Autor: sstolz

Arbeitsräume

 

 

 

 

Ich treffe Jasmin Huber bei ihr zu Hause – wir setzen uns an ihren grossen Bürotisch, von wo aus sie arbeitet. Ein Kalender von Maria Sybilla Merian steht, an die Wand gelehnt, auf dem Tisch und auf der anderen Seite des Zimmers ragt ein grosses Büchergestell bis an die Decke. Wir beginnen unser Gespräch.

Jasmin hat zuerst eine Lehre als Textilentwerferin gemacht, bevor sie das Bachelorstudium Scientific Visualization begonnen hat. Sie erzählt, vor allem die botanischen Aquarelle haben sie schon während der Zeit als Textilentwerferin sehr fasziniert – sie wollte das auch lernen: ‹‹Ich ha s`Studium doh eigentlich vor allem gmacht weg em Aquarelliere.››

Ihre Bachelorarbeit entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Systematische Botanik der Universität Zürich. Für eine Ausstellung im Botanischen Garten entstand Jasmins erstes richtiges Aquarell, welches die Bestäubungsstrategie der einheimischen Orchidee Ophrys sphegodes zeigt. 

Der Kontakt zum Institut entstand schon während der Studienzeit über ein Praktikum. Im Praktikum wurde Jasmin damals ein regelmässiges Auftragsvolumen auch für die Zukunft versprochen – nach dem Studium konnte sie jedoch nur einen Auftrag für das Institut realisieren, danach brach der Kontakt ab. 

Der Schritt aus dem Studium in die Selbstständigkeit ist schwer. Um Aufträge zu erhalten, schrieb Jasmin viele Institute und Museen in der Schweiz an und schickte ihnen Flyer mit ihren Arbeiten. Daraus resultierte dann ein Auftrag für das Naturmuseum in St. Gallen, eine Rekonstruktion des Urhais Cretoxyrhina. Kleine Aufträge aus dem Familien- und Freundeskreis kamen dazu, aber das reichte finanziell nicht aus.

Jasmin suchte eine Anstellung – und fand sie in der Kantonsarchäologie Aargau. Sie arbeitete in der Archäologie für zweieinhalb Jahre.
Als sie über die Fachrichtung eine Anfrage für die Illustration eines Buches über Kirschen erhielt, wusste sie, dass das genau ihr Thema ist. Der einzige Haken war, für das Projekt gab es nur ein kleines Budget, welches nicht ausgereicht hätte, die Stunden für die Herstellung eines herkömmlichen Aquarells abzudecken. So entschied sich Jasmin, zurück an die ZHdK zu gehen und die Kirschenaquarelle zu ihrem Masterprojekt zu machen. Dabei entwickelte sie eine Technik, bei der sie digitale Vorzeichnungen auf Aquarellpapier drucken und später analog verfeinern konnte. Dabei bleibt die Qualität und Langlebigkeit des Aquarells bestehen, das Verfahren wird jedoch etwas beschleunigt. 

Diese Technik nutzt Jasmin heute regelmässig. Auch wenn ihre Arbeiten hauptsächlich analog umgesetzt sind, entstehen die linearen Vorzeichnungen immer digital im Photoshop und werden dann auf Aquarellpapier gedruckt. 

Kunden finden Jasmin vor allem über ihre Website oder über Aufträge, die sie für andere Kunden gemacht hat. Viele Kunden kommen zu ihr für die Aquarellumsetzungen – sie wünscht sich jedoch manchmal, zur Abwechslung andere Techniken für die Arbeiten verwenden zu können. Wenn sie genug Zeit hat, schickt sie den Kunden zum Teil zwei Entwürfe in verschiedenen Techniken oder Stilen; oft entscheidet sich die Kundschaft schlussendlich dann jedoch trotzdem für das Aquarell. 

‹‹S`wär scho schön, zwüsched dure mal öppis anders z`mache… Wobi ich scho sehr gern aquarelliere!››  

Jasmin erzählt, dass sie auch nach dem Studium immer einen Fuss in der Fachrichtung Knowledge Visualization behalten hat – neben der Selbstständigkeit war Jasmin fünf Jahre lang Unterrichtsassistentin bei Knowledge Visualization. Danach wechselte sie als Leitungsassistentin ans Institut für Designforschung, unterstützt die Fachrichtung jedoch immer noch mit einem kleinen Pensum.

‹‹Knowledge Visualization isch für mi au immer es Stuck Heimat gsi, es Stuck Familie.›› 

Zwar arbeitet Jasmin in ihrer Selbstständigkeit alleine, für sie ist es aber sehr wichtig, den Kontakt mit verschiedenen IllustratorInnen zu pflegen. Jasmin ist im Vorstand von ‹Illustratorinnen und Illustratoren Schweiz›, sowie bei ‹aeims› dabei, und hat auch über die ZHdK und das Studium viel Kontakt zu anderen GestalterInnen, mit denen sie, von Gestaltungsideen bis zu Offerten für Kunden, vieles besprechen kann. 

Jasmin hat nun auch eine Ausbildung für Hochschulpädagogik gemacht und gibt jeweils im Herbst an sechs Samstagen einen Zeichnungskurs für Jugendliche. Sie möchte sich in Zukunft ein zweites Standbein in der Lehre aufbauen. 

Nach dem Interview zeigt Jasmin mir noch ihr Lieblingsbuch, ein Buch über zeitgenössisches botanisches Aquarell, und die Originale der Aquarellzeichnungen ihrer Masterarbeit – die mich wirklich faszinieren. Den Bus verpasse ich, aber das hat sich gelohnt! Jasmin fährt mich zum Bahnhof. 

Ich möchte mich ganz herzlich bei Jasmin Huber für das Gespräch und die ausführlichen Antworten auf meine Fragen bedanken! 

Es war spannend, einen kleinen Einblick in ihr Arbeiten erhalten zu dürfen. Ich nehme viele neue Eindrücke mit und ihren Ratschlag, dass man seine Erfahrungen zwar selber machen muss, aber der Austausch mit anderen immer sehr wichtig ist und man unbedingt immer fragen sollte – das hilft.

www.jasminhuber.ch

 

Das Atelier C in Lanzarote

Freitagnachmittag – ein Telefon nach El Golfo, Lanzarote. Am anderen Ende der Leitung sitzt Claudine Etter in ihrem umgebauten, weissen Van mit Blick aufs Meer. Hier, auf acht Quadratmetern arbeitet und wohnt sie als freischaffende Illustratorin.

Claudine erfüllt sich mit dieser Art des Lebens einen Traum. Sie ist seit 10 Jahren selbstständig und hat bis vor drei Monaten in Bern gearbeitet. Zuerst sieben Jahre alleine, dann drei im Effinger Co-Working Space, wo sie sich den Arbeitsplatz mit Leuten den unterschiedlichsten Branchen teilte. ‹‹Selbstständigkeit isch es herts Pflaster››, gibt sie zu. Da sei es wichtig, dass man sich austauschen und – von der Buchhaltung bis zu schwierigen Kundengesprächen – alles besprechen kann. 

Das einzige, was sie mit dem Leben als ‹digital nomad› etwas vermisst, ist dieser Austausch. Sonst bietet ihr das Leben im Van bis jetzt nur Vorteile; durch die vielen neuen Eindrücke jeden Tag ist sie sehr inspiriert und effizient. Ihr Ideenpool versiegt bestimmt nicht!

Es ist Claudine wichtig, dass der Kundenkontakt gut erhalten bleibt trotz der Distanz. Sie hat verschiedene Kunden, mit denen sie schon lange zusammenarbeitet. Da läuft die Kommunikation (auch in der Schweiz) vor allem über E-Mails, da sie schon eingespielt sind, und Bildsprache, Inhalt und Spezialisierung schon geklärt. Bei Aufträgen wo noch mehr Absprache nötig ist, hat sie Meetings über Skype – Entwürfe und Skizzen kann Claudine während dem Gespräch über die Chatfunktion verschicken. ‹‹Das funktioniert gut!››

Ihr erster grosser Auftrag war ein Plakat für einen Chor. Mit diesem Plakat kam ihre Karriere als Illustratorin ins Rollen – das Plakat wurde gesehen und es folgten weitere Aufträge. Damals studierte sie noch an der Kunsthochschule in Berlin. Das Studium brach sie jedoch bald ab, da es für sie zu theoretisch war. Es interessierte sie, wie die Realität aussieht, ob und wie sie als selbstständige Illustratorin arbeiten könnte. Zurück in der Schweiz wagte sie dann diesen Schritt.

Anfangs waren die Aufträge spärlich und sie musste, wie sie sagte, einfach Vertrauen haben, dass es läuft. Zur Sicherheit arbeitete sie zwischendurch immer wieder als Lehrerin. 

Nun finden die meisten Kunden über ihre Website, oder über publizierte Illustrationen zu Claudine. Es freut sie immer wieder, wenn Kunden genau ihren persönlichen Stil für die Zeichnungen wünschen. Jedoch, meint sie, ist es wichtig, immer zu spüren, was der Kunde wünscht, was passt, und je nachdem den Stil anzupassen – viele Bildsprachen zu sprechen. Das bietet immer neue, spannende Herausforderungen. 

‹‹Es isch d’Kunst, sich selber z’sii aber sich nid z’verlüüre.››

Die Arbeiten für Kunden zeichnet Claudine fast immer digital – so kann der Kunde sich gut einbringen, wenn noch kleine Änderungen gemacht werden sollen und du als Illustratorin sparst Zeit. Neben allen Aufträgen auch Pausen zu machen und eigene Arbeiten zu verwirklichen ist für Claudine wichtig: ‹‹Es isch unglaublich wichtig, das mer em eigene Kreative Moment, de eigene Idee und sich selber Sorg hebt.››

Zum Schluss zeigt mir Claudine noch ihren Arbeitsplatz und den Van. Sie klappt ein kleines Regal an der Seite des Autos auf: ‹‹Das isch mis Atelier››. 

Dann zeigt sie mir übers Handy die wunderschöne Vulkanlandschaft der Insel Lanzarote.

Die eigene Arbeit zu reflektieren, sich immer wieder neu zu erfinden und mutig zu sein – diese Ratschläge nehme ich aus dem Gespräch mit Claudine mit, zusammen mit vielen neuen Eindrücken und Einblicken. 

Ich bedanke mich herzlich bei Claudine Etter vom Atelier C für das spannende Gespräch!

 

atelier-c.ch