Autor: lkuechler

Interview mit Rafael Koller

An einem sonnigen Winternachmittag mache ich mich auf den Weg in die Stadt Luzern. Dort an einer stark befahrenen Strasse steht umrundet von Neubauten ein fünfstöckiges hübsches Häuschen. Im Treppenhaus knarzt die alte Treppe, das Haus muss wohl 100 bis 200 Jahre alt sein. Im obersten Stock wohnt und arbeitet Rafael Koller – Er ist als Illustrator bei der Agentur Erlebnisplan angestellt und selbständiger (Freelance)-Illustrator und Künstler.

Auf die Frage, wie er zum Beruf Illustrator gekommen sei, erklärt Rafael, dass er ursprünglich nach dem Vorkurs ja ein Fotografiestudium in Zürich beginnen wollte. Den Sprung von der Warteliste in den Studiengang schaffte er jedoch um Haaresbreite nicht. Er entschied nach einem Zwischenjahr kurzerhand, dass er wohl noch einen Plan B haben sollte, sofern es ein zweites Mal nicht klappen sollte. Und da kam ihm in den Sinn, dass er schon immer sehr gern gezeichnet hatte. Rückblickend stellte er auch fest, dass er bereits in der Kindheit sehr viele Zeichnungen gemacht hat, die wissenschaftlicher Natur waren. Er zeichnete Dinos und konnte verschiedenste Walarten aus dem Kopf.

«Ich konnte mir aber selbst bis zum Ende des Studiums nicht recht vorstellen, von diesem Beruf leben zu können».

Er schaffte erfolgreich die Aufnahme in den Studiengang Illustration Nonfiction in Luzern. «Ich konnte mir aber selbst bis zum Ende des Studiums nicht recht vorstellen, von diesem Beruf leben zu können». Trotzdem schloss er das Studium ab und realisierte, dass er wissenschaftliche Illustration zwar extrem spannend fand, aber dass er noch mehr Potenzial in andere gestalterische Richtungen sah und diese ausbauen wollte. Aus diesem Grund beschloss er den Master in Illustration Fiction in Luzern zu machen.

«Mit den vielen Aufträgen die ich damals gemacht habe, konnte ich mir eine Grundlage für die spätere Arbeit als Illustrator schaffen.»

Ich frage ihn, wie der Masterstudiengang für ihn war. Er erzählt, der Master hätte ihm den Raum und die Zeit um sich weiter zu entwickeln geboten. Er begann in dieser Zeit zudem bereits Aufträge anzunehmen. «Mit den vielen Aufträgen die ich damals gemacht habe, konnte ich mir eine Grundlage für die spätere Arbeit als Illustrator schaffen.». Durch diese Vorlaufzeit musste er sich bis heute nirgends bewerben. Auf die Frage, ob er denn den Master zu machen empfehle, meinte er, dass dieser für viele Kommilitonen gar nicht geeignet war, das habe einigen eher die Freude wieder genommen. Man müsse schon wissen, was man mit der Zeit machen will, aber man sollte nicht einfach Zeit überbrücken wollen ohne Plan. Der Master in Illustration Fiction bot ausserdem mehr Freiheiten als andere Studiengänge, zumindest damals, heute würde man wohl stärker geführt. Es habe für ihn da sehr gut gepasst, aber einfach so generell empfehlen würde er Masterstudiengänge nicht.

2014 hat Rafael Koller den Master abgeschlossen und arbeitet seitdem Teilzeit in einer Agentur als Freelance Illustrator, daneben aber auch noch selbstständig als Visual Artist und machte Sammelaustellungen mit dem Künstlerkollektiv «The Niñxs» ( Niños zu deutsch Kinder ). Die Ausstellungen helfen zum einen, bekannter zu werden und Arbeiten zu verkaufen, machen vor allem aber als Gruppenausstellung natürlich Spass. Es mache ihm Freude, Teil eines grossen Ganzen zu sein und die Fertigstellung eines Projektes mit anderen zu zelebrieren. Und man müsse sich in der Gruppe nicht so in den Vordergrund drängen und kann den Organisationsaufwand aufteilen. Es kämen so auch viel mehr Besucher zu einer Gruppenausstellung, man erreiche automatisch viel mehr Menschen.

Rafael Koller bezeichnet sich als privilegiert, dass man vom Zeichnen leben könne, ist schon etwas besonderes. Er hat heute auch keine besonderen Schwierigkeiten, neue Aufträge zu bekommen. Manchmal kann er deshalb auch Jobs weitervermitteln. Natürlich gab es für ihn auch Projekte wo er für eine Arbeit nicht so viel verlangt hat, aber diese haben sich meist ausgezahlt. Entweder durch Bekanntheit z.B. mit Plakaten für das Jugendkulturhaus Treibhaus in Luzern, wo er danach noch einige Plakate verkaufen konnte oder wenn ein Projekt sehr erfolgreich war und er nachträglich noch etwas mehr verlangen konnte. Wenn es ums Finanzielle ginge, bevorzuge er es, ganz transparent zu sein mit dem Kunden. Damit ist Rafael Koller bis heute gut gefahren, er kann gut von seinem Beruf leben und auch einmal einen Auftrag ablehnen. Gerade wenn es ein Auftrag ist, in welchem er weniger Expertise hat, vermittelt es das heute lieber an jemanden der spezialisiert ist.

«Man kann einfach nicht alles machen»

Ich frage Rafael, wie breit gefächert man seine Fähigkeiten halten soll, und wie wichtig die Spezialisierung sei. Rafael erinnert sich da an diesen einen Auftrag, da habe er auch die Animation selber gemacht. Das sei schon cool gewesen aber auch seine erste und soweit letzte Animation. Etwas Neues Lernen macht die Arbeit abwechslungsreicher, aber man fängt immer bei Null an und das braucht viel Energie. Eine gewisse Bandbreite an Fähigkeiten ist sehr nützlich, aber es ist auch wichtig sich zu spezialisieren in einem Bereich, der einem gefällt. «Man kann einfach nicht alles machen», sagt Rafael Koller. Das hat er am eigenen Leib erfahren müssen. Es gab die eine Phase, in welcher er im Freelance-Verhältnis überprozentual gearbeitet habe, dann für die Ausstellungen viel gereist sei und auch noch selbstständig gearbeitet habe. So kam es zu seinem Burn-Out.

Ich frage, wie viel Stress er im Arbeitsalltag hat. Rafael meint dazu, es gäbe schon immer wieder sehr strenge Phasen. Wenn ein Projekt sehr schnell gemacht werden muss, sei man da schon auch mal 12 Stunden täglich dran. Danach macht man am Abend nichts mehr, man braucht bei so etwas auch einen Ausgleich. Für Rafael Koller bedeutet das zum Beispiel wandern in den Bergen ein bis zwei mal pro Woche, da will er auch nicht erreichbar sein. Auch Ausstellungen macht er heute weniger, aber er scheint das schon auch zu vermissen.

Ich darf viele Arbeiten von Rafael anschauen, z.B. eine Reihe von etwa zehn Moleskine-Skizzenbüchern. Er begann damit bereits vor der Studium. Man sieht von Buch zu Buch sehr schön, wie sich sein Stil entwickelt. Schon das erste Skizzenbuch ist sehr schön, man erkennt im Vergleich, dass sich der Duktus verändert, die Linien werden dynamischer und entschiedener. Man müsse ganz viel Zeichnen, mit der Zeit kann man immer mehr aus dem Gedächtnis zeichnen, braucht weniger Studien und wird auch immer schneller. Es fliesst quasi.

Rafael hat mir neben den Skizzenbüchern auch Originale gezeigt und sogar, wie er im Photoshop einzelne Illustrationen aufgebaut hat. Er startet meist im analogen und wechselt dann auf digital oder auch mal hin und her. Er arbeitet manchmal auch mit Fotovorlagen, das ginge oft zügiger wenns mal schnell gehen muss. Ich sehe auch bei seinen Entwürfen viele verschiedene Versionen. Gerade ein Projekt ist sehr spannend aber war auch sehr herausfordernd.

Am Ende unserer Interviews führt Rafael mich noch in sein Gemeinschaftsatelier zehn Minuten von seinem Haus entfernt. Er habe dort halt nicht viele Arbeiten, die meisten lagere er Zuhause aber er habe auch dort nicht so viel Platz. Allein von seinem Freelance Job habe er ca. 7000 Zeichnungen. Das Atelier befindet sich im obersten Stock eines Schulhauses und hat ungefähr 40 Atelierplätze. Einige wenige Personen arbeiten gerade dort als wir vorbeikommen, die Pandemie hat die Welt immer noch im Griff. Es herrscht eine gemütliche aber auch arbeitsame Stimmung. Jeder Platz ist interessant eingerichtet, es hängen überall Illustrationen und es stehen bunter Krimskrams, Arbeitsmaterial und ein paar ausgestopfte Tiere herum. Es ist wie ein kleines Museum. Ich lerne einen der Herausgeber vom Ampelmagazin kennen, Andreas Kiener. Er macht ein Foto von mir und Rafael mit seiner analogen Kamera. Damit mache er schon seit einigen Jahren jeden Tag ein Bild. Der Stapel der entwickelten Bilder sei etwa 50 cm hoch. Danach gehen Rafael und ich wieder auf die bereits dunklen Strassen und verabschieden uns.

Rafael hat mir sehr viel Zeit gewidmet, vieles erklärt und Einblick in seinen Werdegang und Schaffensprozess gegeben an diesem Tag. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ganz herzlich danken.
Ich freue mich auch in Zukunft weitere tolle Arbeiten von ihm sehen zu können und verweise hier daher noch auf seine Webseite mit vielen wunderbaren Arbeiten: https://rafaelkoller.ch/