Didden Village

Didden Village

http://www.mvrdv.nl

Standort: Rotterdam/NL
Planung: mvrdv, Rotterdam/NL, www.mvrdv.nl
Bauherr: Familie Didden, Rotterdam/NL
Holzbau: Formaat Bouw, Sliedrecht/NL
Konstruktion: Vorge­fertigte Holztafelbauweise, beschichtet
Fertigstellung: 2007

Text: Cathelijne Nuijsink | Das Stadtzentrum von Rotterdam wurde während des Zweiten Weltkriegs großflächig zerstört, historische Gebäude sind in dieser »Stadt der modernen Nachkriegsarchitektur« eine Seltenheit und werden von der holländischen Regierung als besonders wertvoll erachtet. Gerade vor diesem Hintergrund ist der Anblick der drei hellblauen Giebeldächer – ausgerechnet in einem Stadtteil Rotterdams, der den Krieg unbeschadet überstanden hat – umso überraschender.

Der architektonische Eingriff auf dem Dach einer monumentalen Kleiderfabrik erscheint fast zu disharmonisch für niederländische Stadtplanungsstandards. Ausnahmsweise hatte der Niederländische Ausschuss für Ästhetik diesen Bruch mit dem althergebrachten Stadtbild genehmigt und zeigte sich für die ­Potenziale dieses ehrgeizigen Projekts aufgeschlossen. Die provokante Idee für diesen Dachaufbau kam vom holländi­schen Architekturbüro MVRDV. Didden Village besteht aus einem mehrteili­gen Aufbau und einer 120m2 großen Terrasse auf einem bestehenden Gebäude – dem Atelierhaus des Theater­perückenmachers Sjoerd Didden und seiner Familie. Um eine optimale Privatsphäre für alle Familienmitglieder zu schaffen, brachten die Architekten die drei Schlafzimmer auf dem Dach unter: ein Haus für die Eltern und ein Doppelhaus für die beiden Kinder. Die neuen Schlafräume sind mit dem bestehenden Gebäude über zwei Treppen verbunden, bei den Kindern ist es eine Doppelwendeltreppe, die jedes Kind in sein eigenes Zimmer führt.

Der hölzerne Dachaufbau wurde aus einfachen vorgefertigten Holzrahmenwänden hergestellt. Für den Baustoff Holz entschied man sich aufgrund seiner Tragfähigkeit und seines geringen Gewichts. Eine Rahmenkonstruktion aus Stahlträgern liegt auf dem bestehenden Dach auf, an ihr sind die beiden hölzer­nen Treppen abgehängt. Sowohl die große Terrasse als auch die Schlafzimmerhäuschen wurden vorgefertigt und gestrichen, stückweise zum Bauplatz gebracht und auf der Stahlrahmenkonstruktion mithilfe eines Krans aufgebracht. Die gesamte Konstruktion wurde mit einem Polyurea-Spritzcoating abgedichtet und dann mit einer zusätzlichen Deckschicht aus hellblauem Polyurethan überzogen. Polyurea-Kunststoffbeschichtungen werden verwendet, um beispielsweise Wassertanks zu schützen und wasserundurchlässig zu machen. Sie sind scheuerbeständiger als Stahl und Gummi und können auf alle Oberflächen aufgetragen werden. Mit dieser Deckschicht konnte MVRDV Terrasse, Dach und ­Fassaden der Schlafzimmerhäuschen nahtlos dichten und eine widerstands­fähige, wasserundurchlässige Membran rund um die vorgefertigten Holzpaneele schaffen.

Obgleich Didden Village nur einen winzigen Teil des riesigen Auftragsvolumens von MVRDV darstellt, ver­folgen die Architekten mit diesem Projekt ehrgeizige Ziele. Für sie ist es ein Prototyp für eine Verdichtung alter, bereits bestehender Stadtteile. Sie wollen mit diesem Aufbau zeigen, wie man einer Stadt auf einer für Europa ungewohnten Ebene neues Leben einhauchen kann – auf der des Daches. Die drei kleinen Schlafzimmerhäuschen sind so angeordnet, dass sie Plätze, Straßen und Alleen bilden und damit einer Stadt en miniature ähneln. Das gesamte Dorf auf dem Dach ist mit einer Mauer umgeben, durch Öffnungen hat man Ausblicke auf die eigentliche Stadt. Bäume, Tische, Freiluftduschen und Sitz­bänke ergänzen die Szenerie. Anstelle eines kastenförmigen Aufbaus erzeugt MVRDV mit diesem Dach­aufbau einen differenzierten, neuen Lebensraum. Genau dies hebt den architektoni­schen Eingriff von den vielen Banalitäten ab, die wir sehen, wenn wir die Dächer in unserer Umgebung betrachten.