Dario Stadelmanns Weg zum Illustrator verlief nicht geradlinig. Zwischen Biologiestudium, Wissensdurst und einem spontanen Ja zu einem Stellenangebot zeigt seine Geschichte, wie entscheidend Offenheit und Neugier für den eigenen Weg sein können.
Der Wert eines einfachen Ja
Mit dem Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten an der Kantonsschule begann Darios Weg zum Illustrator. Nach dem Vorkurs, den er in Luzern besuchte, begann er ein Biologiestudium in Bern. Das wollte allerdings nicht so richtig funktionieren, weswegen er nach zwei Semestern das Studium wieder verliess.
«Im Long Run gesehen ist es gut, dass das nicht geklappt hat.»
Denn so ging es für Dario zurück nach Luzern an die HSLU, an der er den Bachelor in Illustration Nonfiction machte. Bei der Präsentation der Abschlussarbeiten kam von einem Alumni dann das Angebot für eine Stelle bei der AO Foundation, einer internationalen medizinischen Organisation, die sich mit der Forschung, Ausbildung und Entwicklung moderner Methoden beschäftigt, um Knochenbrüche und Verletzungen des Bewegungsapparates besser und sicherer zu behandeln. Auch wenn er sich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich etwas darunter vorstellen konnte und es vorerst ein einfacher Studentenjob war, nahm er das Angebot an. Es habe sich sehr gelohnt, denn bis heute arbeitet er als Illustrator für die Foundation.
«Es hat sich gelohnt, in dem einen Moment einfach ja zu sagen. Sehr vieles, was in den letzten sechs Jahren passiert ist, ist auf dieses eine Jahr zurückzuführen.»
Die Lust am Lernen
Ich fragte ihn, ob ihm sein Biologiestudium in seinem Arbeitsalltag als Illustrator hilft, und ob er ein Studium in einem naturwissenschaftlichen Bereich empfiehlt. Er meinte zwar, dass man das fachliche Wissen nicht wirklich anwenden kann, da die Aufträge, die man erhält sehr spezifisch sind, sodass man sich ohnehin in ein Thema einarbeiten muss. Aber den Einblick in die akademische Welt und ihre Funktionsweise sieht er als sehr wertvoll. Er fügte hinzu, dass er es jedem nur empfehlen kann, sich in seinen Interessensgebieten zu vertiefen, wenn man die Mittel dazu hat.
«Mein Herz schlägt immer noch für die Biologie. Ich wäre gerne das ganze Leben lang Student, ich glaube nicht, dass mein Wissensdurst je gestillt wird.»
Lego Anleitungen für Knochenbrüche
Darios Arbeit bei der AO-Foundation ist grösstenteils für die AO Surgery Reference, eine App von und für Chirurgen, die sich auf Knochenbrüche spezialisiert hat. Das bestehende Material muss aufgrund neuer Erkenntnisse und Behandlungsmethoden natürlich fortlaufend aktualisiert werden. Dabei steht er im Austausch mit Fachleuten aus der ganzen Welt. Je nach Budgetierung kommen dadurch teilweise Geschäftsreisen für Dario zustande. Nach diesen «Workshop-Tagen», bei denen das ganze Material durchgesehen und besprochen wird, geht es für Dario ans Illustrieren. Er beschreibt die fertigen Projekte wie eine Lego-Anleitung, in der das chirurgische Vorgehen Schritt für Schritt in Bildern erklärt wird. Das heisst für Dario natürlich, dass er viele Bilder immer wieder kopieren und leicht verändern muss, wodurch auch eine gewisse Eintönigkeit entsteht.


Zwischen Festanstellung und Selbstständigkeit
Ich frage ihn, wie er sich seine Arbeit einteilt, da er neben seiner 60%-Anstellung bei der Foundation auch freiberuflich an Aufträgen arbeitet. Er meinte dazu, dass er sich seine Wochentage einteilt, Montag bis Mittwoch für die Foundation und Donnerstag bis Freitag für freiberufliche Arbeiten. Über die Frage, welche Anstellungsform er empfiehlt, ist er zwiegespalten. Er sehe in beiden Formen seine Vor- und Nachteile. Ihm gefällt die Mischung: die Sicherheit, die ihm die Festanstellung gibt, und die Vielseitigkeit und Abwechslung der Selbstständigkeit.
Der Aufbau von Kontakten zu potenziellen Kunden sieht er als eine Hürde der Selbstständigkeit. Von sich selbst sagt er, er sei nicht der beste Netzwerker, man müsse auch etwas der Typ dafür sein. Ich frage ihn, wie er vorgeht, um zu Aufträgen zu kommen. Er schreibe proaktiv immer wieder Leute an und stelle sich und seine Arbeit vor. «Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass man keine Antwort erhält». Auch das Unterhalten einer Website empfiehlt er angehenden Illustratoren, um sich und seine Arbeiten präsentieren zu können.
Modelliermasse als Gestaltungsmittel
Dadurch komme ich auch auf einige Arbeiten zu sprechen, die mich auf seiner Webseite sehr interessierten. Dario arbeitet nämlich oft mit Modelliermasse. Ich frage ihn, ob das einfach eine Gestaltungspräferenz ist, oder ob er darin einen Vorteil für die Gestaltung sieht. Beides, sagt er dazu, inzwischen mag er das Modellieren sogar lieber als das Zeichnen, und es hilft ihm auch beim Formverständnis. Durch das Modellieren sei man gezwungen, eine Form vollständig zu verstehen. Bei der Arbeit habe er auch immer einen kleinen Klumpen Modelliermasse bereit, mit dem er sich schnell ein einfaches Modell machen kann, um sich eine Form rasch und unkompliziert zu erklären.
Offenheit für das Neue
Zum Abschluss frage ich ihn noch, was er angehenden Illustratoren mit auf den Weg geben würde. Er gibt mir den Tipp, möglichst viel von den Mitstudierenden zu profitieren und eine gute Feedback-Kultur zu entwickeln. Auch den Sprung ins kalte Wasser nach dem Studium sollte man nicht fürchten, und dabei offen für neue und unbekannte Optionen sein. Ein einfaches Ja zu einem Stellenangebot könne sehr vieles verändern.


Ich bedanke mich herzlich bei Dario für das offene Gespräch!
Die Website und mehr Arbeiten von ihm findet man hier: https://www.dariostadelmann.com/