20 Jahre Parktheater, Charlie
Wunderly, November 1969
Persönliches Werden
Im Jahre 1917 gastierte Max Reinhardt mit
seinem berühmten Berliner Ensemble für einige Vorstellungen im Zürcher
Stadttheater. Meine Eltern hatten mich mitgenommen zu «Dantons Tod» von
Georg Büchner, wobei Alexander Moissi den Danton spielte. Später besuchten
wir die Komödie «Diener zweier Herren» von Carlo Goldoni. Hugo Thimig war
Pantalone, unterstützt von seiner Schwester Helene und seinem Bruder
Hermann. Beides waren Höchstleistungen des damaligen Theaters. Die Wirkung
auf die Zuschauer war derart, dass jene Aufführungen heute legendär sind.
Noch sehe ich deutlich einzelne Szenen vor mir, höre das Melos der Stimme
von Moissi. Kein Wunder, dass ich für die Sache des Theaters gewonnen war.
Weiteren Anstoss gaben Besuche bei dem Dichter Hans Reinhart in Winterthur.
Er hatte im väterlichen Hause zum «Rychenberg» eine Puppenbühne geschaffen
und spielte daselbst Märchen voller Poesie und Innigkeit. Auch die
ausgezeichneten Aufführungen der Zürcher und der Münchner Marionetten an der
Kunstgewerbeschule in Zürich boten Anregung.
In der Folge baute ich ein Papiertheater in
einem abgelegenen Winkel des Dachstockes der «Unteren Mühle» zu Meilen. Das
Vorhaben wurde erleichtert durch eine grössere Zahl von kleinen Kulissen,
Soffitten und Requisiten, welche die Urgrosseltern mir zugedacht hatten.
Einzelne Szenen der deutschen Klassiker gingen über «die Bretter» und
kündeten dem erstaunten Freundeskreis von der Freude am Gestalten solcher
Dichtung.
Die Jahre der Ausbildung brachten
Theaterbesuche in Paris, London und New York. Allmählich entstand der
Wunsch, einen Raum zu schaffen, in welchem man Theater spielen konnte.
Besuche im Collegio Borromeo zu Pavia, im MirabelI-Park von Salzburg, im
Felsentheater von Hellbrunn, im Grossen Garten von Herrenhausen (Hannover)
1689-1693, im Gartentheater von Schwetzingen (Heidelberg) 1761-1776 und dem
Teatro Verde von Negrar (Verona) 1783-1793, zeigten uns die Vielfalt der
Möglichkeiten von Freilichtbühnen. Natürlich konnte es nicht in Frage
stehen, eines dieser historischen Beispiele verkleinert zu kopieren.
Vielmehr galt es, aus unseren Gegebenheiten das Beste herauszuholen. Der
Aufenthalt in einem solchermassen gestalteten Gartenraum ist auch dann
überaus reizvoll, wenn nicht gespielt wird. Diese Oberlegung wurde für uns
bestimmend, Theater und sommerlicher Lebensraum in einem.
Planung und Gestaltung
Als erster Schritt dazu wurde im Kriegsjahr
1943 das grosse Stockerhaus, welches unserem Hausgarten in Meilen
vorgelagert war, abgerissen. Es war von Hans Wunderly anno 1762 errichtet
worden, jedoch als Folge der gerberei-technischen Verwendung in solch
schlechten Bauzustand geraten, dass der Abbruch angezeigt war. Nur der Rest
einer Aussenmauer blieb stehen und bildet heute die
bergseitige Begrenzung des Zuschauerraumes. Ein riesiger Schuttkegel füllte
alsbald den Raum, in welchem das Freilicht-Theater entstehen sollte. Nun
galt es, eine Gesamtkonzeption zu gewinnen. Die Ausführung in Stein machte
spätere Änderungen nahezu unmöglich. Ein genaues Durchdenken der komplexen
Abhängigkeiten von Licht und Ton, der Bewegung der Zuschauer, der
Schauspieler und Requisiten, dem Zugang der Garderoben und Schminkräume
erforderte sechs Jahre. Im Januar 1949 legte ich meinem Vetter, dem
Architekten Andre Ammann, einige Skizzen vor. Obwohl er zum Theater keine
Beziehung besass, hat sich seine Wahl in der Folge ausgezeichnet bewährt.
Gleich zu Beginn war der Stil festzulegen, denn dieser musste im richtigen
Verhältnis stehen zu den dramatischen Werken, an deren Wiedergabe wir
dachten. Es handelte sich um Schöpfungen des 19. und insbesondere des 18.
Jahrhunderts. Demzufolge war der Stil auf die Vergangenheit auszurichten. Es
entstanden die Proportionen eines Barocks von konsequenter Klarheit und von
schlichtem Mass. Die Linien kühler Klassik wurden abgelehnt, da ihre
Intellektualität theatralischen Absichten abhold ist; ebenso der Schwung
einer übersteigerten Repräsentation, welche dem nüchternen Sinn unserer
Besucher nicht entsprechen würde.
Nach fünf Monaten hatte der Architekt seine
Pläne soweit bereinigt, dass man zur Ausführung schreiten konnte. Material
und Detailfragen blieben zumeist einer empirischen Behandlung offen, wobei
künstlerische und theatertechnische Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen
wurden. Stets blieb Raum für Improvisation, so wie es geziemt für alle
Belange die in echter Weise dem Theater zugetan sind. Als der Herbstwind die
Blätter über die Terrasse wirbelte, da war bergseits der Pavillon vollendet.
Der Bau des Parktheaters hatte Gestalt angenommen.
Die Bühne
Als nächster Abschnitt folgte die
zweiseitige Treppenanlage, welche die halbkreisförmige Bühne einschliesst.
Diese liegt einen Meter über dem Zuschauerraum und bedingt dadurch die
Disposition und Schritthöhe der Stufen. Die Rückwand der Bühne ist ein
frontbildender Korbbogen, welcher eine gute Akustik gewährleisten soll. Ihr
aufgesetzt liegt eine durchgehende Lisene sowie Reihen von Balustern. Im
Scheitel des Korbbogens ist eine Brunnenanlage eingelassen; die drei
überhöhten Becken erhalten ihr Wasser von einem Delphin auf dem ein Putto
reitet. Von der Bühne führen sieben breite Stufen zum Wiesengrund des
Parterres. In der Folge wurden sie oft bespielt, denn sie geben dem
Regisseur die Möglichkeit, das Spiel näher an die Zuschauer heranzubringen.
Diese lange Treppe bildet somit die Rampe, welche durch ihre überhöhung die
geistige Trennung schafft vom eigentlichen Spielraum. Die beiden
flankierenden Pavillons geben der Bühne den Rahmen. Sie besitzt somit formal
den Aufbau wie er sich in der Bühnenarchitektur seit dem 17. Jahrhundert
durchgesetzt hat. Nachdem selbst Bertold Brecht zu dieser Bühnenform
gelangte, als er in die Lage kam, sein eigenes Theater zu gestalten, sehen
wir darin kein negatives Wesensmerkmal. Da im Aussenraum unbedingt die
bestmögliche Akustik angestrebt werden muss - sollen nicht an PianosteIlen
Nuancen verloren gehen -, so ist die Arenabühne ungeeignet. Schauspieler und
Sänger sind glücklich, hinter sich eine optimale Schallwand zu wissen und
lehnen es ab, einem Teil der Zuhörer den Rücken zu kehren. Trotz der
spieltechnischen Nachteile wurde die Arenabühne unter jungen Architekten
gerne als Experimentierobjekt benutzt, ähnlich etwa wie gewisse Kirchtürme!
Im Herbst 1951 stellten wir die steinernen Gartenplastiken, wie wir sie aus
dem Veneto (Raum: Venedig/Vicenza/Verona) heimbrachten. Wir haben
nachempfunden, was George Sitwell in seinem Buche über die Planung von
Gärten bezeichnet hat als: ein Schlüssel zu Wunder und Romantik. Der
Verantwortliche für die Wasserkunst öffnete den Hahn. Alsbald rauschte das
Wasser über die Kaskaden.
Der Zuschauerraum
Am Fusse der grossen Freitreppe waren
mittlerweile ungezählte Ladungen von Bauschutt durch ebenso viele mit Humus
vertauscht worden. Der eingewalzte Wiesenplan wurde unser Zuschauerraum. Um
eine optimale Intensität der Ausstrahlung der Schauspieler zu erzielen, ist
die grösstmögliche Nähe aller Zuschauer anzustreben. So besitzen das Grand
Theatre in Genf und das neue Opernhaus in Salzburg einen maximalen Abstand
von 35 Metern, mit Rücksicht auf die Akustik des Aussenraumes setzten wir
die obere Grenze bei 30 Metern. Die Stuhlreihen erstrecken sich dann über
etwa drei Fünftel der gesamten Fläche und gestatten eine Bestuhlung für 400
Zuschauer. Bei Konzerten eines Kammerorchesters mit 25 Musikern kann die
Zahl der Sitze unbeschadet auf 550 erhöht werden. Der rückwärtige Raum mit
etwa zwei Fünfteln des Rasenparterres dient in der Pause als Foyer. Bequemes
Wandeln auf dem Rasenteppich fördert die Begegnung und ist dadurch
mitbestimmend dafür, wie der Abend «ankommt». Dadurch, dass sich unser Foyer
intramuros befindet, bleibt die spezifische Theateratmosphäre während der
Pause erhalten. Regelmässiges Mähen ergab schliesslich einen so dichten
Grasteppich, dass er sogar die Mode der Bleistiftabsätze überlebte.
Der Eingang für den Zuschauer erfolgt von
der Seestrasse. Dort steht als Freiplastik ein moderner Harlekin, den
Peter Hächler (Lenzburg) geschaffen
hat. Mit seiner Gebärde erinnert er den Besucher hier, an der Schwelle des
Theaters, Verkehrslärm und Staub, Hast und Sorgen des Alltags
zurückzulassen. Die dichten Zweige einer Tamariske überschatten das
unpathetische Tor. Es öffnet den Zugang zu einem kleinen Hof, der begrenzt
wird von einem Weinbauernhaus aus dem 17. Jahrhundert. Auf der Rückseite des
Hofes führen zwei Stufen zu einer offenen Vorhalle, welche als Kassenraum
dient. An der Wand steht das Signet des Parktheaters: scena aperta-anima
magis. Ein weiter Rundbogen, als Tor gebildet, bringt die Öffnung zum
grossen Raum. Im Scheitel des Bogens steht ernst und bedeutungsvoll ein
altvenezianischer Jupiterkopf. Deshalb die Benennung mit
Porta Jovis. Bis hierher waren wir im
Jahre 1954 gelangt und konnten im folgenden Jahr die Bühne erstmals
bespielen.
Das Teatro Verde
Um auch den Erfordernissen von Ballett und
Comedia dei arte genügen zu können, begannen wir im Winter 1958/1959 mit dem
Bau des «Teatro Verde». Dieses liegt zürichwärts der erstgebauten Bühne
symmetrisch gegenüber. Eine Rasenböschung bringt die optimale überhöhung.
Die 11 Meter breite Bühnenöffnung wird links und rechts eingefasst von
gemauerten Sockeln, welche gleichzeitig den Standort abgeben für die
Beleuchtung der Vorbühne. Die Bühne ist leicht ansteigend, 22 Meter tief und
besitzt eine Oberfläche von 160 Quadratmetern. Gleichsam als Prospekt steht
vor einer Gruppe von Zypressen eine grosse Apollo-Statue des 16.
Jahrhunderts aus Castelfranco im Veneto. Sie bildet den Richtpunkt der
grossen Achse der Theateranlage, darin ähnlich dem Apollo-Tempel im
Schwetzinger Park. Die Längswände unseres Heckentheaters sind Hainbuchen,
welche entsprechend der «Trompe I'oeil»-Absicht im Schnitt gehalten werden.
Diese Grünkulissen sind durch Lücken unterteilt, womit Schauspielern und
Tänzern vielerlei Möglichkeiten zum Auftritt gegeben werden. In bewusstem
Gegensatz zu der gegenüberliegenden Bühnenarchitektur bilden sie hier den
ausschliesslichen und beziehungslosen Rahmen.
Auf der Höhe der Vorbühne sind aus dem
Laubwerk Nischen gebildet, in welchen steinerne Figuren von Musikanten
stehen. In beschwingtem Schritt schwenken sie Tamburin und Mandoline; die
Bekleidung wie auch die Halbmasken weisen auf das theaterfreudige Venedig
des 17. Jahrhunderts. Die Podeste der Steinfiguren wurden aus roten Ziegeln
aufgemauert. Wir fanden dazu das Vorbild im reizvollen
Renaissance-Stilgarten des Palais P. P. Rubens in Antwerpen. Der Bühne links
vorgelagert befindet sich eine Grube für das Orchester. Die nahe
Beleuchterkabine ist so gelagert, dass sie guten überblick gestattet auf
Vorbühne und Zuschauerraum.
Die Gartengestaltung
Bei der Bepflanzung halfen die Gartenpassion
meiner Frau ebenso wie die beispielhafte gärtnerische Gestaltung des Theater
Lawn von Hidcote Manor an der Grenze von Warwickshire in West-England. Wir
waren erstaunt, als die berühmte englische Schauspielerin Dame Peggy
Ashcroft diesen Zusammenhang erriet. Die Hainbuche wurde Buchs und Taxus
vorgezogen, weil sie gut winterhart ist, eine gelockerte Textur besitzt und
ein helleres Grün. Ihr Blatt ist freibeweglich und damit dem Spiel des
Nachtwindes preisgegeben, ohne deshalb gleich die Aufmerksamkeit abzulenken.
Eine willkommene Nuancierung der Farben bringen die olivgrün-silbernen
Blätter von Acer saccharinium sowie das stumpfe Englischgrün von Thuja
occ.robusta als Hintergrund zu den hellgrauen Statuen. Gleichzeitig sorgen
Robinien, Sophora und Populus balsamifera für einen Wechsel der Textur. Auf
diese Weise wurde eine Gartenarchitektur angestrebt, welche in
mannigfaltigem Wechsel natürliche Elemente mit einbezieht. Im Sinne von
Appia und Craig wurde auf Mehrfarbigkeit verzichtet, da insbesondere das
Teatro Verde in erster Linie Raum sein will und nicht Bild. Vorzüglich
geeignet sind die grossblättrigen Paulownia tomentosa, welche die 1960
erstellte
Puppenbühne flankieren. Ihre
weitausgreifenden Äste bilden nunmehr, nach acht Jahren, ein geschlossenes
Blätterdach hoch über dem Zuschauerraum. Werden die Blätter rückwärtig
angestrahlt, so entsteht ein grünlich-blauer Schein von märchenhafter
Wirkung. Keiner der genannten Bäume führt hier ein Eigendasein als Solitär,
vielmehr halten sie ihr Schnitt und Standort im Dienste des Theaters.
Oftmals überwölben sie die Wege und bilden Charmilles, anderweitig geben sie
Perspektiven frei in die nächtliche Weite. So bilden Hainbuchen einen
Laubengang zu den rückwärtig gelegenen
Garderoben und Schminkräumen.
Ein Zitat
Wir beschliessen die Schilderung der
Entstehung der Theateranlage mit einem Auszug der Würdigung von Prof. H. J.
Frey: «Wenn die endgültige Gestalt des Parktheaters auf den Besucher eine
Wirkung ausübt, welche die des vollkommen Gelungenen ist, so ist das sicher
ein Glücksfall, denn es musste hier wie anderswo unmöglich sein, alles genau
so vorauszusehen, wie die schliessliche Ausprägung es erscheinen lässt. Aber
der .Zufall hat hier doch einen geringeren Anteil am Erfolg als irgendwo
sonst, und zwar deshalb, weil dieses Theater nicht das Ergebnis des
Zusammen- und Gegeneinanderwirkens verschiedener Tendenzen ist. Der
Architekt hatte sich nicht mit dem Theaterdirektor, der Gartengestalter
nicht mit dem Architekten auseinanderzusetzen…»
Zielsetzung
Wenn also eine gewisse Einheitlichkeit in
der gesamten Haltung erzielt wurde, so ist damit auch bereits programmatisch
die Richtung festgelegt, in welcher unsere theatralischen Absichten liegen.
Der Raum, den wir geschaffen hatten, war nicht auf avantgardistische
Experimente gerichtet, auch reichte die zumeist nur kurze Spieldauer der
einzelnen Stücke nicht zu perfektionistischen Aufführungen. Wir haben nicht
mit einem wagenden Publikum gerechnet, das auf eine realistische Aggression
lauert. Ebensowenig haben wir den Opernbesucher als Musikkonsumenten mit
«kulinarischen» Erwartungen eingestuft, wie man es heute manchmal lesen
kann. Nein, wir hielten uns an bewährte Dramen und Opern, dargeboten im
gepflegten Stil eines Kammertheaters. Dabei vermittelte unser Theaterraum
die wichtige psychische Komponente, beim Besucher die Bereitschaft
auszulösen, um gepackt, erlöst oder verzaubert zu werden.
1955
Wir begannen mit einer Feier für Oskar
Wälterlin, Direktor des Zürcher Schauspielhauses, der im September 1955
sechzig wurde. Ein Quartett spielte vier Sätze aus Mozart. Prof. Leopold
Lindtberg gab eine kurze Einführung, dann folgte das Lustspiel: «Wie es Euch
gefällt» von William Shakespeare in der Besetzung des Zürcher Repertoire.
Als die Dämmerung einsetzte, wurden die Fackeln entzündet. Die 160
Zuschauer, darunter viele Mitglieder der Gesellschaft der Freunde des
Schauspielhauses, spendeten rauschenden Beifall. Nach langen Jahren war der
Vorhang aufgegangen!
1956
Im Juli 1956 spielte wiederum das
Schauspielhaus Zürich «Stella» von Joh. W. v. Goethe in der Inszenierung von
Oskar Wälterlin. Käthe Gold, Ehmi Bessel und Werner Hinz waren die
gefeierten Gäste. Mit dieser Aufführung wurde ein erster Höhepunkt erreicht.
Im Juli folgte: «Der Tod des Tizian», ein Fragment, das Hugo v. Hofmannsthai
1892 geschrieben hat. Gegeben wurde es durch die Theatergruppe der
Universität Zürich. Die Darbietung wurde umrahmt von Liedern des
Pro-Arte-Chors Meilen, unter der Leitung von Peter Marx. Den Schluss bildete
das Flötenquartett in A-dur KV 298 von Wolfgang Amadeus Mozart.
1957
Im Juli 1957 hatte sich über unserer
Zürichseelandschaft ein hartnäckiger Kaltlufttropfen gelagert. Der
pausenlose Dauerregen gestattete nicht einmal, die Proben abzuhalten.
Unbarmherzig erinnerte uns Petrus an die Tatsache, dass in Zürich die
durchschnittliche Niederschlagsmenge 1102 mm beträgt gegen 641 mm in Sitten.
Unser Klima ist optimal für Graswuchs und Milchwirtschaft!
1958
Auch im Juli 1958 war das Wetter unserem
ersten Opernabend nicht wohlgesinnt. Es war ein Benefizabend für das Zürcher
Kammerorchester unter der Leitung von Edmond de Stoutz. Niklaus Gessner
inszenierte «Bastien et Bastienne» von W. A. Mozart mit Edith Mathis,
Giacomo Tavoli und Paul Schriber; ferner «La serva padrona», ein Intermezzo
von Giovanni Battista Pergolesi. Mehr Glück hatten wir später mit den beiden
Komödien «Der verwandelte Komödiant» von Stefan Zweig und «Cecile, oder die
Schule der Väter» von Jean Anouilh. Die Regie führte Ettore Cella, die
Darsteller waren Rita Liechti, Annemarie Blanc, Günter Heising, Alfred
Lohner und Alphons Höckmann. Wenn das Wetter sich schliesslich klärte und
der Abend überdies noch warm war, dann freute man sich ob des
Seltenheitswertes. Wie verschieden sind doch unsere Voraussetzungen von
jenen Ländern, wo sich das Leben ganz selbstverständlich unter freiem Himmel
abspielt
1959
Im Juli 1959 spielte die Neue Zürcher
Kammeroper unter der kundigen Stabführung von Armin Brunner: «Die
Kaffee-Kantate» (Kantate Nr. 211
«Schweigt stille, plaudert nicht») von Joh. Seb. Bach. Es sangen Miriam
Lutomirski, Gottlieb Zeithammer, Hubert Sturzenegger, und es tanzten Irene
Roth und Jean-Pierre Genet. Von der anschliessenden Wiedergabe der Opera
buffa «Die Magd als Herrin» schrieb die Presse: Das Kammerorchester erweist
sich vor allem in der wundervollen, prächtig verströmenden Wiedergabe von
Pergolesis Concerto in G-dur für Streichorchester als ein Klangkörper von
überdurchschnittlichen Qualitäten. Es war damals noch möglich, eine so
anspruchsvolle Produktion für einen Eintrittspreis von sieben Franken zu
bieten. Nach den Angaben von Direktor O. Wälterlin betrugen die
Generalunkosten am Zürcher Schauspielhaus für eine Repertoire-Aufführung
(ohne Gäste) 6000 Franken.
1960
Im Juni 1960 veranstalteten wir ein
Benefizkonzert zugunsten des Zürcher Kammerorchesters unter der Leitung von
Edmond de Stoutz. Im Programm standen G. F. Händel, Antonio Vivaldi, Joh.
Seb. Bach und Joseph Haydn. Als Solist spielte der berühmte Cellist Gaspar
Cassadö eine Cellosonate vor dem Konzert in e-moll für Cello und
Streichorchester von Antonio Vivaldi. Es wurde zum Höhepunkt unserer
musikalischen Darbietungen. Im übrigen brachte der kühle Sommer ein Minus an
meteorologischen Sommertagen und ein Plus an Regentagen. Nur dank der
Ausweichdaten und intensivem Telefonbetrieb gelang dennoch die Uraufführung
der Ballettpantomime «Nuit blanche» des Komponisten Werner Kaegi. Armin
Brunner war ihr ein sicherer musikalischer Leiter, und Irene Roth hatte eine
Choreographie gestaltet, welche Tanz und Pantomime geschickt verband. Majna
Sevnik aus Ljubljana und Regine Ohann aus Paris waren die Ballerinen, Ronald
Raey und Willy Preisig die Tänzer. Anschliessend folgte das melodienreiche
Schäferspiel «Le devin du village», eine Kurzoper von J. J. Rousseau, 1752
geschaffen. G. Zeithammer von der Zürcher Oper sang den listigen
Dorfzauberer. Seine tragende Stimme wurde um so mehr geschätzt, als wir
erstmals im Teatro Verde spielten, dessen Akustik bei offener Bühne zu
wünschen übrig lässt. Im August kam Peter W. Loosli mit seinen Marionetten
zu uns und spielte das Puppenspiel vom Doktor Faust. Die Symbolik desselben
bleibt zeitlos aktuell, wenn schon es sich auf Vorlagen stützt, die lange
vor Goethe entstanden sind. Die Puppenbühne wurde unter den Arkaden des
Vorhofes aufgebaut, und für die Zuschauer wurden daselbst über hundert
Sessel bereitgestellt. Das Faust-Drama hielt die Besucher so stark in seinem
Banne, dass die Geräusche der nahen Seestrasse unbeachtet blieben.
1961
Im April 1961 wurde der Bau der
Puppenbühne beendet. Architekt Th.
Laubi gab ihrer Front eine leicht konkave Krümmung. In ihrem Giebel lagern
sich zwei männliche Figuren, welche Spruchbänder halten. Wir wählten dafür:
Atamendicatur (Trotzdem sei es gesagt). Rückwärtig ist die Puppenbühne so
gestaltet, dass sie entweder mit Handpuppen oder, nach kurzem Umbau, mit
Marionetten bespielt werden kann. Ihre Bühnenöffnung beträgt 265 x 105 cm
und kann mit Leichtigkeit den jeweiligen Erfordernissen angepasst werden.
Überhaupt wurde auf Flexibilität der grösste Wert gelegt, da Puppenspieler
durchweg ausgesprochene Individualisten sind und jeder sich seine Bühne
selbständig einrichtet. Am 5. April starb Oskar Wälterlin, unser bester
Freund am Schauspielhaus. Grosszügig und uneigennützig hat er unser Vorhaben
mit Rat und Tat unterstützt. Mit seinem Tod fiel für uns eine Türe ins
Schloss, denn sein Nachfolger besass nicht den Wagemut zum Freilichtspiel.
Die Reihe der sommerlichen Aufführungen im Rieterpark wurde nicht
fortgesetzt. Im Juni konzertierte das Zürcher Kammerorchester unter der
Leitung von Edmond de Stoutz. Das Programm umfasste Werke von Pergolesi (Concertino
und Flötenkonzert), Schubert und Rameau. Die gute Raumakustik gestattet,
einzelne Orchesterinstrumente herauszuhören. So war es eine Freude, dem
Spiel des bekannten Flötisten Andre Jaunet zu folgen. Anfang Juli
inszenierte Dr. Peter Löffler vom Schauspielhaus Zürich: «Man soll sich
nicht verschwören» von Alfred de Musset. Hauptdarsteller waren Maja Thomann,
Marlies Gerwig, Guido v. Salis und Peter Danzeisen. Fritz Muggler hatte eine
diskrete Begleitmusik geschrieben für Blockflöte, Violine, Oboe, Viola da
Gamba und Cembalo. Im August wurde erstmals unsere Puppenbühne bespielt.
Peter W. Loosli erzählte mit Marionetten: «Der kleine Prinz» von Antoine de
Saint-Exupery. Am Augusthimmel, wo die Sterne funkelten, ahnte man den
fernen Planeten des kleinen Prinzen. Für den Kreis entrückter Besucher wurde
es zu einer Sternstunde im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn alle Komponenten
eines Puppenspiels in solcher Perfektion dargeboten werden, dann erreicht es
im Zuschauer eine Gelöstheit vom Alltag, eine geistige Verinnerlichung wie
kaum eine andere Spielart des Mimos.
1962
Im Juni 1962 machte das Wetter den Sprung in
den Sommer. Sogleich stiegen die Besucherzahlen. Das Internationale
Opernstudio des Stadttheaters Zürich bot ausgewählte Szenen aus den
Mozartopern: «Cosi fan tutte»,
«Zauberflöte» und «Figaros Hochzeit». Als Orchester standen die
«Kammermusiker» unter der Leitung von Hans-Willy Haeusslein, mit ihrem
Leader Brenton Langbein, zur Verfügung. Einleitend spielten sie das
Divertimento in F-dur KV 138, darauf folgte eine gereimte
Begrüssung durch Marc Stehle als
Majordomus. Darin eingebaut waren die beiden grossen Osmin-Arien aus der
Entführung. Die alte Linde verströmte ihren Blütenduft in den Theaterraum;
am durchsichtig blassen Sommerhimmel zog die Wega im Sternbild der Leier
helleuchtend dahin. Alsbald gab der Regisseur Lotfi Mansouri den über 400
Besuchern das Zeichen, ihre Stühle umzudrehen, denn die Parkszenen der
«Zauberflöte» wurden im Teatro Verde gegenüber gespielt. Einem guten Einfall
folgend, liess er die drei Knaben aus der erleuchteten Bühnenöffnung des
Puppentheaters ihr Terzett singen. Der Bühnenwechsel brachte Probleme der
Beleuchtung wie der Regie, doch wurden sie so geschickt gemeistert, dass aus
dem Teatro Verde für die Papageno/Papagena-Szene ein eigentliches Traumbild
entstand. Es war die sinnfällige Einfachheit der Natur, an welche die sonst
nur vorgetäuschte, naturalistische Wirklichkeit nie heranreicht.
Am 11. August öffnete das Parktheater zum
erstenmal seine Pforten für eine Freilicht-Plastik-Ausstellung zürcherischer
Bildhauer der Gegenwart. Es waren vertreten Charles O. Bänninger, Nelly Bär,
Franz Fischer, Peter
Hächler
(Lenzburg), Hermann Hubacher, Hans J. Meyer und Emilio Stanzani mit je 3
oder 4 Werken. Mit dem Stand der Sonne verändert sich das Wechselspiel von
Licht- und Schattenpartien, eine Belebung der Aussage, welche die Künstler
am Aussenraum schätzen. Die Besucherzahl war ermutigend. Am 21. August gab
die bestbekannte Puppenspielerin Therese Keller (Münsingen) ein Gastspiel
mit Handpuppen. Aus ihrem grossen Repertoire hatte sie «Ein korsisches
Märchen» und «d'Lismerhäx» ausgewählt. 220 Puppenliebhaber gingen begeistert
mit.
1963
Im Juni 1963 war erneut das Internationale
Opernstudio des Stadttheaters Zürich bei uns zu Gast. Erst boten die
Solisten Arien und Duette aus «Simone Boccanegra», «La Gioconda», «Pique
Dame», «Mignon» u. a. begleitet und geleitet von H. W. Haeusslein.
Anschliessend ging die komische Oper «Der
bekehrte Trunkenbold» von Christoph W. Gluck in Szene. Obwohl der
Juni statt der erwarteten 230 Sonnenstunden nur deren 174 brachte, konnten
wir unser Programm abwickeln. Wir trösteten uns mit: «Gluck bringt Glück.»
Durch die Vermittlung von Marc Stehle
brachte die «Junge Zürcher Operngruppe» im Juli die Oper «Apollo und
Hyacinth» von W. A. Mozart zur schweizerischen Erstaufführung. Die
musikalische Leitung hatte Peter Gast, während Eugen Ott die Inszenierung
besorgte. Mitwirkende waren Cornelia Berchtold, Martha Lewis, Silvia
Piderman, Kurt Huber und Marc Stehle. Mozart schrieb das Werk mit elf Jahren
als Auftragskomposition des Salzburger Gymnasiums. Mit dieser frühesten Oper
Mozarts (Uraufführung 1767) wollten wir einen weiteren Beitrag liefern für
die Wiedergabe selten gespielter Werke.
Hoch von seinem Sockel betrachtete ernst der steinerne Apoll des Barocks die
gespielte Rivalität Apollo und Zephyr.
Im August brachte das St.-Galler
Puppentheater mit Handpuppen: «Die kluge Bauerntochter», in freier
Bearbeitung nach dem Märchen von Grimm. Die Einnahmen kamen der
Ferienhaus-Genossenschaft MIRANIGA zu. Ende August erfreute uns das neue
Zürcher Bläserquintett sowie das verstärkte Bläserensemble (Nonett) mit
einer Serenade. Dazu hatte der Leiter, Hans Rogner, Werke von Rosetti,
Giordani, Hugo de Groot, Caccini, Schubert, Ybert, Schumann und Gounod
ausgewählt. Die Instrumentierung mit Bläsern ist im Aussenraum besonders
wirkungsvoll; so gelang den Blechbläsern, den Oboen und Fagotten eine
farben- und ideenreiche Musik.
1964
Der Sommer 1964 begann vielversprechend mit
dem Einakter von Jean Tardieu: «Wie spricht man Musik.» Unter der präzisen
Anleitung von Peter Löffler gelang es Claude Martin, Peter Bollag und Robert
Bosshardt vorzüglich, eine Sonate aus Worten zu komponieren, dies
insbesondere auf Grund einer differenzierten Artikulation. Leichte Paravents
dienten reflektorisch als Schallwand. Als man sie auf die Seite schob, gab
das Teatro Verde den Blick frei für das reizvolle Bühnenbild von Toni
Businger für das Lustspiel von Jean Giraudoux: «Nachtrag zur Reise des
Kapitäns Cook.» Da der Schauplatz die Insel Tahiti ist, am 9. April 1769,
war die vorbereitende Schminkarbeit an Uturu, Amarura, Tahiriri, Valao,
Matamua und den übrigen
Polynesiern
entsprechend gross. Gleich zu Beginn lieferte ein Tonband, geheimnisvoll und
erregend, Töne des Urwalds und steigerte die Spannung der lebhaft
mitgehenden Zuschauer. Die tragenden Rollen waren mit Marlies Gerwig und
Robert Tessen erstklassig besetzt. Eine knappe Stunde nach Schluss der
letzten Aufführung fuhr einer der Schauspieler nach München, ein anderer
nach Stuttgart, um am nächsten Morgen für die Proben zur Stelle zu sein.
Dies als Streiflicht für die heutige Situation.
Im August versammelten sich die Mitglieder
der Vereinigung schweizerischer Puppenspieler zu ihrer Jahresversammlung.
Die finnische Handpuppenspielerin Mona Leo zeigte ein Waldmärchen, in
welchem Einsamkeit und Naturnähe vorzüglich zum Ausdruck kamen. Aus
respektvoller Entfernung hatten ein paar Kronenkraniche aus Kenia zugesehen.
Seither gehö ren sie zu den stillen Requisiten des Parktheaters. Für uns
sind es gleichsam die Paradiesvögel, wie sie Mantegna für Isabella d'Este im
Studiolo zu Mantua gemalt hat.
1965
Der Juli 1965 war um 1,7 Grad zu kalt und
brachte nur 70 Prozent des Normalbetrages an Sonnenschein. Dessen ungeachtet
waren von der Neuen Zürcher Kammeroper alle Vorbereitungen getroffen für die
Wiedergabe von «L'infedelta dei usa», einer komischen Oper von Joseph Haydn.
Die Uraufführung hatte in Esterhaza 1773 stattgefunden. Zwischen die beiden
Akte schoben wir ein Ballett-Intermezzo, dessen Musik von Peter Mieg
(Lenzburg) eigens geschrieben wurde. Die Choreographie von Roy Bosier lehnte
sich an Vorbilder der Comedia dei arte. Die Colombina tanzte Colette Cerf,
die Tiffta Varpu Heimolainen, beide vom Ballett des Opernhauses Zürich. Max
Stubenrauch hatte ein vozügliches Bühnenbild hergestellt, dessen einfache
Hausfassaden die Vorbühne des Teatro Verde als Prospekt umschloss. Als Folge
dieser kompakten Schallmauer wurde unser Theaterraum zum Saal. Die Erfahrung
wurde weg leitend. Der helle Sopran von Ruth Rohner als Vespina hatte den
grössten Anteil am Spass und der Lebensfreudigkeit, welche dieser Abend
ausstrahlte. Madeleine Baer sang die Sandrina mit gewinnender Anmut. Wenn
immer das Wetter es erlaubte, kam der Abend glänzend an, so dass Fridolin
Tschudi, der leider allzu früh verstorbene Barde, schreiben konnte: Das
Parktheater Meilen nimmt sich wie ein Bijou aus - bestimmt!
Nachdem Bronze und Stein ungleich
wetterbeständiger sind wie Streichinstrumente, eröffneten wir frohgemut
Mitte August die 11. Freilicht-Plastik-Ausstellung. Sie vereinigte Werke von
Nelly Bär, Hans Fischli, Franz Fischer, Peter Hächler, Hans Josephson und
Katrin Sallenbach. Zur Eröffnung sprach Dr. Rene Wehrli, Direktor des
Zürcher Kunsthauses einführende Worte, bis eine Regenböe uns unter die
Arkaden trieb. Die Beziehungslosigkeit der Grünwände ermöglicht die
Gruppierung abstrakter Werke ebenso gut wie die Mauern das Hängen von
Reliefs. Die Ausstellung hatte sich eingeführt und zeitigte einige Verkäufe.
Ende August gab das «Teatro Sperimentale dei
Buratini» aus Rom eine Benefizvorstellung zugunsten des Meilener
Ferienhauses MIRANIGA. Der Leiter Otello Sarzi brachte mit Handpuppen Szenen
aus Satira und Folklore. Die Puppen vereinigten in ihrer zumeist
übersteigerten Typisierung eine starke Gestaltungskraft. Handfeste, burleske
Szenen jagten mit turbulenter Bewegung über die Bühne.
1966
Im Juli 1966 brachte die Schauspielschule
Zollikon unter der Leitung von Frau Linde Strube das Lustspiel von Pierre C.
Marivaux: «Das Spiel von Liebe und Zufall.» Von den Schauspieleleven wurde
ein fröhlich Tun in frischer Gangart dargeboten. Ebenfalls im Juli hatte die
Gesellschaft der Freunde des Zürcher Kammerorchesters ihre Mitglieder zur
Generalversammlung in das Parktheater aufgefordert. Nach dem Verlesen des
Jahresberichtes durch den Präsidenten, Dr. Lorenz Stucki, spielte das
Orchester unter der Leitung seines vitalen Dirigenten Edmond de Stoutz zur
Eröffnung die Suite in g-moll für Streichorchester von J. Ph. Rameau, darauf
eine feierlich getragene Chaconne für Streicher von Henry Purcell. Es folgte
die konzertante Uraufführung der «Meilener Ballette» (1. und 2. Teil) des
Komponisten Peter Mieg, welcher gleichzeitig seinen 60. Geburtstag feierte.
«L'orgue de barbarie» wie auch «Les ombres de Pierrot» sind prächtig
beschwingte Ballettmusiken, welche eine tänzerische Ausdeutung geradezu
verlangen.
Im August eröffneten wir für drei Wochen
eine Verkaufsausstellung moderner schweizerischer Garten- und
Architekturkeramik. Die nötigen
Kontakte und die Auswahl wurden ermöglicht durch die verständnisvolle
Mitarbeit von Paul v. Rotz und Ernst Bodmer. Dank ihrer Erfahrung gelang
eine vorzügliche Präsentation der über 100 Gegenstände, welche Zeugnis
ablegten für die mannigfaltigen Möglichkeiten keramischer Gestaltung. Aus
unserer Gegend stellten aus: Elisabeth Aerni-Langsch (Zumikon), Silvia
Defraoui (St. Gallen), Heidi Hess (Zürich), Maja v. Rotz (Männedorf) und
Vreni Wächter (Feldmeilen). Aus der welschen Schweiz kamen: Edouard
Chapallaz (Nyon), Jean CI. de Crousaz (Bernexl Genf), Pierette
Favarger (Peseux) und Philippe Lambercy (Confignon/Genf). Bauelemente aus
Steinzeug waren zu Wänden aufgebaut, während die bunten Lasuren von Tauben,
Hühnern und Truthennen auf niederen weissen Tischen schillerten. Dr. Willy
Rotzier sprach einführende Worte. In der Folge sind seine guten Wünsche für
alle Beteiligten bestens in Erfüllung gegangen.
1967
Als die Hochdruckzone sich allmählich über
Mitteleuropa ausbreitete, rettete sie dadurch die Ballett-Abende vom
Juli-Beginn 1967. Da jedoch der Regen erst morgens um 11 Uhr aufhörte, wurde
unsere Risikobereitschaft beträchtlich auf die Probe gestellt. Jean Deroc,
der Leiter und Choreograph des Schweizer Kammerballetts hatte ein
abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Auf der neu gelegten
Holzbühne des Teatro Verde wurde getanzt nach den Kompositionen von Gaspar
Fritz, Serge Prokofieff, Guy Warren und Armin Schibier. Die Leistung der
Solotänzer des Opernhauses Zürich, Irena Milovan, Varpu Heimolainen und Hans
Meister seien hervorgehoben. In den Pausen sang die Sopranistin Ruth
Greub-Rohner Lieder von Peter Mieg sowie «Kinderstube» von Mussorgsky. Sie
wurde am Flügel begleitet von H. W. Haeusslein, während die Ballette nach
Tonband getanzt wurden.
Eine richtig aufgestellte und verstärkte
Stereoanlage bietet nahezu vollwertigen Ersatz für ein Orchester. Die Kosten
des Letzteren sind neben den Ballett-Gagen heute nicht mehr tragbar, wenn
sie nicht durch eine massive Subvention aufgefangen werden. Ein Tonband
erweist sich als besonders vorteilhaft bei den Proben, wo häufige
Unterbrechungen und Wiederholungen selbstverständlich sind. Wenn die Frage
der Kosten immer grössere Schwierigkeiten bereitet, so liegt dies in erster
Linie an der Steigerung der Honorare. Trotz langjähriger Wirtschaftsblüte
ist unser Publikum nicht gewillt, kostendeckende Eintrittspreise zu
bewilligen. Aber davon abgesehen, werden Theaterproduktionen in Meilen noch
durch weitere Faktoren entscheidend erschwert. So ist leider deutlich
geworden, dass sich die Juni-Festwochen in Zürich oft bis in die ersten
Julitage erstrecken. Dadurch werden unsere Möglichkeiten des Engagements von
Schauspielern, Musikern oder Sängern stark begrenzt. Der Juli ist aber für
die Genannten der erste Ferienmonat, da mit Mitte August wieder die ersten
Proben beginnen. Vergangen die Zeiten, wo mit Palmarum die Theatersaison zu
Ende war! Sodann wurde der Ferienbeginn der Schulen eine Woche vorverlegt,
wodurch die Beteiligung der Anwohner des rechten Ufers vermindert wird. Auch
an Abenden, an denen wegen Regens oder Kälteeinbruchs nicht gespielt werden
kann, muss der ganze Apparat, einschliesslich der technischen Dienste, voll
bezahlt werden. Diese Häufung von nachteiligen Faktoren, welche von unserem
guten Willen nicht beeinflusst werden können, lassen die Frage offen, ob in
der Zukunft anspruchsvolle Aufführungen in unserem Rahmen noch möglich sind.
Teo Otto definiert in seinen Betrachtungen zum Bühnenbild: «Das Theater ist
die hohe Kunst der Vergänglichkeit.» Meilen macht davon keine Ausnahme!
1968
Im Juli 1968 war das Wetter sommerlich warm.
Wir hatten mit dem Schweizer Kammerballett ein vielfältiges Programm
aufgestellt. Allein, eine Solotänzerin vom Berner Opernballett musste an
Meniscus operiert werden. Kurzfristig, wie der ärztliche Entscheid fiel,
machte er einen rechtzeitigen Ersatz unmöglich. Wir vertagten auf den August
und gelangten in eine Wetterperiode, von der es heisst: «Deutlich zu kühl
und unfreundlich.» Wir waren gezwungen, die Ausweichmöglichkeit im grossen
Singsaal des neuerbauten Schulhauses Allmend zu benützen. Den Beginn machte
ein Divertimento von Peter Mieg, das nach der Choreographie von Jean Deroc
getanzt wurde. Es folgten Free Jazz Impressionen von Max Keller mit einem
Lichtspiel von H. J. Siber. Darauf die «Esquisse de danse» mit dem
Komponisten Armin Schibier am Klavier (Uraufführung). Ebenfalls erstmalig
erklang die «Fahrt durch die Nacht» von Leo Nadelmann mit einer
Tonfilmmontage von H. J. Siber. Für die Tonbandwiedergabe hatten Hans
Andreae und Peter Aronski das Klavier bedient, Peter Dyk das Schlagzeug. Den Schluss bildete das «Concert
pour la Jeunesse» von Armin Schibier nach der Choreographie von Jean Deroc.
Das Ballett-Ensemble zeigte insgesamt vorzügliche Leistungen. Besonders
hervorheben möchten Irena Milovan Käthe Herkner und Robert Strajner vom
Opehaus Zürich. Angele Barre, F. W. Köhler und Kurt Auer vom Stadttheater
Bem sowie die eindrückliche Leistung von Sivia Frey vom Stadttheater Basel.
Die Aufnahmen stammen von den Proben im
Parktheater.
Ebenfalls im August eröffneten wir die 3.
Freilicht-Plastik-Ausstellung. Nelly-Bär, Franz Fischer, Charlotte Germann,
Ödon Koch, Heinz Kriesi und Katrin Sallenbach stellten je vier Werke aus.
Damit war wieder ein gewisser Querschnitt erreicht von neuen Schöpfungen
zürcherischer Künstler. Am Tage der Eröffnung erschienen im Kreise
zahlreicher Gäste auch Vertreter der Behörden der rechtsufrigen Gemeinden
sowie der Zürcher Kunstgesellschaft und der GSMBA. Während der
Ausstellungsdauer hat es immerhin an einem Tag nicht geregnet. Wenn trotzdem
nahezu die Hälfte der Plastiken verkauft wurden, so erweist sich hier, dass
die Begeisterung für hochstehende Kunst von der Unbill der Witterung kaum
berührt wird. Uns durfte es mit Genugtuung erfüllen, dass die getroffene
Auswahl die Gunst des Publikums gefunden hat.
An einem sonnigen Herbsttag, zu Beginn
September, brachte Frau Rosmarie Metzenthin den Kinderzirkus auf die Bühne
des Teatro Verde. Etwa 80 Kinder von sechs bis elf Jahren zeigten
humoristische Tierdressuren, Akrobaten, Clowns und Tänzer. Hunderte von
Kindern und viele Eltern folgten den Darbietungen mit gespanntem Interesse
und erfreulicher Disziplin. Der Reinertrag ging an das Kinderdorf
Pestalozzi. Damit ist das Ende der zwei Dezennien erreicht, über welche
diese Rückschau Bericht ablegt. Es bleibt uns, jenen zu danken, die durch
ihren Besuch unsere Anlässe unterstützt haben, vorab der Kreis der
Stammgäste aber auch die Leitung der Produktion AG.
Behaftet mit allen Unsicherheiten unserer
Zeit, ist die Kunst im Begriff, neue Wege der Darstellung zu beschreiten.
Selbst dort, wo neue Ordnungen bereits sichtbar werden, bleibt der Auftrag
zur Pflege des kulturellen Erbes bestehen, vereint mit dem Privileg des
persönlichen Verhältnisses zur Kunst. |