Interview mit Chi Lui Wong
Übersetzt aus dem Englischen
Im Rahmen des Praxismodul 1, suchte ich mir eine Interviewpartnerin, die mir etwas über den Berufsalltag einer wissenschaftlichen Illustratorin erzählen konnte. Mein erster Gedanke galt Chi Lui Wong, die auch an der ZHdK Scientific Visualization studiert hat und deren Arbeiten mir bereits während dem Stöbern durch die ZHdK Website positiv aufgefallen sind.
06.12.2022 17:00
An der Türe begrüsst mich freundlich Lui und ihr Büsi Mochi. Ich komme rein und fühle mich direkt willkommen, bekomme einen Drink in die Hand und freundete mich erst mal mit der Katze an. Lui, Mochi und ich setzten uns ins Home Office, das Lui mit Ihrem Ehemann Dominique Schmitz teilt. Die Stimmung ist familiär und die Aufregung vom Anfang hat sich langsam in Freude über den gemütlichen und sehr interessanten Abend mit Lui verwandelt.
Lui hat 2011 einen Abschluss in Visueller Kommunikation an der Hong Kong Polytechnic University gemacht. Im zweiten Jahr hat sie ein drei monatiges Praktikum bei der hesign GmbH in Hangzhou absolviert und nach ihrem Abschluss ein Jahr bei hesign Berlin gearbeitet, wo sie auch Ihren Mann kennengelernt hat. Sie ging zurück nach Hong Kong und arbeitete ein Jahr in einer Werbeagentur, wo sie Layouts im Bereich Schmuck gestaltete. «Hier habe ich viel darüber gelernt mit Details zu arbeiten.» Danach kam sie in die Schweiz und heiratete Ihren Mann Dominique Schmitz. Zehn Jahre war sie danach Selbstständig und hat mit verschiedenen Publikationen und Unternehmen im Kunst- und Kulturbereich gearbeitet.
«Über die ZHdK bin ich gestolpert, weil ich etwas neues lernen wollte und der Begriff ‹Scientific Visualization› hat mein Interesse geweckt. Ich finde den Bereich der Visualisierung von Wissen faszinierend und es war eine Gelegenheit für mich, Leute in einem anderen Bereich kennenzulernen.» Vom Studium an der ZHdK erzählt sie, konnte sie einiges mitnehmen. Vieles aus dem Unterricht hatte Einfluss in ihre Illustrationen, wie zum Beispiel die Perspektive aus dem Unterricht bei Joe, hell/dunkel Werte von Fabienne, Farbenlehre von Anita, Liebe zum Detail von Armin und Führung von Karin. «Ich nähere mich einem Thema aus einer anderen Perspektive, ich beobachte auf einer anderen Ebene.»
Im Juli 2022 hat sie begonnen im Technorama als Illustratorin zu arbeiten. «Mein Arbeitsbereich ist aber viel facettenreicher, da ich nicht nur für Ausstellungen illustriere und grafische Arbeiten anfertige, sondern auch in der Beratung und Entwicklung von Ausstellungsflächen tätig bin.» Ich möchte genaueres über die Arbeit im Technorama erfahren weshalb ich da nochmals genauer nachhake. Sie erzählt mir, dass sie die Arbeit vor Ort liebt, vor allem mit ihrem Team. «Als Freelancerin habe ich die Arbeit im Team sehr vermisst, was auch mit ein Grund war vom Freelancen zu‹In House› zu switchen.» Sie habe es zwar früher auch sehr genossen selbstständig zu arbeiten und nennt es einen «Ego-Feeder», wenn man zum Beispiel seinen eigenen Namen im Magazin liest.
Ich: «Wenn er denn richtig geschrieben wird.» Lui: «Haha ja genau, wenn er richtig geschrieben wird!»
Sie sagt, dass im Team größere Projekte möglich sind und man viel voneinander lernt. Man geht neue sehr interessante Wege und erbaut etwas gemeinsam, was einem einen neuen Eindruck gibt. Ehrgeizig wie Lui ist, hat sie sich mit Ihren Aufgaben nicht zufrieden gegeben. «Nach drei Monaten bei Technorama fragte ich meinem Chef bei einer Teambesprechung, ob ich mein eigenes Exponat machen dürfe. Er sagte ‹Ja auf jeden Fall!›.» Seiner Meinung nach sollte jeder ein Exponat entwerfen. Er sei aufgeschlossen und sieht Potenzial in ihr. «Ich dachte, wow, das ist großartig! Ich habe das Gefühl, dass es jetzt los geht. So macht es Spaß!»
Ich wollte wissen, ob sie schon wüsste wie das Exponat aussehen soll. Sie sagt mir nein, erst muss sie ein Thema finden, das sie interessiert und darüber nachdenken, wie der Besucher mit dem Exponat interagieren soll. Man gehe nie davon aus, wie es aussehen soll, sondern welches Phänomen man im didaktischen Sinne zeigen möchte und dann Form und volle Funktion. Das weil danach noch viele Schritte während dem Prozess dazu kommen.
«…wie ergonomische Typologie, Materialsicherheit (sehr wichtig bei Ausstellungen) und die Frage, ob sich dieses Phänomen in diesen 365 Tagen im Technorama Täglich mehrmals reproduzieren lässt. Es muss eine wiederholbare Erfahrung sein. Viele Faktoren beeinflussen also, wie das Exponat am Ende aussehen wird.» Einer der Gründe, weshalb sie gerne bei Technorama arbeite sei, dass es ein grossartiger Ort ist um Prototypen herzustellen und sofort zu testen. «Wir bekommen nach bestandener Sicherheitskontrolle direktes Feedback von unseren vielen Besuchern und Gastgebern. Ich habe das Gefühl, dass alles sehr solide und sehr bodenständig ist. Wenn es funktioniert, funktioniert es, wenn es nicht funktioniert, funktioniert es nicht. Es gibt keine richtige Antwort, aber ich kann direkt überprüfen, ob die Antwort falsch ist. Das gefällt mir wirklich daran, weil alles einen Sinn für Integrität hat. Man testet etwas und es ist echt und man erhaltet sehr wertvolles Feedback.»
Darüber, wie ein typischer Arbeitstag bei ihr aussieht, erzählt sie mir: «Im Gegensatz zu vielen Anderen kreativ Tätigen, bin ich ein Morgen Mensch. Morgens ist mein Gehirn frisch und der ganze ‹Hirn Dreck› vom Schlaf ist weggespült. Andere arbeiten gerne Abends und schlafen dafür wenig. Ich brauche mindestens acht Stunden Schlaf um nicht als Zombie aufzuwachen.» Nach ihrem Arbeitsbeginn um sechs Uhr Morgens versucht sie so viel kreative Arbeit wie möglich zu erledigen, wie skizzieren, layouten, und «bastlä». Dieser Teil vom Tag ist für sie vergleichbar mit einem HIIT Work-out. «Weisst du? Diese Übungen bei denen man wie verrückt fünfzehn Wiederholungen an Hampelmännern macht und davon müde wird? Genauso eine Person bin ich. Ich kann keine 5 Stunden am Stück kreativ sein, weshalb ich mich Nachmittags der physischen Ausführung der Arbeit widme.» Dazu gehören unter Anderem das Reinzeichnen, Prototypen erstellen, und Ihren Arbeitsbereich aufzuräumen. Ihr Arbeitstag endet dann meist um vier Uhr Nachmittags, dann beginnt ihre «After hour». «Ich überlege mir was ich zu Abendessen kochen möchte, spiele mit Mochi, mache mir einen Drink und schaue Youtube Videos. Einfach Dinge die mir Spass machen.»
Bei einem Arbeitsauftrag beginnt sie normalerweise mit einem Kick-Start-Meeting, um das Briefing zu besprechen. Fragen sind zum Beispiel, was das Ergebnis sein soll, was die Erwartungen sind und wie viele Korrekturrunden gemacht werden. Erst dann macht sie ein detailliertes Angebot. «Übrigens ist es immer am besten, wenn der Kunde sein Budget transparent macht, damit du vorschlagen kannst, was innerhalb dieses Budgets möglich ist.» In der zweiten Stufe macht sie erste Entwürfe und präsentiert normalerweise drei Optionen mit unterschiedlich möglichen Routen. Die Ausführung ist die letzte Phase. Dafür nutzt sie Procreate auf ihrem IPad am häufigsten. «Ich arbeite jetzt hauptsächlich digital – manchmal arbeite ich immer noch analog, wenn ich mir über den Zeitaufwand sehr sicher bin und den Kunden und seine Bedürfnisse kenne.» Die Korrektur im analogen dauert viel länger als im digitalen und da sie die Bedürfnisse und den damit verbundenen Zeitaufwand noch nicht abschätzen kann, arbeitet sie bei neuen Kunden lieber digital. Natürlich arbeitet sie auch mit Adobe cc (Photoshop, After Effects für Animationen etc.) Manchmal bastelt sie auch und beobachtet mittels einem Papiermodell, wie eine Zeichnung aussehen könnte.
Mich interessiert, wie sie in so einer Situation mit einer Blockade umgeht. «Ich kategorisiere meine Blockaden in zwei Arten: Die eine nenne ich den ‹Frozen Laptop› und die andere die ‹empty Toolbox›. Also wenn der Laptop eingefroren ist, startest du ihn neu, oder? Dein Körper ist der Laptop, um ihn neu zu starten esse ich etwas, trinke ich, behandle meine Leber oder gehe duschen. Andere Male versuche ich mich an Design Methoden zu erinnern und lasse mich zum Beispiel durch ‹IDEO Method Cards› inspirieren. Was mehr Spass macht, ist auf Youtube anderen zuzusehen wie Sie Ihre Probleme lösen. Einige meiner Lieblingskanäle sind ‹Numberphile›, ‹Veritasium›, ‹SerpaDesign› und ‹Alex Frenchguycooking›. Zuzusehen, wie andere Menschen ihre Probleme lösen, erinnert mich daran, dass scheitern der einzige Weg ist um zu lernen und, dass man Fehler machen muss. Aber am wichtigsten ist zu wissen, dass DIE beste Lösung nicht existiert. Es gibt aber viele passende Lösungen, du musst nur eine davon finden. Und auch wenn du dir selbst sagst: ‹Oh das hätte ich anders machen sollen!› und bereust gewisse Entscheidungen, hättest du es mit den Fähigkeiten und Werkzeugen, die du in diesem Moment zur Verfügung hattest, nicht anders gemacht. Man kann dann an etwas weiterarbeiten und es das nächste Mal anders machen.»
Zum Schluss möchte ich mich herzlichst bei Lui für das interessante Gespräch, Ihre Offenheit und die Möglichkeit, das Interview mit Ihr machen zu dürfen bedanken. Ich nehme einiges an neuem Wissen mit, das mich in meinem Studium und im Berufsalltag begleiten wird.
Ein Besuch lohnt sich: