Das Interview mit Coralie Spätig führt meine Kollegin Elena und mich nach Klingnau, eine Kleinstadt im Kanton Aargau. Dort hat sie sich in ihrer Wohnung ihren Arbeitsplatz eingerichtet.
Schon während der Matura wusste Coralie Spätig, dass sie etwas mit Gestaltung machen möchte. Durch ein Praktikum bei einem Grafiker wurde sie auf das Studium und den Beruf der wissenschaftlichen Illustration aufmerksam. Nachdem sie den Vorkurs absolviert hatte, begann Coralie Spätig Scientific Visualization an der ZHdK zu studieren und schloss dieses Studium 2018 ab.
Nach dem Abschluss fand sie beim Schulungs- und Beratungsunternehmen «2assistU» eine Praktikumsstelle. «Die Praktikumsstelle war als Marketing, Communication und E-Content ausgeschrieben und ich war mir nicht sicher, ob das zu meinem Profil passt. Aber es hiess, dass es um die Visualisierung von komplexen Inhalten geht und dann dachte ich, dass das passt.» Nach dem Praktikum wurde sie bei dieser Firma angestellt.
Aus dem Studium konnte sie die Fähigkeit mitnehmen, selbstständig zu sein und «out of the box» zu denken. Dies wird von ihren Kollegen, die selbst keine Gestalter sind, sehr geschätzt. Das breite Denken sei nämlich nicht nur beim Gestalten wichtig, sondern auch z.B. bei der Ideenfindung für einen Newsletter. Als Teil des Teams übernimmt sie nicht nur gestalterische Arbeiten: «manchmal nehme ich auch das Telefon ab oder schreibe ein Protokoll».
Neben Ihrer Arbeit als Angestellte ist Coralie Spätig auch als Freelancerin tätig. Viele ihrer Aufträge bekommt sie durch persönliche Kontakte und «von Mund zu Mund Propaganda», sagt sie.
In der Firma arbeitet sie vor allem digital, da dies besser zum Corporate Design der Firma passt. Persönlich arbeite sie jedoch auch gerne mit Mischtechniken.
Als Freelancerin arbeitet sie überwiegend mit kleinen Betrieben zusammen. Dort sei die Zielgruppe eine ganz andere als in der Firma. Entsprechend seien Ihre Arbeiten dann manchmal auch eher «locker und verspielt», da sich die Illustrationen oft an Kinder richten. In der Firma entstehen die Arbeiten oft in einem grösseren Kontext, wo Zeit, Ressourcen und Teamarbeit eine grössere Rolle spielen. Es sei manchmal herausfordernd, seinen eigenen gestalterischen Ansprüchen gerecht zu werden, sagt sie.
Ihr Arbeitsgeber sei sehr flexibel, was die Arbeitszeiten angeht. Dies käme ihrer Arbeit als Freelancerin sehr entgegen. Hauptsächlich arbeite sie in der Firma, der Freelanceanteil sei eher klein und noch im Aufbau. Sie kann sich jedoch vorstellen, in Zukunft mehr als Selbständige und weniger als Angestellte tätig zu sein.
Ihre Kunden und Kollegen schätzten an ihrer Arbeit, dass sie aus allem etwas machen kann und dass sie mit Engagement und Freude an die Arbeit geht. «Ich denke, das spürt man.»
Coralie Spätig zeigt uns einige ihrer aktuellen Arbeiten: Für eine Kinderergotherapie-Praxis, für die sie regelmässig Aufträge macht, hat sie das Corona-Schutzkonzept kindergerecht gestaltet, welches den Eltern verteilt und in der Praxis aufgehängt wurde. Da dieses Schutzkonzept für eine kleine Praxis gestaltet wurde mit relativ vielen Illustrationen, die sie in kurzer Zeit anfertigen musste, habe sie einen Stil gewählt, mit dem sie schnell vorwärtskommt. Die Illustrationen hat sie mit Farbstift gezeichnet und danach mit orange, die Farbe der Praxis, am Computer eingefärbt.
Gleichzeitig hat sie eine kleine Animation für eine Buchhandlung, die ebenfalls nicht nur das Corona-Plakat vom BAG aufhängen wollte, erstellt. Auch hier habe sie eine eher einfache Bildsprache gewählt. Von Anfang an habe sie klar mit dem Kunden abgemacht wieviel Zeit sie dafür verwendet. Einige Sachen musste sie selbst zuerst ausprobieren, das habe sie dann nicht verrechnet. «Das ist das schöne an diesen kleinen Kunden, dass man so offen und transparent miteinander reden kann – auch um sich selbst weiter zu bilden.»
Für dieselbe Buchhandlung hat sie Illustrationen für die Socialmedia Plattformen gemacht, die Geschichten hinter den Kulissen der Buchhandlung zeigen. Sie habe nur ein paar Stichworte bekommen, sonst habe sie relativ frei machen können was sie wollte. «Das ist das, was ich an diesen Aufträgen so schätze, die Vielfalt – einmal ist es für Kinder, manchmal ist es für die Sozialen Medien, manchmal ist es für den Druck – und auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen…»
Coralie Spätig sagt, dass sie es manchmal schwierig fände, die Balance zu finden zwischen dem persönlichen Stil, den sie als Illustratorin repräsentiert und den Rahmenbedingungen des Auftrags gerecht zu werden. «Ich denke es ist wichtig, etwas Persönliches rein zu bringen. Wenn man alles für alle anbieten will, kommt man nie auf den Punkt.» Sie selbst sagt, sie sei noch auf der Suche, was ihren eigenen Stil angeht.
Da sie gerne für ein junges Publikum illustriert, würde sie gerne ein Kinderbuch machen. Zusammen mit einem Autor ist sie auf der Suche nach einem Verlag. Sie zeigt uns ihr Storyboard. In der Geschichte geht es um den kleinen Protagonisten Max und um Langeweile. «Das Schöne daran ist, dass es keinen Zeitdruck gibt, aber wir versuchen es durchzuziehen, auch wenn wir nicht wissen, ob es ein Erfolg wird, denn es ist ein Herzensprojekt.»
Sie habe sich schon immer an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher und freier Illustration bewegt. In der wissenschaftlichen Illustration hat ihr teilweise die Kreativität gefehlt, doch schätzte sie an der Ausbildung das genaue Beobachten und dass man in fremde Fachgebiete hineinschauen kann. Das Handwerk, das sie an der Hochschule gelernt hat, helfe ihr bei ihrer Arbeit, sagt sie. «Ich würde mich wieder für das Studium entscheiden, weil man alles von Grund auf lernt, doch würde ich vielleicht früher eine Richtung wählen, sei es mehr in wissenschaftlicher oder eher in Richtung freier Illustration, mich mehr auf einen bestimmten Stil fokussieren, vielleicht früher ein Ziel vor Augen haben. Ich glaube, ich bin sehr lange sehr offengeblieben, bis ich zu dem Punkt kam, an dem ich merkte, man kann nicht alles, ich muss meinen eigenen Weg finden und mich positionieren.»
Für die Zukunft kann sich Coralie Spätig vorstellen, an etwas grösseren Projekten zu arbeiten, eventuell in eine Gestaltungsagentur zu gehen, bei der es auch andere Gestalter hat und die Gestaltung im Zentrum der täglichen Arbeit steht.
Ich möchte mich ganz herzlich bei Coralie für das Interview und die Einblicke in ihre Arbeit bedanken und ich würde mich freuen, wieder etwas von ihr zu hören beziehungsweise zu sehen!