Tag: 19. April 2014

  • n°8_Die «Werkstatt über mich» Zwischen Vergewisserung und Ambivalenz

    Urs Bachmann und Sandra Lippuner

    Die «Werkstatt über mich»

    Zwischen Vergewisserung und Ambivalenz

    Wer «gehört dazu» und wer nicht? Was muss ich tun um dazuzugehören? Was passiert, wenn ich nicht dazugehöre? Die «Werkstatt über mich» ist ein Workshop-Angebot für Biografiearbeit, welches Pflegekindern die Möglichkeiten bietet, ihre Lebensumstände, den Umgang mit Zugehörigkeiten aber auch ihre Differenzerfahrung und biografische Diskontinuität zu formulieren und darzustellen. Die Autor_innen reflektieren ihre praxisbezogenen Weiterentwicklungen der Methode der Biografiearbeit anhand Beispielen aus der «Werkstatt über mich».

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    Urs Bachmann and Sandra Lippuner

    The «workshop about myself»

    Between affirmation and ambiguity

    Who «belongs» and who doesn’t? What do I have to do to belong? What happens if I don’t fit the norm? The «workshop about myself» offers foster children possibilities to formulate and represent their environment, their way of dealing with «belonging», but also their experience of difference and biographical discontinuity. In the text, the authors reflect on their practice-based development of methods in biographical work, drawing on examples from the «workshop about myself».

     

  • n°8_Aus mit raus oder bin ich rassistisch?

    Eva Lausegger

    AUS MIT RAUS

    oder BIN ICH RASSISTISCH?

    Ausgangspunkt dieses Textes ist die versuchte Abschiebung einer Schülerin unserer Schule, eine Protestbewegung dagegen und ein aus diesen Geschehnissen heraus entwickeltes klassenübergreifendes Kunstprojekt mit den Künstlerinnen Jo Schmeiser und Simone Bader von Klub Zwei. Der Text ist ein persönlicher, kritischer Rückblick auf einen Prozess bzw. ein Projekt im Bereich der Antirassismusarbeit bzw. Abschiebungsgegner_innenschaft, und deren beteiligte Akteur_innen. Es geht um Selbstermächtigung von Schüler_innen und die Handlungsmöglichkeiten einer Schule.

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    Eva Lausegger

    AUS MIT RAUS

    or  AM I RACIST?

    The text deals with an intent to deport a student at our school, the protest movement that mobilized against the deportation, and an art project with students from several courses of the school and the artists Jo Schmeiser and Simone Bader (Klub zwei) which was developed out of these events. Looking back personally and critically on this process, on a project in anti-racism and anti-deportation and on who got involved, the paper is about self-emancipation of students and the possibilities of action within a school.

  • n°8_Beteiligt werden und sichtbar sein. Wer profitiert? Zur Arbeit mit jugendlichen Migrant_innen in Kunstvermittlung und Ausstellung

    Henrike Plegge

    Beteiligt werden und sichtbar sein. Wer profitiert?

    Zur Arbeit mit jugendlichen Migrant_innen in Kunstvermittlung und Ausstellung

    In ihrem Beitrag geht Henrike Plegge verschiedenen Formen der Beteiligung und Sichtbarkeit von jugendlichen Migrant_innen in einem Kunstvermittlungsprojekt am ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe nach. Sie legt dabei die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, die eine solche Zusammenarbeit hervorbringen kann, dar und spürt dem institutionellen Interesse an sichtbaren Migrant_innen im Museum nach.

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    Henrike Plegge

    Engagement and visibility. Who benefits?

    Working with young migrants in gallery education and exhibitions

    In her paper, Henrike Plegge discusses different forms of participation and visibility of young migrants in a gallery education project at ZKM | Center for Art and Media in Karlsruhe. She describes the possibilities and challenges of such collaboration and traces institutional interests in visible diversity in the museum.

  • n°8_Sich Verzeichnen – trotz und mittels Differenzen. Beim Kartieren Verhältnisse bilden und Reste lassen

    Mikki Muhr

    Sich Verzeichnen – trotz und mittels Differenzen

    Beim Kartieren Verhältnisse bilden und Reste lassen

    Wie kann Reflexion gestaltet werden, damit sie hilft, das eigene Denken und Handeln mit den Rahmenbedingungen verknüpfen und überprüfen zu können? Bei der künstlerischen Reflexionsmethode Sich Verzeichnen werden besondere Eigenschaften des Kartierens verwendet, um bedeutungsbildende Prozesse zu thematisieren. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Handeln in Widersprüchen in einer Migrationsgesellschaft kann mit ihr versucht werden, festschreibende Differenzvorstellungen als Identitätszuweisung zu problematisieren. Überlegungen und Beobachtungen aus der Arbeit an und mit der Methode stelle ich hier zur Diskussion.

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    Mikki Muhr

    «Sich Verzeichnen» – with and through differences

    Building relations and leaving rests in cartographies

    What enables reflective processes, that can help to view one’s own thoughts and actions in their conditioning frameworks and to critically review them? The arts-based method «Sich verzeichnen» (to register/to make an error drawing)for reflexion draws on specific characteristics of cartography to draw attention to processes of «making meaning». In the context of working through pedagogical contradictions in migration society, the method allows to problematize imaginations of difference in their function of ascribing and fixing identities. The paper shares thoughts and observations from the development of the method, and practice.

  • n°8_Die komplizierte Tätigkeit der Selbstveränderung. Praxen und Fragen bei Vermittlungsprojekten in der Migrationsgesellschaft

    Büro trafo.K

    Die komplizierte Tätigkeit der Selbstveränderung

    Praxen und Fragen bei Vermittlungsprojekten in der Migrationsgesellschaft

    Vor neun Jahren haben wir einem unserer ambitionierten Vermittlungsprogramme den Titel «Anleitung zur Selbstermächtigung» gegeben. Der Titel hatte eine selbstironische Dimension – denn dass es möglich sei, zur Selbstermächtigung anzuleiten, erschien uns bereits 2004 als ein Widerspruch in sich. Und obwohl oder gerade weil wir versuchen, nicht von unseren Ansprüchen abzurücken, haben sich die Widersprüche, derer wir uns selbst zunehmend bewusst wurden, noch vervielfacht. Einige möchten wir mit diesem Text benennen und uns ihnen zu stellen versuchen.

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    Büro trafo.K

    The complex task of self-changing

    Practices and questions in educational projects in migration society

    Nine years ago we called one of our ambitious educational programs a «guide to self-emancipation». The title had an ironic dimension – because already in 2004 to us, guiding someone to emancipate her/himself seemed a contradiction. And even through (or maybe because) we have tried to stick to our ambitions, the contradictions of which we have become increasingly aware, have multiplied. In this text, we want to name and face some of them.

  • Art Education Research °8

    In Widersprüchen handeln

    Kunstvermittlung und – Unterricht in der Migrationsgesellschaft, Teil II

    Herausgeberinnen: Nora Landkammer und Carmen Mörsch

     

    Bereits die sechste Ausgabe von Art Education Research hat sich der Frage gewidmet, was die Tatsache, dass die Gesellschaft hier in der Schweiz, genauso wie in den umliegenden europäischen Ländern, von Migration geprägt ist – eine Migrationsgesellschaft ist – für das Bilden mit Kunst bedeutet. Wir haben Beiträge aus Pädagogik, Kulturwissenschaften und Antirassismusarbeit zusammengestellt, die uns hilfreich erschienen, um unser Arbeitsfeld zu überdenken (No. 6).

    Für diese Ausgabe von Art Education Research haben wir Akteur_innen in kulturellen Bildungsprojekten, in der Kunstvermittlung und in der Schulpraxis eingeladen, über ihre Praxis in dieser Migrationsgesellschaft zu reflektieren. Mit dem Arbeitstitel „in Widersprüchen handeln“ sind wir davon ausgegangen, dass eine Praxis, die versucht der Migrationsgesellschaft gerecht zu werden – im Sinne von mehr Gerechtigkeit – nicht widerspruchsfrei zu haben ist, sondern dass man sich mit diesem Anspruch in eine unsichere Position begibt, in der die Konzepte von „Kultur“ und „Bildung“ grundsätzlich zur Disposition gestellt werden müssen. Wir haben also nicht dazu eingeladen, „best practice“ vorzustellen, sondern explizit dazu, die Widersprüche in der eigenen Arbeit zu reflektieren. Die Texte in dieser Ausgabe zeigen einen Ausschnitt der vielfältigen Arbeitsformen und der Fragen, die sich in ihnen stellen: es geht um Projekte der Kunstvermittlung in Ausstellungen (Henrike Plegge), um Theatervermittlung (groupe l’Aventin) und Theaterpraxis (Judith Rahner, Nicola Lauré al-Samarai, Ahmed Shah und Nils Erhard), um ein kollaboratives Forschungsprojekt mit künstlerischen Mitteln (Mikki Muhr), um ein Vermittlungsprojekt in Berufsschulen (trafo.k), um Biografiearbeit mit Pflegekindern (Urs Bachmann und Sandra Lippuner), und um Kunstunterricht (Eva Lausegger). Die Autor_innen werfen einen zweiten Blick auf die eigene Praxis: der letztgenannte Beitrag von Eva Lausegger etwa geht von einer kollektiven Protestaktion an einer Wiener Schule gegen die Abschiebung einer Schülerin aus, und gelangt zu einer Auseinandersetzung von Schüler_innen, Lehrer_in und Künstler_innen mit der Frage: Warum bin ich rassistisch? In der Zusammenschau der Beiträge tritt vor allem ein Widerspruchsfeld zentral zutage: der Umgang mit Zuschreibungen, mit der Konstruktion „der Migrant_innen“, mit der Trennung in diejenigen „mit Migrationshintergrund“ und diejenigen, die selbstverständlich als „zugehörig“ angesehen werden, in der Vermittlungspraxis.

    Henrike Plegge setzt sich in ihrem Text zur Zusammenarbeit mit einer „Vorbereitungsklasse“ der Gutenberg-Schule in Karlsruhe am ZKM mit der Rolle und den Handlungsmöglichkeiten aus Position der Kunstvermittlung gegenüber den Zuschreibungen des Schulsystems, und des Kunstbetriebs auseinander. Wenn bereits das Schulsystem jugendliche Migrant_innen „besondert“ und in eigene Vorbereitungsklassen einschult, was sind dann Vorgehensweisen in der Kunstvermittlung, die die Defizitzuschreibung an die Schüler_innen nicht einfach übernehmen? Wenn zugleich in den Kunstinstitutionen ein Begehren nach Sichtbarkeit von Migrant_innen, ein „desire for diversity“ (Ahmed 2006) existiert, wie kann Vermittlung sich der Instrumentalisierung der Teilnehmer_innen für die institutionelle Selbstpräsentation als entziehen? Auf die Haltbarkeit und Insistenz des Integrationsdiskurses als dominante Interpretationsmatrix weisen auch Judith Rahner und Nicola Lauré al-Samarai hin, wenn sie im Projekt „Vergessene Biografien“ feststellen, dass unabhängig von der Beschäftigung mit der Komplexität und Uneindeutigkeit von Zugehörigkeiten das entstandene Theater in der Rezeption wieder in den Integrationsdiskurs eingepasst wird.

    Dass es bei diesem Handeln im Widerspruch nicht nur um Konstruktionen von „Andersheit“ durch Schule und Institution geht, sondern auch um die eigenen Zuschreibungen von mehrheitsangehörigen Vermittler_innen an die Teilnehmer_innen, wenn „Migration“ als Thema im Raum steht, benennt die Groupe l’Aventin in ihrem Text über ein Theaterprojekt zu Antigone in Kooperation mit der Migrantinnenselbstorganisation Camarada (Text auf französisch sowie in deutscher Übersetzung).
    Paul Mecheril spricht in seiner Kritik der Interkulturellen Pädagogik und dem Entwurf einer Migrationspädagogik (Mecheril 2010, siehe auch seinen Beitrag in No.6/2012 von Art Education Research) von einer paradoxen Anforderung an pädagogisch Handelnde: zum einen muss Differenz, und die damit verbundene Ungleichheit, anerkannt werden. Davon auszugehen, dass alle gleich seien, hat Ausschlüsse und Benachteiligung zur Folge, für alle, die nicht ins Schema des „monokulturell“ gedachten Schulsystems, oder in die Vorstellung, die sich z.B. ein Museum von seinen „Besucher_innen“ macht, passen. Zugleich basiert die Anerkennung aber immer auf Kategorien, die auch Zuschreibungen produzieren: Menschen auf Ebene von Kultur oder Herkunft festschreiben. Die Anerkennung, so Mecheril, muss daher in einer reflektierten Bildungspraxis in der Migrationsgesellschaft von Dekonstruktion begleitet sein; die Kategorien und damit verbundenen Vorannahmen müssen hinterfragt, und – potentiell – verschoben werden. Es ist dieses Paradox der Anerkennung, zu dem Texte dieser Ausgabe anschauliche Problematisierungen und praxisbezogene Reflexionen bereitstellen. Direkt auf diese paradoxe Anforderung bezieht sich der Beitrag von Urs Bachmann und Sandra Lippuner, der die Workshops der Autor_innen mit Pflegekindern zwischen Vergewisserung und Ambivalenz reflektiert.

    In der Auseinandersetzung mit Zuschreibungen, und den Möglichkeiten ihnen zu widersprechen, in den Beiträgen wird ein grundlegender Widerspruch sichtbar: Kunst- und Kulturvermittlung, genauso wie der Kunstunterricht, sind weiterhin mehrheitsgesellschaftlich-weiss dominierte Arbeits- und Handlungsfelder. Wie können wir über eine Vermittlungsarbeit sprechen, die einer heterogenen und mehrsprachigen Gesellschaft Rechnung trägt, wenn die Definitionsmacht, die bezahlten Jobs, die pädagogischen Rollen vielfach bei Mehrheitsangehörigen verbleiben? Dass dieser Ausschluss im Feld der Kulturvermittlung noch immer ignoriert und fortgeschrieben wird, indem bei Veranstaltungen zu „Zugang“ und „Öffnung“ von Kulturinstitutionen lediglich eine „weisse (Ver-)Mittelschicht“ spricht, kritisieren Ahmed Shah und Nils Erhard in ihrem Beitrag und fordern mit den jugendlichen Theatermacher_innen im Jugendtheaterbüro Berlin „Zugang zu kulturellen Produktionsmitteln und nicht nur zu Zuschauerplätzen.“ Mit einem Projekt, in dem Jugendliche sich mit Tätigkeitsfeldern im Kulturbetrieb beschäftigen und das das Ziel verfolgt, Akteur_innen im Kulturbetrieb mit der Frage nach Ausschlüssen und Zuschreibungen zu konfrontieren, während wichtiges Wissen für den Zugang zu diesen Arbeitsbereichen weitergegeben wird, beschäftigt sich u.a. der Text von trafo.k (Handbuch Arbeiten im Kulturbetrieb, siehe Beitrag von trafo.k) . In ihrer Reflexion wird deutlich, dass auch der Zugang zu den Produktionsmitteln ein widersprüchliches Anliegen ist:

    „Wie können wir jedes Mal neu mit dem Paradoxon umgehen, dass wir Zugang für MigrantInnen in einen hegemonialen Diskurs fordern und damit in gewisser Weise diesen auch normalisieren und reproduzieren? Wie gehen wir damit um, dass gerade die Forderung nach Einschluss die Identifizierung und Homogenisierung als politisches Subjekt miteinschliesst? Mit anderen Worten: Wie viel Raum gibt es auch dafür, nicht in der von uns erwünschten Weise politisiert oder selbstermächtigt zu werden?“

    Was die Beiträge dieser Ausgabe zeigen, ist, dass der zentrale Anspruch in der Bildungspraxis, die sich mit Migration auseinandersetzt, Reflexivität bleiben muss: gegenüber den eigenen Vorannahmen und gegenüber den institutionellen Strukturen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die die Arbeit mitbestimmen – ein Anspruch, der von Mikki Muhr in dieser Ausgabe mit einem Beitrag zur kartographischen Reflexionsmethode „sich verzeichnen“ hervorgehoben wird.

    Wir wünschen eine anregende Lektüre!

    Zu den Texten

    Literatur

    Ahmed, Sara (2006). „The Non-Performativity of Anti-Racism“. borderlands (5).

    Mecheril, Paul (2010). Migrationspädagogik. Weinheim: Beltz.

    Mecheril, Paul (2012). „Ästhetische Bildung und Kunstpädagogik. Migrationspädagogische Anmerkungen“. Art Education Research (6).

    Redaktion
    Nora Landkammer und Jo Schmeiser

    Layout der Texte
    Anne Gruber