- Dezember 2023
Als ich das Atelier betrete sind Stephan Liechti und seine Atelierkollegen gerade in der Kaffeepause. Stephan teilt schon seit 2017 ein Atelier mit dem Grafikbüro Neeser, Müller, Görner.
Das Gespräch beginnt, indem er mir ein wenig von seinem Studium erzählt. Er zeichnete schon immer sehr gerne und viel und war deswegen bereits mit 16 Jahren an der Schule für Gestaltung in Basel. Zu dieser Zeit war es noch so: Wer gezeichnet hat, hat Grafik gemacht. Aus diesem Grund schloss er auch 1988 die Grafikfachklasse in Basel ab. «Es war noch eine ganz andere Zeit», sagte er. «Wir hatten gerade die ersten Computer. Die Schule war rückwärtsgewandt. Es waren eigentlich die Techniken der 70er Jahre, die ich gelernt habe, vom Handwerk und all dem.»
Obwohl er während der Fachklasse viel zeichnete, bemerkte er auch seine Begeisterung für Typografie und arbeitete danach erstmal als Grafiker. Seine erste Anstellung bekam er bei der Administration der Schule für Gestaltung Zürich. Später arbeitete er teils selbstständig, teils als Angestellter in der Schweiz und in Südspanien als Grafiker. Seit etwa 20 Jahren arbeitet er nur noch als Illustrator. Das grafische Wissen und die Erfahrung als Grafiker seien für ihn beim Zeichnen sehr nützlich; die Vermittlung von Information als Hauptaufgabe zu sehen und in Strukturen zu denken.
Eine erste Anstellung zu finden war für ihn nicht sehr schwer. Zu seiner Zeit gab es noch viel mehr Gestalter und noch viel mehr Berufe, in welchen Kreativität gefordert war. Er fügt aber noch hinzu, dass es wichtig sei von Anderen zu lernen, nicht nur wie man gestaltet, sondern auch wie man geschäftet. Das habe er nicht gehabt, dadurch dass er sich schnell selbstständig gemacht hat.
Seine Zeichnungen beginnt er analog mit Bleistift, dann nimmt er sie auf den Computer. Dort kann er sie ausschneiden und die Proportionen anpassen. Oft druckt er die Zeichnung hellblau aus, um eine Vorlage zu haben, auf der er weiterzeichnen kann. «Wenn man auf dem Tablet zeichnet, verliert man sich schnell in den Details», das habe er gemerkt als er einmal ein Theaterpublikum zeichnen musste. Abschliessend koloriert er die Zeichnung auf Photoshop.
Er findet es spannend, wie anders die digitalen Prozesse sind. Es sei eine Weile gegangen, bis er ein Tablet hatte: «Ich habe gemerkt, dass ich beim Putzen der Zeichnung mit der Maus, mehr Zeit mit Putzen als mit Zeichnen verbraucht habe.»
Er erzählt mir, dass er einige schöne Aufträge hatte aber, dass es bei Aufträgen immer sehr stark auf die Form der Zusammenarbeit ankommt. Ihm sei es wichtig, dass der Prozess zusammen gemacht wird. Er könne dann als Gestalter visuelle Ideen einbringen und mit den Kunden zusammen daran weiterbasteln, bis es stimmt. Das sei für ihn auch das Spannende an der Arbeit.
Bei einem Auftrag besteht die Gefahr, dass der Kunde Ideen hat, die nicht visuell sind. Dann würde es ihm schwer fallen daraus etwas Interessantes zu erfinden. «Deswegen», sagt er. «kann es gut sein, dass Jobs die toll herauskommen könnten, schlecht herauskommen. Und langweilige Jobs, dann trotzdem toll enden, weil sich etwas entwickelt hat»
Stephan ist auf der Webseite des Vereins «Illustratoren Schweiz» vertreten, wo ich ihn auch entdeckt habe. Dazu hat er eine Website, die viele seiner Arbeiten präsentiert. Die meisten Aufträge bekommt er dadurch oder über Leute, die seine Arbeiten kennen. Instagram habe er mal ausprobiert, aber das sei nicht so seine Welt. Instagram sei viel Zeitaufwand und er denkt nicht, dass es direkt etwas zurückgibt. «Ich denke es ist fast wichtiger an die richtigen Feste zu gehen und über die richtigen Witze zu lachen.»
Mich interessiert der Auftrag für das Bau- und Verkehrsdepartement Kanton Basel-Stadt. Bei den Dialogtagen 2023 diskutierten viele verschiedene Menschen über die städtebauliche Zukunft des Kantons. Stephan hatte den Auftrag die Podiumsdiskussionen vor Ort zeichnerisch zu protokollieren. Dabei wurde sein Zeichnen direkt für alle sichtbar auf eine Wand projiziert.
Am Anfang war es für ihn unangenehm: «Hier im Atelier wenn etwas schief geht, zeigt man es nicht und kann es nochmal neu versuchen. Ich bin mir sehr kindlich vorgekommen, so Telefonkritzeleien zu machen. Aber jetzt habe ich ein bisschen mehr Selbstvertrauen.» Er fände es aber sinnvoll, weil so der ganze Ablauf der Diskussion in Erinnerung bleibt.
Er zeigt mir eine andere Arbeit, bei der es um Architektur ging: «Mich beschäftigt die Frage, für was das Zeichnen heutzutage noch sinnvoll ist. In der Architektur erfüllt sie einen Zweck, weil die Zeichnung in sich die Mitteilung hat, dass es eine Idee ist, die sich am Entwickeln ist. Bei einem realistischen Rendering beginnt sofort eine Diskussion um Details, während eine Zeichnung klarer definieren kann, worin die grundsätzliche Idee besteht.»
Ich möchte mich sehr herzlich bei Stephan Liechti bedanken für den Einblick in sein Atelier, seine Arbeitsweise und Erfahrungen. Ich empfehle jedem einen Besuch auf seine sehr sorgfältig und schön gestaltete Webseite, welche eine grosse Bandbreite an Illustrationen zeigt.
Die Zitate wurden vom Schweizerdeutschen übersetzt.