem Fluss. Mit der Bevorzugung eines dunklen Blechklanges förderte er aber auch das Verdichten des Klangbildes und die Lautstärke, was für die Sänger wiederum vornehmlich voluminöses Singen diktierte. Zudem hätte die orchestrale Präzision und Koordination bei einem transparenteren Klangbild wohl profitiert; das Orchester der Oper Zürich wirkte unter Gattis Händen eher unkonzentriert, was sich in etlichen Wacklern und Ungenauigkeiten manifestierte. Im Männerdominierten Besetzungszettel strahlten SANDRA TRATTNIG als lichte Regina und STEFANIA KALUZA als dramatische Gräfin Helfenstein jedoch erfolgreich über die Orchesterwogen. Einmal mehr überzeugte BENJAMIN BERNHEIM (Capito) mit seinem klar zeichnenden und ungemein tragfähigen Tenorkapital und REINALDO MACIAS vermochte als Albrecht von Brandenburg durch Potenz und präzise Gestaltung ebenso zu gefallen, wie als charaktervoller Interpret im deutschen Fach zu überraschen. Der musikalischen Opulenz setzte MATTHIAS HARTMANN eine wohltuend zurückhaltende und doch sehr genaue Inszenierung entgegen, die Raum bot für sorgfältig geschärfte Personenportraits. Grossartig wurde diese Sichtweise unterstützt durch das geometrisch-reduktive Bühnenbild aus zwei quadratischen Flächen von JOHANNES SCHÜTZ und einer überaus suggestiven Farb- und Lichtdramaturgie. Die szenischen Steigerungen etwa im deftigen Bauernaufstand und in der bildmächtigen Visionsszene waren treffgenau gesetzt und schärften die Aufmerksamkeit für die intim versonnenen Bilder, in denen es Hartmann ohne grosses Aufheben gelang, die Spannung zu halten oder gar zu fokussieren. So bleibt dringend zu hoffen, dass diese eindrückliche und bewegende Produktion trotz des Abgangs ihres Fürsprechers Pereira weiter im Repertoire des Hauses bleiben kann.

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