Interview mit Livia Enderli

Es ist viertel nach 6 abends ich sitze in einem Café in Winterthur, mir gegenüber am Tisch sitzt Livia Enderli, meine Interviewpartnerin.

 

Es ist kalt draussen und wir sitzen erst einige Minuten drinnen – etwas Warmes muss her! Darum bestellen wir einen Tee, ich starte die Aufnahmefunktion auf meinem Handy und wir beginnen mit dem Interview.

 

 

Zuerst frage ich sie, wie sie zur wissenschaftlichen Illustration gekommen sei und was sie vorher gemacht habe. Sie ist in der Kantonsschule gewesen, erzählt sie, und hat dort besonderes Interesse an Kunst und Biologie gehabt. Da das Biologiestudium leider sehr mathelastig ist und ihr ebendies nicht besonders liegt, entscheidet Livia sich für ein Kunststudium – und zwar in Venedig. Leider ist die freie Kunst nicht das, was sie sich vorgestellt hat, sie bricht ab und geht auf Rat einer Freundin in den gestalterischen Vorkurs. Dort lernt sie den Studiengang «Scientific Visualization» kennen. Er verbindet Ihre Interessen und Talente und sie weiss sofort, dass es das ist, was sie will.

 

Abgeschlossen hat Livia Ihr Studium 2013 und arbeitet seither als Illustratorin. Eine sofortige Anstellung nach dem Studium ist schwierig zu finden, erzählt sie mir, und so macht sie zuerst 2 Praktiken, welche Ihr dann zu ihrer ersten Stelle in der Medizinaltechnik verhalfen. Einmal in der Woche ist Sie damals noch für eine Klinik für Schönheitschirurgie im Einsatz und modellierte Vorlagen für Brustimplantate, die dann im 3D-Drucker ausgedruckt werden.

 

Etwa 2 Jahr später ist eine Stelle im Amt für Archäologie Thurgau in Frauenfeld ausgeschrieben und Livia bewirbt sich – und bekommt die Stelle. Vielleicht auch, weil Sie dort nicht ganz unbekannt ist; in der Zeit zwischen Vorkurs und Studium hatte sie dort schon mal ein Praktikum gemacht.

 

An Ihrem neuen Arbeitsplatz musste Sie die Stelle ein bisschen ummodellierten. Die Arbeit war bis vor kurzem noch sehr analog und das Kompetenzenfeld nicht sehr breit. Das ändert sich mit Livia. Sie setzt auf mehr digitale Medien und beteiligt sich an den Vermessungen, lernt GIS und CAD kennen. Im Museum kann Sie sich dafür kreativ ausleben und zum Beispiel Infographiken gestalten.

 

Das Amt für Archäologie Frauenfeld verfügt über ein Grossraumbüro, dort sind, zusammen mit Archäologen, Grabungstechniker, vielen Temporär- und andere Angestellten des Amtes auch Livia und die zweite Zeichnerin untergebracht. Dort schätzt sie vor allem auch den Austausch mit der anderen Illustratorin. «Dadurch sieht man plötzlich andere Ansätze und kommt dadurch weiter», sagt sie. Auch durch das Gespräch mit den anderen Mitarbeitern lernt Sie viel Neues über die verschiedenen Berufe im Amt.

 

«Geniesst die Abschlussarbeit, auch wenn es die meiste Zeit ziemlich stressig werden wird.»

 

Durch Ihr Abschlussprojekt, eine Rekonstruktion eines Neandertalerschädels, hat Livia auch international Preise gewonnen und in der NZZ wurde ihr ein Artikel gewidmet. Dies habe ihr sehr geholfen, meint sie. Die Bekanntheit und die Verwandtschaft zur Archäologie hätten sie in der Arbeitswelt weitergebracht.

Die Abschlussarbeit sei wohl auch die letzte grosse Arbeit, der man so ein grosses Ausmass widmen kann, denn in der Arbeitswelt fehle dafür die Zeit. Geniess die Abschlussarbeit, rät sie mir, auch wenn es meistens ziemlich stressig wird.

 

Ich frage sie, ob sie das Studium nochmals machen würde. «Ja sicher, es ist ein super Studium und ich würde es auf jeden Fall nochmals machen. Vor allem der Zeichnungsunterricht mit Bleistift hat viel gebracht. Auch wenn ich mich damals einige Male gefragt habe warum ich 3 Tage lang einen Apfelschnitz oder sonst was abzeichne. (lacht) Gerade für das räumliche Zeichnen und das Vorstellungsvermögen sind diese Erfahrungen echt wertvoll.

Genau diese Skills brauche ich nämlich auch heute noch im Digitalen. Man muss das Objekt verstehen können und wissen, wie es im Raum steht».

 

«Die Digitalisierung bringt grosse Chancen für unseren Beruf, gleichzeitig muss man aber auch à jour bleiben»

 

Bei der Frage, welche Chancen aber auch Risiken unser Beruf mit sich bringt, meint sie, dass die rasante digitale Entwicklung grosse Chancen für unseren Beruf bringe. Gleichzeitig muss man aber immer «à jour» bleiben um den Anschluss nicht zu verpassen. Eine weitere Chance sei, dass wir eine sehr breite Ausbildung geniessen und daher vielseitig einsetzbar sind.

 

«Unseren Beruf finde ich super. Es ist meine volle Leidenschaft.»

 

Auf die Frage hin, ob ihr jeder Auftrag Spass macht antwortet sie mit Nein. Nicht jeder Job mache Spass. Manchmal sei es frustrierend von gestalterischen Laien Anweisungen für Ihre Darstellung zu bekommen. «Aber», meint sie, «ich finde unseren Beruf super. Es ist meine volle Leidenschaft»

 

 

 

 

https://www.liviaenderli.com

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