Zwischen Idee und Umsetzung – Interview mit Freelance Concept Artist Simeon Schaffner

 

Jeder Anfang ist klein

Concept Art ist eine herausfordernde Industrie. Auch wenn die Branche in der Schweiz eher klein ist, sind immer mehr Illustrator*Innen auf dem Feld tätig; Und dazu gehört auch Simeon Schaffner. Seit seinem Bachelorabschluss im Major Knowledge Visualization in 2016 arbeitet er als Freelance Concept Artist und war bereits an grösseren Projekten wie The Last of Us: Part II beteiligt. Sein Interesse fürs Zeichnen prägte schon seine Kindheit, als er unter anderem in Restaurants auf Servietten kritzelte und später von belgischen und französischen Comics inspiriert war. Nach dem Gymnasium und gestalterischen Vorkurs begann seine Ausbildung an der ZHdK. Während des Studiums war ihm nach wie vor die freie Illustration wichtig, weswegen er parallel neben dem Unterrichtsstoff an persönlichen Illustrationen arbeitete. Beide Disziplinen – Fiction und Nonfiction – wurden letztlich mit einer Motivation vereint: Möglichst gut zeichnen zu können. Deshalb schärfte er sein Handwerk in den 3 Jahren. Geplant war, nach dem erfolgreichen Abschluss sein Portfolio zu priorisieren. Eher ungeplant war dann jedoch, dass er regelrecht in die Entertainment-Industrie reinrutschte.

Abbildung 1: Umgebungsskizzen in Grautönen

Concept Art und Entertainment-Design

In der Entertainment-Industrie spricht man vor allem von Videogames, Filmen und TV- Serien. Als Concept Artist designt und visualisiert man Ideen – oder eben Konzepte – die nur in den Köpfen von Menschen existieren. Diese Illustrationen sind jedoch nicht aktiv Bestandteil des Endprodukts, sondern bilden die Basis für die Umsetzung wie z.B. das Programmieren eines Games oder der Setting-Aufbau eines Filmes. Grundsätzlich können also wichtige Dinge anhand der Konzepte entschieden bzw. abgelesen werden, wie etwa das Endprodukt aussehen wird, wie viel das Projekt kosten soll oder wie gut man es vermarkten kann.
Simeon vergleicht es mit dem Plan von einem Architekten. Der Plan gibt eine Auskunft, wie das Endprodukt sein wird, und ist enorm wichtig für die Umsetzung. Jedoch ist der Plan nie das Endprodukt. Bei Concept Art verhält es sich sehr ähnlich.


Weg zur Professionalität

 «Zwei, drei Monate nach dem Studium haben per Zufall zwei Concept Artists aus Amerika hier einen Workshop gemacht. Das war eigentlich das erste Mal, dass das in der Schweiz so vorkam.»
An dem Event knüpfte er Kontakte, die ihm später auch zum ersten Auftrag verhalfen. Zudem besuchte er in Amerika eine Schule, die sich auf Entertainment-Design spezialisierte. Heute unterrichtet er noch an der HSLU, leitet einen Onlinekurs und ist als Art Director tätig. Am Anfang seiner Karriere war ihm vor allem wichtig, dass er nicht nur von Arbeit zu Arbeit springt, sondern auch sich selbst als Concept Artist etabliert. Das stellte sich als Herausforderung dar, da die Schweiz erst in den letzten paar Jahren eine festere Community für das Entertainment Design aufbaut. Zudem ist die Industrie ein hartes Umfeld. Die Bilder, die produziert werden, müssen möglichst gut sein in deren Idee und Umsetzung. An einen Auftrag zu kommen – besonders als Freelancer – ist daher herausfordernd, da die Ansprüche an gute Concept-Illustrationen sehr hoch sind. Hat man dann einen Auftrag, kann dies ebenfalls anstrengend werden; manchmal gibt es Lücken zwischen den Arbeiten, ein anderes Mal überlappen sich die Aufträge und man muss mit 200% Arbeitsaufwand die Deadlines einhalten und trotzdem qualitativ gute Bilder produzieren. Ein «schlechter Tag» hat da kaum Platz.

Abbildung 2: Simeons Arbeitsplatz

 

Ein Traum, der in Erfüllung ging

Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Aspekte seinen Berufsalltag. Die Themen und Arten der Aufträge sind vielfältig; Eine Woche fokussiert man sich auf Skizzen eines Fantasy-Projektes, bei einem anderen Auftrag geht es darum, in mehreren Monaten eine Illustration einer post-apokalyptischen Szene zu kreieren. Diese Vielfältigkeit führt dazu, das eigene Können zu schärfen.
Auch die Zusammenarbeit mit anderen Illustrator*Innen ist eine Bereicherung. Da kann es auch mal vorkommen, dass man mit Koryphäen zu tun hat, die seit Jahrzehnten in der Industrie arbeiten. An diversen Events kann man mit anderen Designer*Innen networken und sich inspirieren lassen. Der Vergleich von eigenen Arbeiten mit anderen ist somit etwas, das automatisch passiert – aber nicht unbedingt grundlegend schlecht ist. Um herauszufinden, ob die persönlichen Skills für die Branche ausreichen und wo es noch Potenzial für Verbesserung gibt, ist es sinnvoll, ein bisschen Konkurrenz zu haben. Der Druck ist wichtig, um einen Grund zu haben, etwas zu machen. Doch solange man dranbleibt, geht es vorwärts.
«Die Erkenntnis, dass mit jedem Pinselstrich, den man macht, mit jedem Bleistiftstrich, mit jedem 3D-Modell – auch schon, wenn man Sachen anschaut – mit jedem Moment wird man besser.»

Abbildung 3: Überwucherte Strassen in Santa Barbara

 

Einen Blick zurück, einen Blick voraus

In kommender Zukunft wird Simeon sicher auf dem Feld weiterarbeiten. Aktuell tendiert seine Arbeit eher auf die Design-Seite, wobei das Zeichnen manchmal etwas zu kurz kommt. Dies und das ständige Arbeiten am Computer möchte er mit persönlichen, analogen Arbeiten ausgleichen. Was ihm bei seiner Karrierenorientierung sehr geholfen hat – und was er auch allen, die in die Illustration einsteigen möchten, empfehlen kann – ist, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen.

«Das Ding ist halt, man weiss nicht, was man alles nicht weiss. Und ich glaube, als Illustrator muss man sich auch mal die Zeit nehmen, um 150% in das Metier einzutauchen (…) um herauszufinden, was braucht es wirklich, um den Job zu machen und will man den machen für den Rest vom eigenen Leben.“

Über die Zeit lernt man aber nicht nur, besser zu illustrieren. Während den diversen Aufträgen kann man unterschiedliche Realitäten und Welten erschaffen. In dem Prozess findet man sich selbst besser kennen, da die eigenen Bilder oft eine Reflexion von dem sind, was man ist oder von dem, was man sein will.

 

Herzlichen Dank an Simeon für das spannende, vielseitige und lehrreiche Interview!

Weitere Werke von Simeon Schaffner findet man hier: https://www.artstation.com/simeonschaffner

Abbildung 4: Illustration für den Workshop «Environment Design for Games»

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