Fernsehgerät HF 1, Herbert Hirche, 1958; Ausführung: Braun AG, Frankfurt; Kunststoff, Stahl, lackiert; KGM Berlin, Inv. Nr. 1986, 21 / Geschenk des Entwerfers
Angeli Sachs
Die Entwicklung des Fernsehens in Deutschland bis in die 1950er Jahre
Nach einer langen Phase technischer Visionen und Experimente wurde ab dem 22. März 1935 durch den Fernsehsender Paul Nipkow in Berlin das erste regelmäßige Fernsehprogramm der Welt ausgestrahlt. Das nationalsozialistische Deutschland, in dessen politischer Strategie Medien für die Indoktrination der Bevölkerung eine zentrale Rolle spielten, inszenierte sich so als moderne und technologisch fortschrittliche Nation. Die Übertragung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin stellte das erste bedeutende Fernsehereignis dar. Seitdem wurde ein mehrstündiges tägliches Programm gesendet, das sich vor allem aus aktuellen Bildberichten, Kulturfilmen, Spielfilmen, Fernsehspielen und Unterhaltungsformaten zusammensetzte. Allerdings gab es zu dieser Zeit nur ein paar Hundert Empfangsgeräte, womit Radio und Tonfilm die dominanten Medien blieben. Der Programmbetrieb wurde auch während des Zweiten Weltkriegs bis Mitte 1944 mit entsprechenden propagandistischen Sendungen aufrechterhalten, um „Deutschlands Kraft und Größe“ zu demonstrieren.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren die USA das einzige Land mit einem funktionierenden Fernsehprogramm. In Europa war die Einführung des Fernsehens zunächst nicht von großer Bedeutung, trotzdem wurde in den meisten Ländern ab 1945 bis in die späten 1950er Jahre der Fernsehbetrieb (wieder) aufgenommen. Im Westen Deutschlands wurde die Neugründung des Rundfunks nach dem Vorbild der englischen BBC als „Instrument der Demokratisierung“ konzipiert. Die föderal organisierte öffentlich-rechtliche Anstalt sollte „unabhängig von Staat und Parteien sein“ und „sich als kritische Instanz der Öffentlichkeit verstehen“. 1950 startete ein Versuchsprogramm des Nordwestdeutschen Rundfunks mit zwei Fernsehprogrammen in Hamburg und Berlin, das dort „als Schaufenster des Westens“ auch in Richtung DDR wirken sollte. Ab dem 25.12.1952 wurde das offizielle NWDR-Fernsehprogramm ausgestrahlt, nach dem Ausbau der Richtfunkstrecken bot die ARD das Programm „Deutsches Fernsehen“ ab dem 1.11.1954 bundesweit an. Das Zweite Deutsche Fernsehen nahm seinen Programmbetrieb erst ab dem 1.4.1963 auf.
In Konkurrenz der Weltbilder zwischen Ost und West wurde in der DDR das inoffizielle Versuchsprogramm in Berlin-Adlershof ab dem 5.6.1952 aufgenommen. Eines der ersten Formate war die Nachrichtensendung Aktuelle Kamera. Das offizielle Versuchsprogramm startete parallel zum Westfernsehen am 21.12.1952. Zu dieser Zeit gab es im Sendegebiet ca. 70 Fernsehgeräte, im Jahr des offiziellen Programmbeginns 1956 waren es bereits über 70000 angemeldete Teilnehmer*innen, wobei viele von ihnen auch Programme des Westens empfangen konnten.
Wohnen mit Fernseher
Passend zum Wiederaufbau in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine grundsätzliche Wandlung der Wohnkultur statt, wobei die vom neu gegründeten Deutschen Werkbund propagierte „Gute Form“ mit dem Leitbild des konstruktivistischen Funktionalismus verbunden war. Wichtige Einflüsse kamen auch aus Skandinavien, wo organischere Designkonzepte vertreten wurden, und den USA, von wo der Bauhausstil nach der Emigration seiner/ihrer Protagonist*innen während der NS-Zeit wieder nach Europa zurückwirkte.
In die Wohnzimmer, die wir uns im Allgemeinen wohl eher als Collage verschiedener Stilelemente zwischen Tradition und Modernität, denn als Bühnen puristischer Designauffassungen vorstellen müssen, zogen nun auch nach und nach immer mehr Fernsehgeräte ein – 1957 waren es bereits eine Million Apparate. Mit ihrer Größe und ihrem Gewicht beanspruchten sie einen festen, oft prominenten Platz im Raum und veränderten als „gemeinschaftliches Integrationsmedium“ dessen Einrichtung. War das Sitzmobiliar zuvor meist um einen Wohnzimmertisch herum gruppiert, wurde es nun im Halbkreis auf die televisuelle „Feuerstelle“, vor der sich die Familie versammelte, ausgerichtet. Dabei hatte das Fernsehen Einfluss auf die Tages- und Wochengestaltung der Nutzer*innen, wo sich mit Sendungen wie der Tagesschau (seit 1952), Der Internationale Frühschoppen (seit 1952/53), Was bin ich? (seit 1955), dem Eurovision Song Contest (seit 1956), dem Sandmännchen (seit 1959), der Sportschau (seit 1961) oder dem Tatort (seit 1970) feste Fernsehrituale etablierten.
Die Tendenzen zum individualisierten Fernsehen mit größerer Beweglichkeit und Wahl zwischen verschiedenen Rezeptionsmöglichkeiten setzten erst seit den 1970er Jahren ein. Trotz der großen Auswahl an Geräten, auf denen Fernsehsendungen angeschaut werden können, spielt in der Gegenwart der oft fest an einer Wand montierte Flatscreen eine ähnliche Rolle wie das Fernsehgerät im Wohnzimmer der 1950er Jahre.
Das Design von Herbert Hirche für Braun
Das Fernsehgerät HF 1 von Herbert Hirche für die Frankfurter Firma Braun kann man als einen für seine Zeit ausgesprochen avantgardistischen Entwurf bezeichnen. „Technische Geräte, die in den 50er Jahren in (West-)Deutschland benutzt wurden“, schreibt Barbara Mundt, „bringen die Bemühungen der Nachkriegszeit zum Ausdruck, technologisch und wirtschaftlich aufzuholen.“ Dabei wurde teilweise an die funktionalistischen Tendenzen des Bauhauses und Werkbunds angeknüpft, wobei die 1953 gegründete Hochschule für Gestaltung in Ulm eine wichtige Rolle spielte.
Die Braun AG war seit Beginn der 1950er Jahre wohl das Unternehmen, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit der Ulmer Hochschule für Gestaltung, das diese Prinzipien in der Auseinandersetzung mit Form und Funktion am stärksten umsetzte. Das „Programm für den modernen Lebensstil“ wurde mit Gestaltern wie Wilhelm Wagenfeld, Hans Gugelot, Otl Aicher, Herbert Hirche und später Dieter Rams erarbeitet und führte zu einer unverwechselbaren Designsprache der Braun-Geräte für Haushalt, Hygiene und Kommunikation.
Der Architekt und Designer Herbert Hirche (1910–2002) gestaltete ab 1956 für die Firma Braun eine neue Linie moderner Rundfunk-, Phono- und Fernsehgeräte. Nach einer Ausbildung zum Tischler hatte er von 1930 bis 33 am Bauhaus studiert und war nach dessen Schließung Mitarbeiter von Mies van der Rohe und Lilly Reich und später von Egon Eiermann. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Gründungsmitglied der Berliner Werkbundgruppe sowie als Architekt und Hochschullehrer tätig, ab 1952 für Innenarchitektur und Möbelbau an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste Stuttgart.
Der symmetrisch gestaltete HF 1 auf seinem schwarzen Vierkantgestell war das erste deutsche Fernsehgerät mit einer Kunststofffront, das nicht „in einer Möbelhülle“ verborgen war. Außer dem Ein- und Ausschaltknopf und den Lautsprechern sind die Bedienungselemente aus ergonomischen und ästhetischen Gründen unter einer Klappe auf der Gehäuseoberseite angebracht, so dass der Bildschirm das bestimmende Element dieses Geräts ist. Der Fernseher kann auch von dem Gestell heruntergenommen und auf Möbeln wie Tisch, Bank oder Regal platziert werden.
Der HF 1 wurde 1958 im deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt. Da Fernsehen in den Augen der stark vom Werkbund bestimmten Ausstellung „nicht als empfehlenswerte Freizeitbeschäftigung“ galt, durfte, wie Nicola von Albrecht erwähnt, der HF 1 „nicht innerhalb der Musterwohnungen aufgestellt werden, sondern musste sich in die große Glasvitrine mit ‚qualitativ hochwertigen, preislich erschwinglichen Dingen des Wohnbedarfs‘ einordnen“.
Massenmedium Fernsehen aktuell
Das Fernsehen hat sich in den Industriestaaten seit den 1950er Jahren zum Massenmedium entwickelt. In Deutschland besitzen 96.7% der Haushalte mindestens ein TV-Gerät, 48.1% zwei oder mehr. Dabei hat sich der Fernsehkonsum seit der Einführung des Mediums kontinuierlich gesteigert und stagniert in Deutschland seit ca. 15 Jahren auf hohem Niveau. 2019 sahen die TV-Konsument*innen im Durchschnitt 211 Minuten täglich fern. Doch der Konsum ist stark altersabhängig, denn Kinder nutzen das Medium ca. 64 Minuten, über 50-jährige mehr als fünf Stunden (315 Minuten). Das bedeutet aber nicht immer eine ausschließliche Fokussierung der Nutzer*innen auf das Programm, teilweise funktioniert Fernsehen auch als Begleit- oder Hintergrundmedium.
Die Fernsehlandschaft hat sich im Lauf der Zeit stark verändert. Dominierte zunächst das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinem Auftrag der Information, Bildung und Unterhaltung, so hat sich das Angebot durch Privatfernsehen, Spartenkanäle, digitales Fernsehen und das Internet mit Streaming erweitert und gleichzeitig fragmentiert. Konsument*innen können sich ihre Programme heute zum großen Teil selbst zusammenstellen, was angesichts der Menge der parallel verfügbaren Angebote in Bezug auf die Übersicht und inhaltliche Orientierung eine erhöhte Medienkompetenz erfordert. Trotzdem kommt dem Fernsehen (neben Print- und Onlinemedien) besonders auch in Zeiten wie während der Covid-19-Pandemie eine wichtige Rolle in Bezug auf aktuelle Information und ihre Einordnung in die entsprechenden Kontexte zu. Als Medium mit Einfluss auf die Meinungsbildung der Zuschauer*innen liegt hier eine besondere Verantwortung, auch in Abgrenzung zu Fake News (→Herkulespokal) und Verschwörungstheorien.