Das Parktheater

20 Jahre Parktheater, Charlie Wunderly, November 1969

Persönliches Werden
Im Jahre 1917 gastierte Max Reinhardt mit seinem berühmten Berliner Ensemble für einige Vorstellungen im Zürcher Stadttheater. Meine Eltern hatten mich mitgenommen zu «Dantons Tod» von Georg Büchner, wobei Alexander Moissi den Danton spielte. Später besuchten wir die Komödie «Diener zweier Herren» von Carlo Goldoni. Hugo Thimig war Pantalone, unterstützt von seiner Schwester Helene und seinem Bruder Hermann. Beides waren Höchstleistungen des damaligen Theaters. Die Wirkung auf die Zuschauer war derart, dass jene Aufführungen heute legendär sind. Noch sehe ich deutlich einzelne Szenen vor mir, höre das Melos der Stimme von Moissi. Kein Wunder, dass ich für die Sache des Theaters gewonnen war. Weiteren Anstoss gaben Besuche bei dem Dichter Hans Reinhart in Winterthur. Er hatte im väterlichen Hause zum «Rychenberg» eine Puppenbühne geschaffen und spielte daselbst Märchen voller Poesie und Innigkeit. Auch die ausgezeichneten Aufführungen der Zürcher und der Münchner Marionetten an der Kunstgewerbeschule in Zürich boten Anregung.

In der Folge baute ich ein Papiertheater in einem abgelegenen Winkel des Dachstockes der «Unteren Mühle» zu Meilen. Das Vorhaben wurde erleichtert durch eine grössere Zahl von kleinen Kulissen, Soffitten und Requisiten, welche die Urgrosseltern mir zugedacht hatten. Einzelne Szenen der deutschen Klassiker gingen über «die Bretter» und kündeten dem erstaunten Freundeskreis von der Freude am Gestalten solcher Dichtung.

Die Jahre der Ausbildung brachten Theaterbesuche in Paris, London und New York. Allmählich entstand der Wunsch, einen Raum zu schaffen, in welchem man Theater spielen konnte. Besuche im Collegio Borromeo zu Pavia, im MirabelI-Park von Salzburg, im Felsentheater von Hellbrunn, im Grossen Garten von Herrenhausen (Hannover) 1689-1693, im Gartentheater von Schwetzingen (Heidelberg) 1761-1776 und dem Teatro Verde von Negrar (Verona) 1783-1793, zeigten uns die Vielfalt der Möglichkeiten von Freilichtbühnen. Natürlich konnte es nicht in Frage stehen, eines dieser historischen Beispiele verkleinert zu kopieren. Vielmehr galt es, aus unseren Gegebenheiten das Beste herauszuholen. Der Aufenthalt in einem solchermassen gestalteten Gartenraum ist auch dann überaus reizvoll, wenn nicht gespielt wird. Diese Oberlegung wurde für uns bestimmend, Theater und sommerlicher Lebensraum in einem.

Planung und Gestaltung
Als erster Schritt dazu wurde im Kriegsjahr 1943 das grosse Stockerhaus, welches unserem Hausgarten in Meilen vorgelagert war, abgerissen. Es war von Hans Wunderly anno 1762 errichtet worden, jedoch als Folge der gerberei-technischen Verwendung in solch schlechten Bauzustand geraten, dass der Abbruch angezeigt war. Nur der Rest einer Aussenmauer blieb stehen und bildet heute die bergseitige Begrenzung des Zuschauerraumes. Ein riesiger Schuttkegel füllte alsbald den Raum, in welchem das Freilicht-Theater entstehen sollte. Nun galt es, eine Gesamtkonzeption zu gewinnen. Die Ausführung in Stein machte spätere Änderungen nahezu unmöglich. Ein genaues Durchdenken der komplexen Abhängigkeiten von Licht und Ton, der Bewegung der Zuschauer, der Schauspieler und Requisiten, dem Zugang der Garderoben und Schminkräume erforderte sechs Jahre. Im Januar 1949 legte ich meinem Vetter, dem Architekten Andre Ammann, einige Skizzen vor. Obwohl er zum Theater keine Beziehung besass, hat sich seine Wahl in der Folge ausgezeichnet bewährt. Gleich zu Beginn war der Stil festzulegen, denn dieser musste im richtigen Verhältnis stehen zu den dramatischen Werken, an deren Wiedergabe wir dachten. Es handelte sich um Schöpfungen des 19. und insbesondere des 18. Jahrhunderts. Demzufolge war der Stil auf die Vergangenheit auszurichten. Es entstanden die Proportionen eines Barocks von konsequenter Klarheit und von schlichtem Mass. Die Linien kühler Klassik wurden abgelehnt, da ihre Intellektualität theatralischen Absichten abhold ist; ebenso der Schwung einer übersteigerten Repräsentation, welche dem nüchternen Sinn unserer Besucher nicht entsprechen würde.
Nach fünf Monaten hatte der Architekt seine Pläne soweit bereinigt, dass man zur Ausführung schreiten konnte. Material und Detailfragen blieben zumeist einer empirischen Behandlung offen, wobei künstlerische und theatertechnische Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen wurden. Stets blieb Raum für Improvisation, so wie es geziemt für alle Belange die in echter Weise dem Theater zugetan sind. Als der Herbstwind die Blätter über die Terrasse wirbelte, da war bergseits der Pavillon vollendet. Der Bau des Parktheaters hatte Gestalt angenommen.

Die Bühne
Als nächster Abschnitt folgte die zweiseitige Treppenanlage, welche die halbkreisförmige Bühne einschliesst. Diese liegt einen Meter über dem Zuschauerraum und bedingt dadurch die Disposition und Schritthöhe der Stufen. Die Rückwand der Bühne ist ein frontbildender Korbbogen, welcher eine gute Akustik gewährleisten soll. Ihr aufgesetzt liegt eine durchgehende Lisene sowie Reihen von Balustern. Im Scheitel des Korbbogens ist eine Brunnenanlage eingelassen; die drei überhöhten Becken erhalten ihr Wasser von einem Delphin auf dem ein Putto reitet. Von der Bühne führen sieben breite Stufen zum Wiesengrund des Parterres. In der Folge wurden sie oft bespielt, denn sie geben dem Regisseur die Möglichkeit, das Spiel näher an die Zuschauer heranzubringen. Diese lange Treppe bildet somit die Rampe, welche durch ihre überhöhung die geistige Trennung schafft vom eigentlichen Spielraum. Die beiden flankierenden Pavillons geben der Bühne den Rahmen. Sie besitzt somit formal den Aufbau wie er sich in der Bühnenarchitektur seit dem 17. Jahrhundert durchgesetzt hat. Nachdem selbst Bertold Brecht zu dieser Bühnenform gelangte, als er in die Lage kam, sein eigenes Theater zu gestalten, sehen wir darin kein negatives Wesensmerkmal. Da im Aussenraum unbedingt die bestmögliche Akustik angestrebt werden muss - sollen nicht an PianosteIlen Nuancen verloren gehen -, so ist die Arenabühne ungeeignet. Schauspieler und Sänger sind glücklich, hinter sich eine optimale Schallwand zu wissen und lehnen es ab, einem Teil der Zuhörer den Rücken zu kehren. Trotz der spieltechnischen Nachteile wurde die Arenabühne unter jungen Architekten gerne als Experimentierobjekt benutzt, ähnlich etwa wie gewisse Kirchtürme! Im Herbst 1951 stellten wir die steinernen Gartenplastiken, wie wir sie aus dem Veneto (Raum: Venedig/Vicenza/Verona) heimbrachten. Wir haben nachempfunden, was George Sitwell in seinem Buche über die Planung von Gärten bezeichnet hat als: ein Schlüssel zu Wunder und Romantik. Der Verantwortliche für die Wasserkunst öffnete den Hahn. Alsbald rauschte das Wasser über die Kaskaden.

Der Zuschauerraum
Am Fusse der grossen Freitreppe waren mittlerweile ungezählte Ladungen von Bauschutt durch ebenso viele mit Humus vertauscht worden. Der eingewalzte Wiesenplan wurde unser Zuschauerraum. Um eine optimale Intensität der Ausstrahlung der Schauspieler zu erzielen, ist die grösstmögliche Nähe aller Zuschauer anzustreben. So besitzen das Grand Theatre in Genf und das neue Opernhaus in Salzburg einen maximalen Abstand von 35 Metern, mit Rücksicht auf die Akustik des Aussenraumes setzten wir die obere Grenze bei 30 Metern. Die Stuhlreihen erstrecken sich dann über etwa drei Fünftel der gesamten Fläche und gestatten eine Bestuhlung für 400 Zuschauer. Bei Konzerten eines Kammerorchesters mit 25 Musikern kann die Zahl der Sitze unbeschadet auf 550 erhöht werden. Der rückwärtige Raum mit etwa zwei Fünfteln des Rasenparterres dient in der Pause als Foyer. Bequemes Wandeln auf dem Rasenteppich fördert die Begegnung und ist dadurch mitbestimmend dafür, wie der Abend «ankommt». Dadurch, dass sich unser Foyer intramuros befindet, bleibt die spezifische Theateratmosphäre während der Pause erhalten. Regelmässiges Mähen ergab schliesslich einen so dichten Grasteppich, dass er sogar die Mode der Bleistiftabsätze überlebte.

Der Eingang für den Zuschauer erfolgt von der Seestrasse. Dort steht als Freiplastik ein moderner Harlekin, den Peter Hächler (Lenzburg) geschaffen hat. Mit seiner Gebärde erinnert er den Besucher hier, an der Schwelle des Theaters, Verkehrslärm und Staub, Hast und Sorgen des Alltags zurückzulassen. Die dichten Zweige einer Tamariske überschatten das unpathetische Tor. Es öffnet den Zugang zu einem kleinen Hof, der begrenzt wird von einem Weinbauernhaus aus dem 17. Jahrhundert. Auf der Rückseite des Hofes führen zwei Stufen zu einer offenen Vorhalle, welche als Kassenraum dient. An der Wand steht das Signet des Parktheaters: scena aperta-anima magis. Ein weiter Rundbogen, als Tor gebildet, bringt die Öffnung zum grossen Raum. Im Scheitel des Bogens steht ernst und bedeutungsvoll ein altvenezianischer Jupiterkopf. Deshalb die Benennung mit Porta Jovis. Bis hierher waren wir im Jahre 1954 gelangt und konnten im folgenden Jahr die Bühne erstmals bespielen.

Das Teatro Verde
Um auch den Erfordernissen von Ballett und Comedia dei arte genügen zu können, begannen wir im Winter 1958/1959 mit dem Bau des «Teatro Verde». Dieses liegt zürichwärts der erstgebauten Bühne symmetrisch gegenüber. Eine Rasenböschung bringt die optimale überhöhung. Die 11 Meter breite Bühnenöffnung wird links und rechts eingefasst von gemauerten Sockeln, welche gleichzeitig den Standort abgeben für die Beleuchtung der Vorbühne. Die Bühne ist leicht ansteigend, 22 Meter tief und besitzt eine Oberfläche von 160 Quadratmetern. Gleichsam als Prospekt steht vor einer Gruppe von Zypressen eine grosse Apollo-Statue des 16. Jahrhunderts aus Castelfranco im Veneto. Sie bildet den Richtpunkt der grossen Achse der Theateranlage, darin ähnlich dem Apollo-Tempel im Schwetzinger Park. Die Längswände unseres Heckentheaters sind Hainbuchen, welche entsprechend der «Trompe I'oeil»-Absicht im Schnitt gehalten werden. Diese Grünkulissen sind durch Lücken unterteilt, womit Schauspielern und Tänzern vielerlei Möglichkeiten zum Auftritt gegeben werden. In bewusstem Gegensatz zu der gegenüberliegenden Bühnenarchitektur bilden sie hier den ausschliesslichen und beziehungslosen Rahmen.
Auf der Höhe der Vorbühne sind aus dem Laubwerk Nischen gebildet, in welchen steinerne Figuren von Musikanten stehen. In beschwingtem Schritt schwenken sie Tamburin und Mandoline; die Bekleidung wie auch die Halbmasken weisen auf das theaterfreudige Venedig des 17. Jahrhunderts. Die Podeste der Steinfiguren wurden aus roten Ziegeln aufgemauert. Wir fanden dazu das Vorbild im reizvollen Renaissance-Stilgarten des Palais P. P. Rubens in Antwerpen. Der Bühne links vorgelagert befindet sich eine Grube für das Orchester. Die nahe Beleuchterkabine ist so gelagert, dass sie guten überblick gestattet auf Vorbühne und Zuschauerraum.

Die Gartengestaltung
Bei der Bepflanzung halfen die Gartenpassion meiner Frau ebenso wie die beispielhafte gärtnerische Gestaltung des Theater Lawn von Hidcote Manor an der Grenze von Warwickshire in West-England. Wir waren erstaunt, als die berühmte englische Schauspielerin Dame Peggy Ashcroft diesen Zusammenhang erriet. Die Hainbuche wurde Buchs und Taxus vorgezogen, weil sie gut winterhart ist, eine gelockerte Textur besitzt und ein helleres Grün. Ihr Blatt ist freibeweglich und damit dem Spiel des Nachtwindes preisgegeben, ohne deshalb gleich die Aufmerksamkeit abzulenken. Eine willkommene Nuancierung der Farben bringen die olivgrün-silbernen Blätter von Acer saccharinium sowie das stumpfe Englischgrün von Thuja occ.robusta als Hintergrund zu den hellgrauen Statuen. Gleichzeitig sorgen Robinien, Sophora und Populus balsamifera für einen Wechsel der Textur. Auf diese Weise wurde eine Gartenarchitektur angestrebt, welche in mannigfaltigem Wechsel natürliche Elemente mit einbezieht. Im Sinne von Appia und Craig wurde auf Mehrfarbigkeit verzichtet, da insbesondere das Teatro Verde in erster Linie Raum sein will und nicht Bild. Vorzüglich geeignet sind die grossblättrigen Paulownia tomentosa, welche die 1960 erstellte Puppenbühne flankieren. Ihre weitausgreifenden Äste bilden nunmehr, nach acht Jahren, ein geschlossenes Blätterdach hoch über dem Zuschauerraum. Werden die Blätter rückwärtig angestrahlt, so entsteht ein grünlich-blauer Schein von märchenhafter Wirkung. Keiner der genannten Bäume führt hier ein Eigendasein als Solitär, vielmehr halten sie ihr Schnitt und Standort im Dienste des Theaters. Oftmals überwölben sie die Wege und bilden Charmilles, anderweitig geben sie Perspektiven frei in die nächtliche Weite. So bilden Hainbuchen einen Laubengang zu den rückwärtig gelegenen Garderoben und Schminkräumen.

Ein Zitat
Wir beschliessen die Schilderung der Entstehung der Theateranlage mit einem Auszug der Würdigung von Prof. H. J. Frey: «Wenn die endgültige Gestalt des Parktheaters auf den Besucher eine Wirkung ausübt, welche die des vollkommen Gelungenen ist, so ist das sicher ein Glücksfall, denn es musste hier wie anderswo unmöglich sein, alles genau so vorauszusehen, wie die schliessliche Ausprägung es erscheinen lässt. Aber der .Zufall hat hier doch einen geringeren Anteil am Erfolg als irgendwo sonst, und zwar deshalb, weil dieses Theater nicht das Ergebnis des Zusammen- und Gegeneinanderwirkens verschiedener Tendenzen ist. Der Architekt hatte sich nicht mit dem Theaterdirektor, der Gartengestalter nicht mit dem Architekten auseinanderzusetzen…»

Zielsetzung
Wenn also eine gewisse Einheitlichkeit in der gesamten Haltung erzielt wurde, so ist damit auch bereits programmatisch die Richtung festgelegt, in welcher unsere theatralischen Absichten liegen. Der Raum, den wir geschaffen hatten, war nicht auf avantgardistische Experimente gerichtet, auch reichte die zumeist nur kurze Spieldauer der einzelnen Stücke nicht zu perfektionistischen Aufführungen. Wir haben nicht mit einem wagenden Publikum gerechnet, das auf eine realistische Aggression lauert. Ebensowenig haben wir den Opernbesucher als Musikkonsumenten mit «kulinarischen» Erwartungen eingestuft, wie man es heute manchmal lesen kann. Nein, wir hielten uns an bewährte Dramen und Opern, dargeboten im gepflegten Stil eines Kammertheaters. Dabei vermittelte unser Theaterraum die wichtige psychische Komponente, beim Besucher die Bereitschaft auszulösen, um gepackt, erlöst oder verzaubert zu werden.

1955
Wir begannen mit einer Feier für Oskar Wälterlin, Direktor des Zürcher Schauspielhauses, der im September 1955 sechzig wurde. Ein Quartett spielte vier Sätze aus Mozart. Prof. Leopold Lindtberg gab eine kurze Einführung, dann folgte das Lustspiel: «Wie es Euch gefällt» von William Shakespeare in der Besetzung des Zürcher Repertoire. Als die Dämmerung einsetzte, wurden die Fackeln entzündet. Die 160 Zuschauer, darunter viele Mitglieder der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses, spendeten rauschenden Beifall. Nach langen Jahren war der Vorhang aufgegangen!

1956
Im Juli 1956 spielte wiederum das Schauspielhaus Zürich «Stella» von Joh. W. v. Goethe in der Inszenierung von Oskar Wälterlin. Käthe Gold, Ehmi Bessel und Werner Hinz waren die gefeierten Gäste. Mit dieser Aufführung wurde ein erster Höhepunkt erreicht. Im Juli folgte: «Der Tod des Tizian», ein Fragment, das Hugo v. Hofmannsthai 1892 geschrieben hat. Gegeben wurde es durch die Theatergruppe der Universität Zürich. Die Darbietung wurde umrahmt von Liedern des Pro-Arte-Chors Meilen, unter der Leitung von Peter Marx. Den Schluss bildete das Flötenquartett in A-dur KV 298 von Wolfgang Amadeus Mozart.

1957
Im Juli 1957 hatte sich über unserer Zürichseelandschaft ein hartnäckiger Kaltlufttropfen gelagert. Der pausenlose Dauerregen gestattete nicht einmal, die Proben abzuhalten. Unbarmherzig erinnerte uns Petrus an die Tatsache, dass in Zürich die durchschnittliche Niederschlagsmenge 1102 mm beträgt gegen 641 mm in Sitten. Unser Klima ist optimal für Graswuchs und Milchwirtschaft!

1958
Auch im Juli 1958 war das Wetter unserem ersten Opernabend nicht wohlgesinnt. Es war ein Benefizabend für das Zürcher Kammerorchester unter der Leitung von Edmond de Stoutz. Niklaus Gessner inszenierte «Bastien et Bastienne» von W. A. Mozart mit Edith Mathis, Giacomo Tavoli und Paul Schriber; ferner «La serva padrona», ein Intermezzo von Giovanni Battista Pergolesi. Mehr Glück hatten wir später mit den beiden Komödien «Der verwandelte Komödiant» von Stefan Zweig und «Cecile, oder die Schule der Väter» von Jean Anouilh. Die Regie führte Ettore Cella, die Darsteller waren Rita Liechti, Annemarie Blanc, Günter Heising, Alfred Lohner und Alphons Höckmann. Wenn das Wetter sich schliesslich klärte und der Abend überdies noch warm war, dann freute man sich ob des Seltenheitswertes. Wie verschieden sind doch unsere Voraussetzungen von jenen Ländern, wo sich das Leben ganz selbstverständlich unter freiem Himmel abspielt

1959
Im Juli 1959 spielte die Neue Zürcher Kammeroper unter der kundigen Stabführung von Armin Brunner: «Die Kaffee-Kantate» (Kantate Nr. 211 «Schweigt stille, plaudert nicht») von Joh. Seb. Bach. Es sangen Miriam Lutomirski, Gottlieb Zeithammer, Hubert Sturzenegger, und es tanzten Irene Roth und Jean-Pierre Genet. Von der anschliessenden Wiedergabe der Opera buffa «Die Magd als Herrin» schrieb die Presse: Das Kammerorchester erweist sich vor allem in der wundervollen, prächtig verströmenden Wiedergabe von Pergolesis Concerto in G-dur für Streichorchester als ein Klangkörper von überdurchschnittlichen Qualitäten. Es war damals noch möglich, eine so anspruchsvolle Produktion für einen Eintrittspreis von sieben Franken zu bieten. Nach den Angaben von Direktor O. Wälterlin betrugen die Generalunkosten am Zürcher Schauspielhaus für eine Repertoire-Aufführung (ohne Gäste) 6000 Franken.

1960
Im Juni 1960 veranstalteten wir ein Benefizkonzert zugunsten des Zürcher Kammerorchesters unter der Leitung von Edmond de Stoutz. Im Programm standen G. F. Händel, Antonio Vivaldi, Joh. Seb. Bach und Joseph Haydn. Als Solist spielte der berühmte Cellist Gaspar Cassadö eine Cellosonate vor dem Konzert in e-moll für Cello und Streichorchester von Antonio Vivaldi. Es wurde zum Höhepunkt unserer musikalischen Darbietungen. Im übrigen brachte der kühle Sommer ein Minus an meteorologischen Sommertagen und ein Plus an Regentagen. Nur dank der Ausweichdaten und intensivem Telefonbetrieb gelang dennoch die Uraufführung der Ballettpantomime «Nuit blanche» des Komponisten Werner Kaegi. Armin Brunner war ihr ein sicherer musikalischer Leiter, und Irene Roth hatte eine Choreographie gestaltet, welche Tanz und Pantomime geschickt verband. Majna Sevnik aus Ljubljana und Regine Ohann aus Paris waren die Ballerinen, Ronald Raey und Willy Preisig die Tänzer. Anschliessend folgte das melodienreiche Schäferspiel «Le devin du village», eine Kurzoper von J. J. Rousseau, 1752 geschaffen. G. Zeithammer von der Zürcher Oper sang den listigen Dorfzauberer. Seine tragende Stimme wurde um so mehr geschätzt, als wir erstmals im Teatro Verde spielten, dessen Akustik bei offener Bühne zu wünschen übrig lässt. Im August kam Peter W. Loosli mit seinen Marionetten zu uns und spielte das Puppenspiel vom Doktor Faust. Die Symbolik desselben bleibt zeitlos aktuell, wenn schon es sich auf Vorlagen stützt, die lange vor Goethe entstanden sind. Die Puppenbühne wurde unter den Arkaden des Vorhofes aufgebaut, und für die Zuschauer wurden daselbst über hundert Sessel bereitgestellt. Das Faust-Drama hielt die Besucher so stark in seinem Banne, dass die Geräusche der nahen Seestrasse unbeachtet blieben.

1961
Im April 1961 wurde der Bau der Puppenbühne beendet. Architekt Th. Laubi gab ihrer Front eine leicht konkave Krümmung. In ihrem Giebel lagern sich zwei männliche Figuren, welche Spruchbänder halten. Wir wählten dafür: Atamendicatur (Trotzdem sei es gesagt). Rückwärtig ist die Puppenbühne so gestaltet, dass sie entweder mit Handpuppen oder, nach kurzem Umbau, mit Marionetten bespielt werden kann. Ihre Bühnenöffnung beträgt 265 x 105 cm und kann mit Leichtigkeit den jeweiligen Erfordernissen angepasst werden. Überhaupt wurde auf Flexibilität der grösste Wert gelegt, da Puppenspieler durchweg ausgesprochene Individualisten sind und jeder sich seine Bühne selbständig einrichtet. Am 5. April starb Oskar Wälterlin, unser bester Freund am Schauspielhaus. Grosszügig und uneigennützig hat er unser Vorhaben mit Rat und Tat unterstützt. Mit seinem Tod fiel für uns eine Türe ins Schloss, denn sein Nachfolger besass nicht den Wagemut zum Freilichtspiel. Die Reihe der sommerlichen Aufführungen im Rieterpark wurde nicht fortgesetzt. Im Juni konzertierte das Zürcher Kammerorchester unter der Leitung von Edmond de Stoutz. Das Programm umfasste Werke von Pergolesi (Concertino und Flötenkonzert), Schubert und Rameau. Die gute Raumakustik gestattet, einzelne Orchesterinstrumente herauszuhören. So war es eine Freude, dem Spiel des bekannten Flötisten Andre Jaunet zu folgen. Anfang Juli inszenierte Dr. Peter Löffler vom Schauspielhaus Zürich: «Man soll sich nicht verschwören» von Alfred de Musset. Hauptdarsteller waren Maja Thomann, Marlies Gerwig, Guido v. Salis und Peter Danzeisen. Fritz Muggler hatte eine diskrete Begleitmusik geschrieben für Blockflöte, Violine, Oboe, Viola da Gamba und Cembalo. Im August wurde erstmals unsere Puppenbühne bespielt. Peter W. Loosli erzählte mit Marionetten: «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupery. Am Augusthimmel, wo die Sterne funkelten, ahnte man den fernen Planeten des kleinen Prinzen. Für den Kreis entrückter Besucher wurde es zu einer Sternstunde im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn alle Komponenten eines Puppenspiels in solcher Perfektion dargeboten werden, dann erreicht es im Zuschauer eine Gelöstheit vom Alltag, eine geistige Verinnerlichung wie kaum eine andere Spielart des Mimos.

1962
Im Juni 1962 machte das Wetter den Sprung in den Sommer. Sogleich stiegen die Besucherzahlen. Das Internationale Opernstudio des Stadttheaters Zürich bot ausgewählte Szenen aus den Mozartopern: «Cosi fan tutte», «Zauberflöte» und «Figaros Hochzeit». Als Orchester standen die «Kammermusiker» unter der Leitung von Hans-Willy Haeusslein, mit ihrem Leader Brenton Langbein, zur Verfügung. Einleitend spielten sie das Divertimento in F-dur KV 138, darauf folgte eine gereimte Begrüssung durch Marc Stehle als Majordomus. Darin eingebaut waren die beiden grossen Osmin-Arien aus der Entführung. Die alte Linde verströmte ihren Blütenduft in den Theaterraum; am durchsichtig blassen Sommerhimmel zog die Wega im Sternbild der Leier helleuchtend dahin. Alsbald gab der Regisseur Lotfi Mansouri den über 400 Besuchern das Zeichen, ihre Stühle umzudrehen, denn die Parkszenen der «Zauberflöte» wurden im Teatro Verde gegenüber gespielt. Einem guten Einfall folgend, liess er die drei Knaben aus der erleuchteten Bühnenöffnung des Puppentheaters ihr Terzett singen. Der Bühnenwechsel brachte Probleme der Beleuchtung wie der Regie, doch wurden sie so geschickt gemeistert, dass aus dem Teatro Verde für die Papageno/Papagena-Szene ein eigentliches Traumbild entstand. Es war die sinnfällige Einfachheit der Natur, an welche die sonst nur vorgetäuschte, naturalistische Wirklichkeit nie heranreicht.
Am 11. August öffnete das Parktheater zum erstenmal seine Pforten für eine Freilicht-Plastik-Ausstellung zürcherischer Bildhauer der Gegenwart. Es waren vertreten Charles O. Bänninger, Nelly Bär, Franz Fischer, Peter Hächler (Lenzburg), Hermann Hubacher, Hans J. Meyer und Emilio Stanzani mit je 3 oder 4 Werken. Mit dem Stand der Sonne verändert sich das Wechselspiel von Licht- und Schattenpartien, eine Belebung der Aussage, welche die Künstler am Aussenraum schätzen. Die Besucherzahl war ermutigend. Am 21. August gab die bestbekannte Puppenspielerin Therese Keller (Münsingen) ein Gastspiel mit Handpuppen. Aus ihrem grossen Repertoire hatte sie «Ein korsisches Märchen» und «d'Lismerhäx» ausgewählt. 220 Puppenliebhaber gingen begeistert mit.

1963
Im Juni 1963 war erneut das Internationale Opernstudio des Stadttheaters Zürich bei uns zu Gast. Erst boten die Solisten Arien und Duette aus «Simone Boccanegra», «La Gioconda», «Pique Dame», «Mignon» u. a. begleitet und geleitet von H. W. Haeusslein. Anschliessend ging die komische Oper «Der bekehrte Trunkenbold» von Christoph W. Gluck in Szene. Obwohl der Juni statt der erwarteten 230 Sonnenstunden nur deren 174 brachte, konnten wir unser Programm abwickeln. Wir trösteten uns mit: «Gluck bringt Glück.»
Durch die Vermittlung von Marc Stehle brachte die «Junge Zürcher Operngruppe» im Juli die Oper «Apollo und Hyacinth» von W. A. Mozart zur schweizerischen Erstaufführung. Die musikalische Leitung hatte Peter Gast, während Eugen Ott die Inszenierung besorgte. Mitwirkende waren Cornelia Berchtold, Martha Lewis, Silvia Piderman, Kurt Huber und Marc Stehle. Mozart schrieb das Werk mit elf Jahren als Auftragskomposition des Salzburger Gymnasiums. Mit dieser frühesten Oper Mozarts (Uraufführung 1767) wollten wir einen weiteren Beitrag liefern für die Wiedergabe selten gespielter Werke. Hoch von seinem Sockel betrachtete ernst der steinerne Apoll des Barocks die gespielte Rivalität Apollo und Zephyr.
Im August brachte das St.-Galler Puppentheater mit Handpuppen: «Die kluge Bauerntochter», in freier Bearbeitung nach dem Märchen von Grimm. Die Einnahmen kamen der Ferienhaus-Genossenschaft MIRANIGA zu. Ende August erfreute uns das neue Zürcher Bläserquintett sowie das verstärkte Bläserensemble (Nonett) mit einer Serenade. Dazu hatte der Leiter, Hans Rogner, Werke von Rosetti, Giordani, Hugo de Groot, Caccini, Schubert, Ybert, Schumann und Gounod ausgewählt. Die Instrumentierung mit Bläsern ist im Aussenraum besonders wirkungsvoll; so gelang den Blechbläsern, den Oboen und Fagotten eine farben- und ideenreiche Musik.

1964
Der Sommer 1964 begann vielversprechend mit dem Einakter von Jean Tardieu: «Wie spricht man Musik.» Unter der präzisen Anleitung von Peter Löffler gelang es Claude Martin, Peter Bollag und Robert Bosshardt vorzüglich, eine Sonate aus Worten zu komponieren, dies insbesondere auf Grund einer differenzierten Artikulation. Leichte Paravents dienten reflektorisch als Schallwand. Als man sie auf die Seite schob, gab das Teatro Verde den Blick frei für das reizvolle Bühnenbild von Toni Businger für das Lustspiel von Jean Giraudoux: «Nachtrag zur Reise des Kapitäns Cook.» Da der Schauplatz die Insel Tahiti ist, am 9. April 1769, war die vorbereitende Schminkarbeit an Uturu, Amarura, Tahiriri, Valao, Matamua und den übrigen Polynesiern entsprechend gross. Gleich zu Beginn lieferte ein Tonband, geheimnisvoll und erregend, Töne des Urwalds und steigerte die Spannung der lebhaft mitgehenden Zuschauer. Die tragenden Rollen waren mit Marlies Gerwig und Robert Tessen erstklassig besetzt. Eine knappe Stunde nach Schluss der letzten Aufführung fuhr einer der Schauspieler nach München, ein anderer nach Stuttgart, um am nächsten Morgen für die Proben zur Stelle zu sein. Dies als Streiflicht für die heutige Situation.
Im August versammelten sich die Mitglieder der Vereinigung schweizerischer Puppenspieler zu ihrer Jahresversammlung. Die finnische Handpuppenspielerin Mona Leo zeigte ein Waldmärchen, in welchem Einsamkeit und Naturnähe vorzüglich zum Ausdruck kamen. Aus respektvoller Entfernung hatten ein paar Kronenkraniche aus Kenia zugesehen. Seither gehö ren sie zu den stillen Requisiten des Parktheaters. Für uns sind es gleichsam die Paradiesvögel, wie sie Mantegna für Isabella d'Este im Studiolo zu Mantua gemalt hat.

1965
Der Juli 1965 war um 1,7 Grad zu kalt und brachte nur 70 Prozent des Normalbetrages an Sonnenschein. Dessen ungeachtet waren von der Neuen Zürcher Kammeroper alle Vorbereitungen getroffen für die Wiedergabe von «L'infedelta dei usa», einer komischen Oper von Joseph Haydn. Die Uraufführung hatte in Esterhaza 1773 stattgefunden. Zwischen die beiden Akte schoben wir ein Ballett-Intermezzo, dessen Musik von Peter Mieg (Lenzburg) eigens geschrieben wurde. Die Choreographie von Roy Bosier lehnte sich an Vorbilder der Comedia dei arte. Die Colombina tanzte Colette Cerf, die Tiffta Varpu Heimolainen, beide vom Ballett des Opernhauses Zürich. Max Stubenrauch hatte ein vozügliches Bühnenbild hergestellt, dessen einfache Hausfassaden die Vorbühne des Teatro Verde als Prospekt umschloss. Als Folge dieser kompakten Schallmauer wurde unser Theaterraum zum Saal. Die Erfahrung wurde weg leitend. Der helle Sopran von Ruth Rohner als Vespina hatte den grössten Anteil am Spass und der Lebensfreudigkeit, welche dieser Abend ausstrahlte. Madeleine Baer sang die Sandrina mit gewinnender Anmut. Wenn immer das Wetter es erlaubte, kam der Abend glänzend an, so dass Fridolin Tschudi, der leider allzu früh verstorbene Barde, schreiben konnte: Das Parktheater Meilen nimmt sich wie ein Bijou aus - bestimmt!
Nachdem Bronze und Stein ungleich wetterbeständiger sind wie Streichinstrumente, eröffneten wir frohgemut Mitte August die 11. Freilicht-Plastik-Ausstellung. Sie vereinigte Werke von Nelly Bär, Hans Fischli, Franz Fischer, Peter Hächler, Hans Josephson und Katrin Sallenbach. Zur Eröffnung sprach Dr. Rene Wehrli, Direktor des Zürcher Kunsthauses einführende Worte, bis eine Regenböe uns unter die Arkaden trieb. Die Beziehungslosigkeit der Grünwände ermöglicht die Gruppierung abstrakter Werke ebenso gut wie die Mauern das Hängen von Reliefs. Die Ausstellung hatte sich eingeführt und zeitigte einige Verkäufe.
Ende August gab das «Teatro Sperimentale dei Buratini» aus Rom eine Benefizvorstellung zugunsten des Meilener Ferienhauses MIRANIGA. Der Leiter Otello Sarzi brachte mit Handpuppen Szenen aus Satira und Folklore. Die Puppen vereinigten in ihrer zumeist übersteigerten Typisierung eine starke Gestaltungskraft. Handfeste, burleske Szenen jagten mit turbulenter Bewegung über die Bühne.

1966
Im Juli 1966 brachte die Schauspielschule Zollikon unter der Leitung von Frau Linde Strube das Lustspiel von Pierre C. Marivaux: «Das Spiel von Liebe und Zufall.» Von den Schauspieleleven wurde ein fröhlich Tun in frischer Gangart dargeboten. Ebenfalls im Juli hatte die Gesellschaft der Freunde des Zürcher Kammerorchesters ihre Mitglieder zur Generalversammlung in das Parktheater aufgefordert. Nach dem Verlesen des Jahresberichtes durch den Präsidenten, Dr. Lorenz Stucki, spielte das Orchester unter der Leitung seines vitalen Dirigenten Edmond de Stoutz zur Eröffnung die Suite in g-moll für Streichorchester von J. Ph. Rameau, darauf eine feierlich getragene Chaconne für Streicher von Henry Purcell. Es folgte die konzertante Uraufführung der «Meilener Ballette» (1. und 2. Teil) des Komponisten Peter Mieg, welcher gleichzeitig seinen 60. Geburtstag feierte. «L'orgue de barbarie» wie auch «Les ombres de Pierrot» sind prächtig beschwingte Ballettmusiken, welche eine tänzerische Ausdeutung geradezu verlangen.
Im August eröffneten wir für drei Wochen eine Verkaufsausstellung moderner schweizerischer Garten- und Architekturkeramik. Die nötigen Kontakte und die Auswahl wurden ermöglicht durch die verständnisvolle Mitarbeit von Paul v. Rotz und Ernst Bodmer. Dank ihrer Erfahrung gelang eine vorzügliche Präsentation der über 100 Gegenstände, welche Zeugnis ablegten für die mannigfaltigen Möglichkeiten keramischer Gestaltung. Aus unserer Gegend stellten aus: Elisabeth Aerni-Langsch (Zumikon), Silvia Defraoui (St. Gallen), Heidi Hess (Zürich), Maja v. Rotz (Männedorf) und Vreni Wächter (Feldmeilen). Aus der welschen Schweiz kamen: Edouard Chapallaz (Nyon), Jean CI. de Crousaz (Bernexl Genf), Pierette Favarger (Peseux) und Philippe Lambercy (Confignon/Genf). Bauelemente aus Steinzeug waren zu Wänden aufgebaut, während die bunten Lasuren von Tauben, Hühnern und Truthennen auf niederen weissen Tischen schillerten. Dr. Willy Rotzier sprach einführende Worte. In der Folge sind seine guten Wünsche für alle Beteiligten bestens in Erfüllung gegangen.

1967
Als die Hochdruckzone sich allmählich über Mitteleuropa ausbreitete, rettete sie dadurch die Ballett-Abende vom Juli-Beginn 1967. Da jedoch der Regen erst morgens um 11 Uhr aufhörte, wurde unsere Risikobereitschaft beträchtlich auf die Probe gestellt. Jean Deroc, der Leiter und Choreograph des Schweizer Kammerballetts hatte ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Auf der neu gelegten Holzbühne des Teatro Verde wurde getanzt nach den Kompositionen von Gaspar Fritz, Serge Prokofieff, Guy Warren und Armin Schibier. Die Leistung der Solotänzer des Opernhauses Zürich, Irena Milovan, Varpu Heimolainen und Hans Meister seien hervorgehoben. In den Pausen sang die Sopranistin Ruth Greub-Rohner Lieder von Peter Mieg sowie «Kinderstube» von Mussorgsky. Sie wurde am Flügel begleitet von H. W. Haeusslein, während die Ballette nach Tonband getanzt wurden.
Eine richtig aufgestellte und verstärkte Stereoanlage bietet nahezu vollwertigen Ersatz für ein Orchester. Die Kosten des Letzteren sind neben den Ballett-Gagen heute nicht mehr tragbar, wenn sie nicht durch eine massive Subvention aufgefangen werden. Ein Tonband erweist sich als besonders vorteilhaft bei den Proben, wo häufige Unterbrechungen und Wiederholungen selbstverständlich sind. Wenn die Frage der Kosten immer grössere Schwierigkeiten bereitet, so liegt dies in erster Linie an der Steigerung der Honorare. Trotz langjähriger Wirtschaftsblüte ist unser Publikum nicht gewillt, kostendeckende Eintrittspreise zu bewilligen. Aber davon abgesehen, werden Theaterproduktionen in Meilen noch durch weitere Faktoren entscheidend erschwert. So ist leider deutlich geworden, dass sich die Juni-Festwochen in Zürich oft bis in die ersten Julitage erstrecken. Dadurch werden unsere Möglichkeiten des Engagements von Schauspielern, Musikern oder Sängern stark begrenzt. Der Juli ist aber für die Genannten der erste Ferienmonat, da mit Mitte August wieder die ersten Proben beginnen. Vergangen die Zeiten, wo mit Palmarum die Theatersaison zu Ende war! Sodann wurde der Ferienbeginn der Schulen eine Woche vorverlegt, wodurch die Beteiligung der Anwohner des rechten Ufers vermindert wird. Auch an Abenden, an denen wegen Regens oder Kälteeinbruchs nicht gespielt werden kann, muss der ganze Apparat, einschliesslich der technischen Dienste, voll bezahlt werden. Diese Häufung von nachteiligen Faktoren, welche von unserem guten Willen nicht beeinflusst werden können, lassen die Frage offen, ob in der Zukunft anspruchsvolle Aufführungen in unserem Rahmen noch möglich sind. Teo Otto definiert in seinen Betrachtungen zum Bühnenbild: «Das Theater ist die hohe Kunst der Vergänglichkeit.» Meilen macht davon keine Ausnahme!

1968
Im Juli 1968 war das Wetter sommerlich warm. Wir hatten mit dem Schweizer Kammerballett ein vielfältiges Programm aufgestellt. Allein, eine Solotänzerin vom Berner Opernballett musste an Meniscus operiert werden. Kurzfristig, wie der ärztliche Entscheid fiel, machte er einen rechtzeitigen Ersatz unmöglich. Wir vertagten auf den August und gelangten in eine Wetterperiode, von der es heisst: «Deutlich zu kühl und unfreundlich.» Wir waren gezwungen, die Ausweichmöglichkeit im grossen Singsaal des neuerbauten Schulhauses Allmend zu benützen. Den Beginn machte ein Divertimento von Peter Mieg, das nach der Choreographie von Jean Deroc getanzt wurde. Es folgten Free Jazz Impressionen von Max Keller mit einem Lichtspiel von H. J. Siber. Darauf die «Esquisse de danse» mit dem Komponisten Armin Schibier am Klavier (Uraufführung). Ebenfalls erstmalig erklang die «Fahrt durch die Nacht» von Leo Nadelmann mit einer Tonfilmmontage von H. J. Siber. Für die Tonbandwiedergabe hatten Hans Andreae und Peter Aronski das Klavier bedient, Peter Dyk das Schlagzeug. Den Schluss bildete das «Concert pour la Jeunesse» von Armin Schibier nach der Choreographie von Jean Deroc. Das Ballett-Ensemble zeigte insgesamt vorzügliche Leistungen. Besonders hervorheben möchten Irena Milovan Käthe Herkner und Robert Strajner vom Opehaus Zürich. Angele Barre, F. W. Köhler und Kurt Auer vom Stadttheater Bem sowie die eindrückliche Leistung von Sivia Frey vom Stadttheater Basel. Die Aufnahmen stammen von den Proben im Parktheater.
Ebenfalls im August eröffneten wir die 3. Freilicht-Plastik-Ausstellung. Nelly-Bär, Franz Fischer, Charlotte Germann, Ödon Koch, Heinz Kriesi und Katrin Sallenbach stellten je vier Werke aus. Damit war wieder ein gewisser Querschnitt erreicht von neuen Schöpfungen zürcherischer Künstler. Am Tage der Eröffnung erschienen im Kreise zahlreicher Gäste auch Vertreter der Behörden der rechtsufrigen Gemeinden sowie der Zürcher Kunstgesellschaft und der GSMBA. Während der Ausstellungsdauer hat es immerhin an einem Tag nicht geregnet. Wenn trotzdem nahezu die Hälfte der Plastiken verkauft wurden, so erweist sich hier, dass die Begeisterung für hochstehende Kunst von der Unbill der Witterung kaum berührt wird. Uns durfte es mit Genugtuung erfüllen, dass die getroffene Auswahl die Gunst des Publikums gefunden hat.
An einem sonnigen Herbsttag, zu Beginn September, brachte Frau Rosmarie Metzenthin den Kinderzirkus auf die Bühne des Teatro Verde. Etwa 80 Kinder von sechs bis elf Jahren zeigten humoristische Tierdressuren, Akrobaten, Clowns und Tänzer. Hunderte von Kindern und viele Eltern folgten den Darbietungen mit gespanntem Interesse und erfreulicher Disziplin. Der Reinertrag ging an das Kinderdorf Pestalozzi. Damit ist das Ende der zwei Dezennien erreicht, über welche diese Rückschau Bericht ablegt. Es bleibt uns, jenen zu danken, die durch ihren Besuch unsere Anlässe unterstützt haben, vorab der Kreis der Stammgäste aber auch die Leitung der Produktion AG.

Behaftet mit allen Unsicherheiten unserer Zeit, ist die Kunst im Begriff, neue Wege der Darstellung zu beschreiten. Selbst dort, wo neue Ordnungen bereits sichtbar werden, bleibt der Auftrag zur Pflege des kulturellen Erbes bestehen, vereint mit dem Privileg des persönlichen Verhältnisses zur Kunst.