Kunsthalle Sankt Gallen | Dani Gal
Monday, December 2nd, 2013«Do you suppose he didn’t know what he was doing or knew what he was doing and didn’t want anyone to know?»
Albert Speer. Der Gross-Nazi. Er ist der einzige der bei den Nürnburger Prozessen lebend davon gekommen ist. Das ist sehr interessant. Er war der Intelligentest von allen. Einerseits, dass er die Rolle auf sich genommen hat. Gewisser Weise wollte er das auch. Er hat seine Schuld eingesehen. Aber sehr intelligent, wie er sich auch wieder daraus gewunden hat. Er ist der einzige der das reflektiert hat. Man konnte es ihm nicht nachweisen. Alle anderen sind zum Tode verurteilt worden. Er ist etwa 10, 20 Jahre ins Gefängnis gekommen. Er hat dort die „Spandauer Tagebücher“ geschrieben. Diese sind extrem berühmt geworden – Bestseller. Wahnsinnig viel Geld damit verdient, in der Gefängniszeit. Erst nach seinem Tod ist einiges herausgekommen über ihn. Das er da eben doch mehr wusste und irgendwelche Deals mit Gemälden gemacht hat. Irgendwas war da. Ich weiss es nicht mehr genau. Habs nicht mehr im Kopf. Aber es ist etwas rausgekommen, wo er unter heutigem Gesichtspunkt…Es ist eine ganz schiefe Rolle. Lustigerweise habe ich diesen Sommer die Spanndauer Tagebücher angelesen, weil mein Vater gerade verstorben ist. Der hatte diese ganzen Sachen. Ich habe nicht alles gelesen, aber es wird mir echt schwummelig, wenn ich das lese. Es ist wirklich grenzlastig. Er ist eine wirklich wahnsinnig eigenartige Figur. Ob er es wusste, oder nur so tat. Dort eben dieses «Do you suppose he didn’t know what he was doing or knew what he was doing and didn’t want anyone to know?» Es kommt da sehr stark vor. Dieser Verweis auf Speer. Inwieweit er diese komische Rolle gespielt hat, in dieser Geschichte. Wie wir mit dieser Erinnerung umgehen und er diese Erinnerung erzeugt hat bei uns. Da kommt es für mich ein bisschen zusammen. Das als historischer Background zu dem Film. Diese zwei Figuren. Wiesenthal und Speer sollen sich wirklich begegnet sein in Wien. Das scheint eine reale Begegnung zu sein. Und es gibt einen Briefwechsel. Teile der Dialoge sind auch diesem Briefwechsel entnommen. Das Interessante ist, dass Simon Wiesenthal ihm das abgenommen haben soll. Das ist ja auch verwunderlich. Wiesenthal war ja auch gehasst in Österreich. Den wollten sie auch nicht da haben. Wiesenthal war Österreicher. Glaube schon verstorben. Es gibt auch ein Wiesenthal-Institut. Der war verhasst, weil er immer die alte Geschichte aufgekocht hat. Man wollte nichts mehr wissen von dem alten, braunen Sumpf, sondern endlich mal den Konsum geniessen. Beide waren eigentlich Opfer. Beide waren angefeindet. Beide befanden sich im Schwebezustand. Zwischen wie man Geschichte denkt. Der eine war Opfer und gleichzeitig verhasst, der andere rehabilitiert und trotzdem hat er irgend etwas komisches mitgeschleppt. Und trotzdem haben sich die zwei getroffen. Das ist eigenartig, wie die Geschichte sich findet. Damit spielt die Gal auch. Und da war noch Wittgenstein. Ludwig. Philosoph. In diesem Haus waren die beiden auch. Das wurde auch von Wittgenstein gebaut. Ist Wittgenstein mit Hitler in die Schule gegangen? Im Film war davon die Rede. In Linz. Das war aber fiktiv. Geistige Ideen. Die Idee von Vernunft und Logik. So wie der Holocaust erzeugt wurde. Hat er es gewusst? Oder nur nicht gesagt? Erinnern und Tagtraum. Das ist ein Schlüssel. Ich weiss nicht, ob Erinnerung etwas sein muss, das wirklich erlebt wurde oder nicht auch Fiktion sein kann. Man interpretiert etwas hinein oder lässt etwas weg, Lücken entstehen. Es erzeugt etwas Künstliches. Wir erzeugen auch Geschichte damit – durch Erinnerung.
Erinnerung an ein Architekturmodel. Konzentrationslager Mauthausen. Zug-Gleise die durch das Tor führen. Und Film-Schienen die links weg drehen. Dunkle, dämmerige Stimmung in den Räumen. Lautsprecher. John Cage. Dia-Projektoren. Sätze. Bilder mit Abrieb eines Grabsteins. Grauer Betonboden. Schwarzer Filz an den Wänden. Schwarzer Teppichboden. Stille. Schienen im Wiener Bezirk. Pflastersteine. Schienen. Gras. Er wäscht sich die Hände. Und wäscht sich die Hände. Und wäscht sich die Hände.
Brigita Zuberi