„Milla“ die Maus

Portrait

Das Gerät „Milla“ ist eine Küchenwaage. Sie ist zwischen CHF 11.99 und CHF 26.90 online bei weltbild.ch, amazon.com oder kidoh.ch erhältlich. Vertrieben wird sie unter dem Markennamen „Xavax“. Nennen wir das Gerät doch „Milla die Maus“, weil sie in ihrer Formgebung an eine Maus erinnert.
Mit diser Küchenwaage lassen sich Waren bis zu fünf Kilo Gewicht, mit einer Anzeigegenauigkeit von einem Gramm abwägen. Das Gerät lässt sich jederzeit per Knopfdruck tarieren, kann auf vier verschiedene Masseinheiten eingestellt werden und schaltet bei Nichtgebrauch automatisch ab. Mit Elektrizität wird das digitale Gerät von einer Knopfbatterie versorgt, die sich im Lieferumfang befindet. Die gläserne Abwägscheibe kann zur Reinigung abgeschraubt werden.

Die Waage wird schnell mit einer Maus assoziiert.


Steckbrief

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Name: „Milla“ die Maus
Herkunft: Asien
Rasse: Xavax, www.xavax.eu
Lieferant: Hama GmbH & Co KG, D-86652 Monheim
Lebensaufgabe: Digitale Küchenwaage
Maximale Tragfähigkeit: 5000g
Anzeigegenauigkeit: 1g
Masseinheiten: Gramm (g), Unze (oz), Milliliter (ml) oder Pfund (lb)
Geschätze Aufzuchtskosten: CHF 1.00
3Verkaufspreis: CHF 12.99 – CHF 24.95
Nahrung: Batterie CR2032

Grösse: 150/36/190 mm
Durchmesser Messplattform: 150 mm
Hirnausschaltautomatik: Vorhanden
Fellfarbe: Silber
Verwendete Materialien: Aluminium, Stahlblech, ABS-Kunststoff, Stahlschrauben, Piezzokristallharz, Elektronikkomponenten
Anzahl Einzelteile: 31 Stk.


Ökonomie

Unter der Marke „Xavax“ stehen diverse Geräte im Bereich Haushalt im Verkauf. Neben dem Onlinehandel werden die Haushaltsgeräte in Deutschland durch über 1000 Händler verkauft. Wie der Kleber am Bauch verrät, ist “ Xavax“ eine Eigenmarke des Elektronikherstellers „Hama“, welcher weltweit mit über 18’000 Produkten vertreten ist. „Hama“ vertreibt und fabriziert günstigste Elektrogeräte.

Die Waage „Milla“ ist ein Billigprodukt, dass vor allem durch seinen tiefen Preis zum Kauf verlockt. Sie kann alles was eine Küchenwaage braucht. Der tiefe Preis wirkt jedoch abschrekend, weil in der Kombination mit der qualitativ teils miesen Verarbeitung  der Eindruck entsteht, dass die Waage ihren Job nicht lange machen wird. Da die Waage auf den Fotografien im Onlineshop eine bessere Qualitätsanmutung haben, wird der Käufer getäuscht.


Auspacken

verpackung

Auf den ersten Blick ist auf der Verpackung sichtbar, was die Waage zu bieten hat. Der Grünton nimmt der Verpackung die Leere und stimmt positiv. Speziell innovativ ist die Grafik nicht, muss sie aber auch nicht sein, weil die Stärken des Produktes im Preis und in der einfachen Bedienung liegen und nicht im Design. Auf der Verpackung ist „Milla“ mit leuchtenden Display zu sehen, beim Gebrauch stellt sich heraus, dass die Bildschirmbeleuchtung nicht existiert.

Das Nest der Maus zu öffnen erfordert kein Einbrecherhandwerk. „Milla“ aus der Verpackung zu zerren gestaltet sich jedoch schwieriger. Dabei verkantet sich das Tier in den Polystirolklötzen. Deshalb muss das Nest auch von der Rückseite geöffnet werden, um Milla aus ihrem Tiefschlaf zu stossen. Der Maus das Herz einzusetzen, erfordert Fingerspitzengefühl – das Batteriefach zu öffnen und die mitgelieferte Batterie einzupflanzen. Die Messplattform wird durch eine Öffnung im Kunststoff an den im Gehäuse versorgten Messbalken angeschraubt und kann ohne grossen Widerstand gelöst werden um die Glasscheibe zu reinigen.


Funktionen

Einmal zusammengesetzt, drückt man die ON/TARE-Taste. Schon ist die Waage bereit zu wägen. Vielleicht gibt sie das Gewicht noch in Pfund an. Drückt man die UNIT-Taste wird die Einheit umgestellt. Für spätere Einschaltungen ist die Einheit gespeichert.  Ältere Besitzer werden mühe haben, die Anzeige abzulesen, wie der Test mit dem Age-Man-Anzug gezeigt hat. Mit der ON/TARE-Taste kann die Maschine jederzeit genullt werden. Nach zwei Minuten Nichtgebrauch, schaltet die Waage von selbst aus. Die Glasplattform bietet für Schalen und Schüsseln ausreichend Auflagefläche. Egal ob das zu wägende Objekt ins Zentrum oder am Rande der Scheibe platziert wird, die Waage lässt sich nicht aus dem Konzept bringen, sie weiss immer wie viel sie auf dem Rücken trägt. Die Abwägscheibe kann durch Drehen vom Sockel gelöst werden und Separat in der Spühlmaschine oder von Hand gereinigt werden. Diese Funktion wird auf der Verpackung erwähnt, jedoch ist sie nicht selbsterklärend.

Funktion

Das Gerät misst in Gramm (g), Unze (oz), Milliliter (ml) oder Pfund (lb). Egal wo der Schwerpunkt, des zu wägenden Ojektes liegt, die Waage gibt dafür immer das selbe Gewicht an. Die Glasplatte lässt sich zur Reinigung abschrauben.


Semantik

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Analogien zu Raumschiff, Renault Twingo und Aufklärungsflugzeug.

 

Nebst der Maus weckt „Milla“ noch andere Analogien. Das Raumschiff „Milla“vom Planet „Xavax“ setzt zur Landung an. Von unten sichtbar: die vier kleinen, runden mit Quadratmuster überzogenen Gummifüsschen kleben eingelassen am mächtigen, schwarzen, eierförmigen Kunststoffbauch. Weich setzt das Raumschiff auf den vier noppen auf. Gelandet ist das einzige Existenzzeichen der Füsschen  ist eine feine Schattenfuge, die sich um das die Waage zieht. Unter jeder Noppe befindet sich eine Schraube, die den mit einer kantigen Nut/Kamm-Verbindung eingelassenen Bauch mit dem flachgewölbten, im Abschluss verrundeten Rücken verbindet. Durch seine flache und gleichzeitig grossflächige Form strahlt der Rücken Stabilität aus. In Längsrichtung der Eiform zieren symmetrisch zwei gegen innen gekrümmte, leicht verrundete Ebenenversätze den Rücken. Sie unterstreichen die Richtung der Form, lassen den mächtigen Rücken dünner aussehen, geben dem Bedienfeld einen Abschluss und stellen die Kräfteableitung der Plattform dar. Das Cockpitfenster –  ein rechteckiger Ausschnitt für das Display mit einem kreissegmentartigen Sturz und wenig tiefen Leibungen, ist in das Bedienfeld eingelassen. Zwischen LCD-Display und Leibung klafft eine Lücke, auf der seitens Gehäuse ein scharfkantiger Abschluss mit Kunststoffbrauen sichtbar ist. Durch diese unsaubere Verarbeitung wird die ganze Waage massiv abgewertet. Links und Rechts wird das Display durch je einen chromfarbenen Kunststoff-Knopf ergänzt, der bei Betätigung ein knackendes Geräusch von sich gibt, das durch die Resonanzwirkung des Rückens verstärkt wird.

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Formalästhetische Analogien und Materielle Analogien.

 

Die Oberflächen- und Verarbeitungqualität des in Aluminiumoptik gespritzen Kuststoffgehäuses ist vergleichbar mit einem LED-Lämpchen für an den Schlüsselanhänger, dass häufig als Werbegeschenk verteilt wird. Auf dem höchsten Punkt des Rückens befindet sich eine kreisrunde daumendicke Öffnung, durch welche ein radarähnliches Gebilde ragt – die Mess-Plattform. Eine an der Drehbank gefertigte Aluminium-Aufschraubvorrichtung mit Rillen auf der Oberseite deren Bild an einer CD ählich scheint, ist auf der abgerundeten, vorgespannten Floatglasscheibe ins Zentrum geklebt. Die beiden Elemente zusammen erinnern stark an die typische digitale Körperwaage der Neunzigerjahre. Und wenn die Waage nicht bald auf den Abfall fliegt, kann das Raumschiff abheben zur nächsten Abwäg-Mission.


Messtechnik

Der Messbalken dehnt sich bei Belastung aus, dies wird durch zwei Stromkreise gemessen.

 

Die Waage bedient sich einer raffinierten Messtechnik die bei der Montage nicht viel Präzision erfordert. Die Glasplattform ist durch einen horizontal verbauten, quadratischen Aluminiumbalken mit dem Kunststoffgehäuse verbunden. Mittig ist dieser mit zwei Bohrungen versehen, damit bei Hebelwirkung mehr Druck beziehungsweise Zug auf der unteren beziehungsweise oberen Fläche lastet. Je zwei Drähte führen zur unteren beziehungsweise oberen Fläche des Balkens. Diese sind in ein piezzokristallhaltiges Hartz eingegossen. Piezzokristalle sind leitfähig und leiten bei Zugkräften beziehungsweise Druckkräften weniger beziehunsweise mehr Strom, weil sich der Aluminiumbalken  bei Belastung durch ein zu wägendes Produkt minimal biegt und so die Piezzokristalle näher zusammen- beziehungsweise weiter auseinanderrücken. Die vier Drähte führen zum Hirn der Waage, dem Prozessor. Der Prozessor misst den Stromwiderstand die ihm die vier Drähte senden und merkt sich diese Werte bei leerer Waage. In der Montage wird ein genaues Gewicht auf die Waage gestellt welches mit dem Prozessor abgeglichen wird. Dadurch kann man dan Faktor von zu wiegendem Gewicht zu Dehnungskoeffizient des Aluminiumbalkens eruieren. Dieser Faktor wird gespeichert und geeicht ist die Waage. Diese Technik nennt sich „load cell sensor“.

#zhdk #loadcellsensor #lowtechexperiment

A video posted by Lukas Streit (@lukastierts) on

Das Prinzip des load-cell Sensors kann gut mit einem elastischen Material und etwas Grafitstaub getestet werden.


Recycling

„Milla“ ist durch den einfachen Aufbau und die Schraubenverschlüsse einfach zu demontieren.

 

„Milla“ hat den Begriff „Ökologie“ noch nicht in ihren Wortschatz aufgenommen. Sie lässt sich jedoch erstaunlich fachgerecht bestatten. Und dies wurde getestet, ohne sie zu töten! Durch aufschrauben ist der eingenutete Bauch schnell vom Rücken getrennt. Beide ABS-Teile enthalten einen Recyclingcode. Beim öffnen fliegen einem gleich die beiden Druckknöpfe entgegen, die nur in den Rücken eingelegt sind. Die LCD-Display-Kontakte sind durch vier angezogene Schrauben an die Leiterplatte geklemmt. So lassen sich Auge und Hirn problemlos trennen. Die Leiterplatte ist jedoch voll von feinster Elektronik, die sich nur schwer trennen lässt. Elektroschrott. Ebenfalls ist es fraglich, wie sich die Glasplatte vom Aluminium-Gewindekopf lösen lässt. Die beiden Teile sind mit UV-Kleber verbunden. Auffällig ist bei „Milla“ die gesamthaft geringe Menge an Einzelteilen (31 Stk.), im Vergleich zu anderen Messtieren. Die Waage wird durch die Preispolitik und der Ausführungs- und Oberflächenqualität zu einer Umweltsünde. Eine solch billige Waage ist ein Wegwerfprodukt.

Der Hinweis zum Umweltschutz ist viel zu klein und wird übersehen. Hier einmal genug gross zum Lesen.


Fazit

„Milla“ erfüllt funktionsmässig ihren Job mit Bravur. Eine genaue und eine solide Messtechnik, ein klares Bedienfeld, gute Standhaftigkeit, kompakte Grösse und eine demontierbare Plattform sind die Stärken des Gerätes. Die Elektronik ist jedoch nicht vollständig von eilaufenden Flüssigkeiten geschützt. Das eingelassene LCD-Display ist eine potenzielle Schmutzstelle, die sich nur schlecht reinigen lässt. Ausserdem fehlt die Beleuchtung, wie sie auf der Verpackung vorgegaukelt wird. Zum Ärger wird die Batteriespeisung, wenn die Batterie aufgebraucht ist. Semantisch ist nicht ersichtlich, dass die Messplattform zur Reinigung entfernt werden kann. Sowieso ist die Messplattform schnell verschmutz, weil sie als Griff benutzt wird. Die Oberflächen-, Ausführungs- und Abschlussqualität der Hülle, lassen das Gerät billig aussehen. Farblich und formalästhetisch birgt sich in der Waage „Milla“ ein grosses Potential. Sie hat eindeutig ein Redesign nötig.

In der Waage „Milla“ steckt viel Potential für ein Redesign.

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