Archivtheorien und künstlerische Strategien im Umgang mit Archivmaterialien

März 21st, 2013

Thema

Der Archivbegriff erfährt nicht nur in der Geschichtswissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaft, sondern auch in der Kunst grossen Aufschwung. Dabei ist der Begriff des Archivs zu einer Metapher für kulturelles Gedächtnis, Bibliothek und Museum avanciert.

In theoretischer Hinsicht wird das Archiv als Verbindung von Institution, Raum und Bestand verstanden. Horstmann und Kopp (2010) definieren „das Archiv als komplexes System, in dem verschiedene kulturelle Techniken und Materialien in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander stehen“(10). Hierbei repräsentiert das Archiv nicht soziale und historische Wirklichkeiten, sondern es produziert bzw. codiert sie. Das archivierte Wissen, z.B. Fotografien, Filme und amtliche Dokumente, ist in spezifische gesellschaftliche Machtzusammenhänge eingebunden. Diese bedingen, wie Informationen gesammelt, geordnet und aufbewahrt werden. Archivarische Wissensbestände können somit nicht unabhängig vom Kontext ihrer Entstehung und Speicherung betrachtet werden.

In 60ern haben sich das Archiv sowie archivarische Strategien in der Bildenden Kunst etabliert. Dabei geht es zum einen um Verfahren der Archivierung an sich, wie z.B. um das Sortieren, Erschliessen, Beschriften und Anhäufen von Dokumenten. Zum anderen kreisen die Künste des Archivs um Fragen des individuellen und kollektiven Gedächtnisses, der Selbstgewisserung und der Konstruktion von Geschichte. Die Grenzen zwischen den künstlerischen Zugangsweisen sind in der Regel flüssig, da das Archiv in gleicher Weise als Informationsquelle, Arbeitsinstrument wie auch als Darstellungs- und Präsentationsform dienen kann.

 

Zielsetzung und Aufbau

In der Student Group werden wir die Bedeutung des Archivs in künstlerischen Strategien theoretisch reflektieren sowie die eigene Praxis vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit theoretischen und künstlerischen Positionen weiterentwickeln. Zunächst werden wir theoretische Texte zum Archiv lesen und diskutieren ( Foucault, Grünzel, Groys etc.). Dabei steht die Frage im Zentrum, wie die Funktionsweise von analogen und digitalen Archiven als kollektive und individuelle Wissensspeicher theoretisch umschrieben werden kann. Die erste Phase werden wir mit einem Input von Roberto Nigro zu Foucaults Archivbegriff abschliessen. Im zweiten Teil des Seminar werden wir unser theoretische Wissen in der Auseinandersetzungen mit ausgewählten künstlerischen Positionen (z.B. Kader Attia, Omar Fast, Yto Barrada, Rosangela Renno, Susanne Kriemann) vertiefen und hinterfragen. In diesem Zusammenhang wird Ulrich Görlich sein künstlerisches Forschungsprojekt „Archiv des Orts“ präsentieren und die Teilnehmenden stellen ihre eigene Arbeit zur Diskussion.

 

Bibliographie ( noch zu erweitern)

(in Archivologie; hrg. Knut Ebeling und Stephan Günzel)

– Foucault: das historische Apriori und das Archiv

– de Cerateau: der Raum des Archivs oder die Perversionen der Zeit

– Ricœur: Archiv, Dokument, Flucht

– Groys: Der submediale Raum des Archivs

– Günzel: Archivtheorie und zwischen Diskursarcheologie und  Phänomenologie

– Jens Schröter: vom Archiv zur Übertragung

– Hito Steyerl: Paläste der Erinnerung. In: Die Farbe der Wahrheit