Kunst und Ökologie – ein programmatischer Entwurf für das treelab.
(mit Auszügen aus dem 2017 erscheinenden Buch „Kunst, Wissenschaft und Natur“ von Marcus Maeder et al).

Das treelab dient als grüne Zelle nicht nur der Verschönerung des Toni-Areals, sondern will zu künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Ökologie, der Physiologie und des Verhaltens von Pflanzen einladen. Das treelab wurde für das Forschungsprojekt „trees: Ökophysiologishce Prozesse hörbar machen“ des Institute for Computer Music and Sound Technology der ZHdK eingerichtet und soll nun für studentische, künstlerische und wissenschaftliche Untersuchungen geöffnet werden. Künstler und Musiker beschäftigen sich in den letzten Jahren vermehrt mit ökologischen Themen; sie eignen sich Forschungsmethoden der Naturwissenschaften an, um diese in eine künstlerische Praxis und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung zu überführen. Dem verstärkten Interesse an und dem Engagement in Umweltfragen in den Künsten will das treelab Rechnung tragen und stellt seine Pflanzen und technisches Equipment für Experimente mit Pflanzen zur Verfügung.

„Eco Art“ und „Bio Art“ haben ihre Wurzeln in der Konzeptkunst und der Land Art oder Environmental Art der 1960er, 1970er Jahre. Die historischen Vorreiter von Eco- und Bio Art zeichneten sich durch den Einsatz von bis dahin nicht als künstlerisch geltenden Ideen, Objekten und Umgebungen für die Produktion eines Kunstwerks aus: Laborumgebungen, die natürliche Landschaft oder Gegenstände, die ihr entnommen wurden, Pflanzen usw. Die Environmental Art der 1960er/1970er Jahre hatte im Unterschied zu aktuellen Praktiken eher die direkte Verbindung der Künstler mit der Natur zum Thema, zum Beispiel indem sie in ihren Werken natürliche Materialien wie Steine oder Holz verwendete oder ihre Werke direkt in der Natur inszenierte.

Environmental Art lässt sich in zwei «Disziplinen» aufteilen: In Kunst, die in der natürlichen Umgebung inszeniert wird (Land Art) oder natürliche Objekte als inszenatorische Elemente verwendet und in eine ökologische künstlerische Praxis (Eco Art), die aber gleichzeitig den Begriff der Environmental Art neu definiert, indem sie in ihren Projekten ökologische Zusammenhänge und Probleme künstlerisch oder künstlerisch-wissenschaftlich behandelt und sich neuer künstlerischer Medien bedient – also Situationen schafft, wo die Umgebung zur Umwelt wird.

In heutigen künstlerisch-wissenschaftlichen Kollaborationen im Kontext der Eco Art stehen Praktiken im Vordergrund, die nicht wahrnehmbare Prozesse oder abstrakte Daten sinnlich erfahrbar machen wollen: Luftverschmutzung, Klimawandel, biologische Prozesse, ökologische Kreisläufe, Genetik und Gentechnologie usw. werden über digitale Technologien und Medien wissenschaftlich-künstlerisch erforscht und inszeniert, um Zusammenhänge und Probleme in der Natur aufzuzeigen und in einer immersiven, intensivierten Erfahrung erlebbar zu machen. Dieses (wiedererwachte) Interesse an gemeinsamen Forschungsgegenständen im Zeichen des Wissenschaftlich-Ästhetischen steht vor dem Hintergrund eines aufkommenden «Ökozentrismus», der als Gegenentwurf zum geläufigen Anthropozentrismus postuliert wird und wo Menschen sich selber als nicht wichtiger als andere Entitäten auf der Welt zu sehen beginnen.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Technologie. Sie macht es erst möglich, normalerweise nicht wahrnehmbare Phänomene oder Lebensprozesse erfahrbar zu machen und sie ist das Medium der ästhetisch-wissenschaftlichen Künste: Ein neues Bild der Natur zu entwickeln, das über genügend normative Kraft in unserer natürlich-technischen Umwelt verfügen soll, ist ohne (kommunikativ und künstlerische eingesetzte) Technologie nicht zu realisieren. Im Wissenschaftlich-Künstlerischen entstehen mediale Funktionssysteme, die über Bild, Klang, Inszenierung – über unmittelbare Erfahrungen – Dinge der Umwelt symbolisieren und ihre Bedeutungen transformieren. Es kommt zu neuen, erweiterten und intensiveren Erfahrungen von Umweltereignissen und -Veränderungen, die möglicherweise größeren Einfluss auf unser Denken und Handeln haben als die gängige Rhetorik vieler Umweltbewegungen. Dabei spielt die technisch-künstlerisch generierte Virtualität eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Phänomen der Virtualität an sich ist zunehmend Gegenstand jüngerer philosophischer Untersuchungen geworden, nicht zuletzt weil technisch erzeugte virtuelle Realitäten Teil unserer Wirklichkeitserfahrungen geworden sind. Oftmals erweisen sich ökologische Zusammenhänge als so komplex, dass sie in einem artifiziellen, einem künstlerischen Medium, das eine Vielzahl an Informationen in einen sinnvollen und sinnlichen Zusammenhang zu bringen in der Lage ist, rekonstruiert werden müssen: Der Mensch baut Modelle der Natur, um sie verstehen zu können.

Ökologie als theoretische und angewandte Wissenschaft beschäftigt sich mit der Untersuchung der Verbreitung und Abundanz (Dichte, Häufigkeit) von Lebewesen und den Wechselwirkungen mit der Umwelt, die die Verbreitung und Abundanz bestimmen. Politische Ökologie befasst sich mit den Zielsetzungen ökologischer Forschung und den Auswirkungen ökologischer Erkenntnisse, respektive deren Umsetzung in politischem Handeln. Etwas spezifischer formuliert befasst sich die politische Ökologie mit den Referenzen, derer wir uns bedienen, wenn wir von natürlichen Objekten sprechen oder mit ihnen interagieren. Politische Ökologie beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie die Umwelt wahrgenommen wird, wie definiert wird, was sie ist und wie mit ihr umgegangen wird, und damit ist auch der Bezug zu den künstlerischen und wissenschaftlichen Praktiken hergestellt, die im treelab eine Nische der Forschung und Lehre finden sollen.

Die politische Ökologie deckt auf, dass Naturkonzeptionen politische Konzeptionen der Gesellschaft sind und will nach Bruno Latour die «Konzeption der sozialen und politischen Welt» ändern. Politische Ökologie findet ein Anwendungsfeld im Wissenschaftlich-Künstlerischen, dem Ort, wo «Assoziationen zwischen Menschen und nichtmenschlichen Wesen» möglich werden. An die Stelle der Natur tritt eine experimentelle Metaphysik, wo die Stimmen der «nicht-menschlichen Wesen» sich über die «subtilen Apparaturen» der Kunst und der Wissenschaft mitteilen. John Dewey antizipierte in diesem Zusammenhang eine künftige, experimentelle Anschauungsweise, die in einer gemeinsamen Kultur – sowohl im Künstlerisch-Wissenschaftlichen als auch in Latours «Parlament der Dinge» – «gänzlich akklimatisiert sein wird.» Eine Zukunft also, in der alte Hierarchien aufgehoben sind und sich ein Denken und Handeln etabliert hat, das in einer neuen Beziehung zum «Territorium und zu Terra, der Erde» (Deleuze/Guattari) steht.

Weiterführende Literatur:

Altner, Günter: «Kunst und Wissenschaft im Horizont der Nachhaltigkeit», in: Ökologisches Jahrbuch 2005, München: Beck 2005, S. 36-54.

Dewey, John: Erfahrung und Natur, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007.

Goodman, Nelson: «Kunst und Erkenntnis», in: Dieter Henrich, Wolfgang Iser (Hg.): Theorien der Kunst, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992, S. 581.

Gries, Katja: Vernetzungen zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik, Berlin: Pro Business 2011.

Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, Frankfurt/New York: Campus 1995.

Larcher, Walter: Physiological Plant Ecology, Berlin: Springer 2003.

Latour, Bruno: Das Parlament der Dinge, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010.

Maeder, Marcus: «Ambient», in: Marcus Maeder (Hg.): Milieux Sonores/Klangliche Milieus. Klang, Raum und Virtualität, Bielefeld: Transcript 2010, S. 95-120.

Morton, Timothy: Ecology Without Nature. Rethinking Environmental Aesthetics, Cambridge/London: Harvard University Press 2007.

Weintraub, Linda: To Life! Eco Art in pursuit of a sustainable planet, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 2012.