Autor: tizianahalbheer

  • n°6_Ästhetische Bildung und Kunstpädagogik. Migrationspädagogische Anmerkungen

    Paul Mecheril

    Ästhetische Bildung und Kunstpädagogik

    Migrationspädagogische Anmerkungen

    In der Perspektive der Migrationspädagogik geht es nicht so sehr um die Frage, welche Kultur spezifische Migrantengruppen haben, wie diese Kultur zu beschreiben ist und wie unter den unterschiedlichen kulturellen Gruppen Verständigung möglich ist usw., sondern vielmehr um die Frage, aufgrund welcher kulturellen Praktiken in pädagogischen Zusammenhängen zwischen «Migranten» und «Nicht-Migranten» unterschieden wird, auf Grund welcher Bedingungen «Migranten» als Migranten wahrgenommen werden, wie Kinder lernen, sich als «Nicht-Ausländerin» oder «Fremde» zu verstehen und wie in alltäglichen Praxen innerhalb und außerhalb der offiziellen Orte neue, «widerständige» Formen der Überschreitung der traditionellen Grenzen erprobt und eingeübt werden, eine Erkundung also der Praxen, Lebensweisen und Geschichten, die sich dem eindeutigen Unterscheiden entziehen. Die (Ermöglichung von) Achtsamkeit für dieses alltagsweltlich kreative Potenzial von wandernden, nicht eindeutigen Positionen und hybriden Praxen entwirft der Beitrag als einen der zentralen Bezugspunkte migrationspädagogisch informierter ästhetischer Bildung.

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    Paul Mecheril

    Aesthetic education and art teaching

    Notes from the perspective of migration pedagogy

    Rather than asking about the culture of specific migrant groups, how these cultures can be described and what enables the understanding between different cultural groups, the perspective of migration pedagogy questions cultural practices which are used to establish a difference between «migrants» and «non-migrants» in pedagogical settings, why «migrants» are perceived as «migrants» and how children learn to understand themselves as «non-foreigner» or «alien». Migration pedagogy proposes to take into account everyday practices inside and outside of official spaces that try out and practice new and «resistant» forms of crossing the traditional boundaries: an inquiry into the practices, life-styles and histories that escape clear-cut deciding. The text introduces the idea that being attentive to this everyday creative potential of drifting, ambiguous positions and hybrid practices (or making this attentiveness possible), is a key point of reference for an aesthetic education informed by migration pedagogy.

  • n°6_Materialien

    Download Materialien Regina Richer/Claude Preetz in german: Regina Richter:Claude Preetz-Materialien_n°6

  • n°6_Repräsentation und Repräsentationskritik im Feld der visuellen Kultur. Fokus Kunstvermittlung. eine virtuelle Lernplattform

    Stephan Fürstenberg

    Repräsentation und Repräsentationskritik im Feld der visuellen Kultur. Fokus Kunstvermittlung

    eine virtuelle Lernplattform

    Diese Einführung skizziert Ansätze, Fragen und Konflikte rund um das Thema Repräsentation und Repräsentationskritik im Feld der visuellen Kultur und entwickelt diese Auseinandersetzung aus Perspektive der visual cultural studies anhand von Beispielen musealer Kunstvermittlung. Sie kann als Einstieg in die Reflektion der machtvollen Praktiken des Darstellens und Zeigens dienen, welche ein wichtiger Teil der Arbeit von Vermittler_innen in Museum, Schule und Hochschule sind.

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    Stephan Fürstenberg

    Representation and the Critique of Representation in Visual Culture. Focus: gallery education

    eine virtuelle Lernplattform

    This online publication introduces approaches, questions, and conflicts into the field of visual culture concerning ways of representing and critique of representation. The introduction is developed from a visual cultural studies perspective based on examples of Gallery Education. It is thought to be a platform to reflect the powerful practices of presenting and representing, which are crucial aspects of gallery educators’ work in museums, schools, and universities.

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  • n°6_Empowerment als Handlungsstrategie gegen Rassismus

    Žaklina Mamutovič

    Empowerment als Handlungsstrategie gegen Rassismus

    Bisherige antirassistische Bildungsangebote in der Bundesrepublik wenden sich überwiegend an Mehrheitsangehörige und sind aus deren Perspektive konzipiert. Praktisch findet die Perspektive von Menschen aus der Minderheitsgesellschaft bzw. von People of Color geringe oder gar keine Berücksichtigung. Aus diesem Defizit heraus ist es notwendig, Minderheitsangehörigen eigene, «geschützte» Räume zu eröffnen, in denen Rassismus offen thematisiert werden kann und – im Sinne von Empowerment – Handlungsstrategien entwickelt werden können. Der Beitrag beschreibt anhand von Beispielen aus der Praxis einige Möglichkeiten, Empowerment-Räume zu gestalten. Darüber hinaus muss jedoch weiter daran gearbeitet werden, die ungleiche Behandlung von People of Color in der Gesellschaft öffentlich zu machen und den diskriminierten Menschen Instrumente und Strategien zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die ihnen legitim zustehenden Rechte einfordern können.

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    Žaklina Mamutovič

    Empowerment as a strategy of action against racism

    Current antiracist education in Germany is mostly directed towards members of the majority society and conceived in their perspective. In practice, perspectives of minority member or People of Color are marginalized or not taken into account. Considering this shortcoming, it is necessary for minority members to build independent, «safe» spaces to work openly on racism and conceive – in the sense of empowerment – strategies of action. The text draws on some examples from practice to describe possibilities of opening spaces of empowerment. Still, what remains most necessary is to denounce discrimination of People of Color publicly and to share instruments and strategies to claim legitimate rights with people experiencing discrimination.

  • n°6_Flüchtlinge als «Stoff» für Kunstprojekte?

    AntikultiAteliergruppe

    Flüchtlinge als «Stoff» für Kunstprojekte?

    Wir sind eine Gruppe von Menschen, die in der Schweiz leben und sich mit der Asyl- und Migrationspolitik, mit Rassismus und Repräsentation beschäftigen: viele von uns als Flüchtlinge, andere als Migrant_innen oder Schweizer_innen. Der Beitrag beschäftigt sich in Gesprächsform mit Problematiken der Zusammenarbeit von Flüchtlingen und Mehrheitsangehörigen im Kunstfeld und stellt die Ziele und Perspektiven der AntikultiAteliergruppe vor.

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    AntikultiAteliergruppe

    Refugees as «material» for art projects?

    AntikultiAtelier

    We are a group of people living in Switzerland and working on asylum and migration policies, racism and representation: many of us as refugees, others as migrants or Swiss. In a conversation between members of the AntikultiAtelier, the paper discusses problems of collaboration between refugees and members of the majority society in the cultural field. The conversation is followed by a description of goals and perspectives of our collective work.

  • n°6_Kunsthochschule mit Migrationshintergrund. Erste Überlegungen, ausgehend von einer Studie im Feld der Kunsthochschule

    Catrin Seefranz

    Kunsthochschule mit Migrationshintergrund

    Erste Überlegungen, ausgehend von einer Studie zu Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule

    Ausgehend von den Ergebnissen des Projekts Making Differences zu sozialer Ungleichheit im Feld der Schweizer Kunsthochschule konzentriert sich der Text auf die realen und imaginären Ein- und Ausschlüsse von Migrant_innen. Versucht wird, die ambivalente Politik der Differenz der globalen Kunsthochschule darzustellen und die damit verbundenen Adressierungen und Subjektivierungen zu untersuchen. Die postulierte und forcierte Internationalität der Hochschule stellt sich dabei als sehr partikulare, im Sinn Chakrabartys «provinzielle» dar, die der globalen Migrationsgesellschaft kaum gerecht wird.

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    Catrin Seefranz

    Art School with migration background

    Preliminary thoughts based on a study of inequality in the field of the art school

    Based on the results of the project making differences which deals with social injustice in the field of Swiss art schools, the paper focuses on real and imaginary inclusions and exclusions of migrants. It intends to draw a picture of the ambiguous politics of difference at the global art school and to inquire into the interpellations and subjectivations it entails. It exposes the proclaimed and enforced internationality of the art school – in the sense of Chakrabarty – as «provincial» and falling short of today’s global migration society.

  • Art Education Research °6

    Kunstunterricht und -Vermittlung in der Migrationsgesellschaft, Teil I:

    Sich irritieren lassen

    Herausgeberinnen: Nora Landkammer und Carmen Mörsch

     

    [Skype-Performance: Deniz Sözen/ Radio Dönergy, 2012, Bild: hg.buben]

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    EDITORIAL

    Die Wahrnehmung von Schüler_innen als «kulturell Andere» kann «zu unangemessenen Festschreibungen und Adressierungen verleiten», ist im «Nürnberg-Paper» des BDK in Deutschland (BDK 2012: 10) zu lesen, das mit dem Untertitel «Interkultur-Globalität-Diversity» Leitlinien und Handlungsempfehlungen für die Kunstpädagogik / Kunstvermittlung vorstellt. Weiter heisst es: «Diese Zuschreibungen können im pädagogischen Handeln trennende Differenzen vertiefen, fortschreiben oder erst erzeugen» (ebd.). Eine solche Kritik an der interkulturellen Brille, in einem Signal- und normative Wirkung beanspruchenden Grundsatzpapier, zeigt, dass der Fokus auf kulturelle Differenzen unter dem Schlagwort «Interkulturalität» – der sich auch in der Debatte um die Vermittlung der Künste etabliert hat, sobald «Migration» im Raum steht – aktuell seinen Status als dominantes Paradigma verliert. Das Beispiel aus Deutschland scheint in der deutschsprachigen kunstpädagogischen Debatte auf eine zunehmende Anerkennung der Kritik hinzuweisen, die seit Beginn der Interkulturellen Pädagogik von migrantischen und mehrheitsangehörigen Aktivist_innen, Vermittler_innen, Forscher_innen, Künstler_innen und Lehrer_innen geäussert wird: dass zum einen die Thematisierung von kulturellen Zugehörigkeiten Gefahr läuft, «Kulturen» und Differenzen erst herzustellen; und dass, zum zweiten, der alleinige Fokus auf kulturelle Differenz im Zusammenhang mit Migration soziale und rechtliche Ungleichheit ausblendet und damit zu einer «Kulturalisierung» gesellschaftlicher und politischer Problematiken führt.

    Diese Anerkennung verunsichert die fachliche, pädagogische und personelle Ausrichtung von Kunstpädagogik und -vermittlung. So folgert das «Nürnberg-Paper»: «Alle Akteure, die als Lehrkräfte oder Vermittler/innen arbeiten, sind aufgefordert, auf die veränderte Situation in Deutschland mit einer Diskussion um die Inhalte der Kunstpädagogik zu reagieren. Dazu gehört vorrangig eine kritische Reflexion und Weiterentwicklung des zu Grunde gelegten Bildbegriffs, der Fragen von Kulturalität und Universalität, von Globalisierung und Lokalisierung, von Abgrenzung und Hybridität neu berücksichtigen muss» (ebd.). Gefordert wird eine «Neubestimmung», für die Inhalte neu definiert, Methoden entwickelt, Lehrpläne abgeändert und Forschung betrieben werden soll.

    Welche Herausforderung eine solche Neubestimmung impliziert, zeigt sich bereits in der Widersprüchlichkeit des zitierten Papers selbst: so bleibt, trotz der o.g. Kritik, der Fokus auf kulturelle Differenz prägend für die weiterhin unter «interkulturell» gefassten Leitlinien, die etwa das Nutzen von «kulturellen Differenz als Bildungsanlässe» (ebd.) oder «interkulturelles Training» für Lehrkräfte mit Fokus auf Sensibilisierung und Toleranz (ebd.: 11) umfassen. Ebenso sieht das Paper vor, «Kulturvergleich» als Ansatz gegen den eurozentrischen Blick des Kunstunterrichts einzubinden (ebd.: 10) – nicht thematisiert wird dabei, dass ein komparativer Ansatz die gleiche Problematik eines Denkens in homogenen, voneinander abgrenzbaren Kulturen befördert, die zuvor in Bezug auf die Adressierung von Schüler_innen als «kulturell Andere» kritisiert wurde. Während dazu aufgerufen wird, den Blick auf «Herkunft» zu dezentrieren, bleibt auch strukturelle Diskriminierung im Bildungssystem unerwähnt.

     

    SICH IRRITIEREN LASSEN

    Wo könnte also die zu Recht eingeforderte Neubestimmung in den Arbeitsfeldern Kunstunterricht und Kunstvermittlung ansetzen? Dieser Diskussion widmeten sich zwei vom IAE mitinitiierte Veranstaltungen: zum einen eine Arbeitstagung im Mai 2011 unter dem Titel «Kunstvermittlung in der Migrationsgesellschaft», bei der anhand von aktuellen Praxisbeispielen und einem Input von Paul Mecheril zum Ansatz der Migrationspädagogik Akteur_innen aus dem Arbeitsfeld Handlungsmöglichkeiten und Herausforderungen für die institutionelle Kunstvermittlung diskutierten[1], zum anderen eine einwöchige Lehrveranstaltung im Januar 2012, das «Netzwerkmodul Art Education»[2], bei dem die Frage nach dem Platz des BG-Unterrichts in der Migrationsgesellschaft im Zentrum stand. Das Netzwerkmodul ging bewusst nicht von Praxisbeispielen und bestehender Theoriebildung in der Kunstpädagogik aus, sondern lud stattdessen ein, Ansätze aus Antirassismusarbeit, Pädagogik und Kulturwissenschaft als Irritationsmomente und Ausgangspunkte für das Nachdenken über die Praxis im Kunstunterricht zu nutzen.

    Bei beiden Veranstaltungen ging es also zunächst einmal darum, sich in dem noch immer mehrheitsgesellschaftlich-weiss dominierten Arbeitsfeld «irritieren zu lassen», wie Maria do Mar Castro Varela (o.J.: 2) eine zentrale Fähigkeit in der Auseinandersetzung mit Migration in der pädagogischen Arbeit beschreibt, und den Verunsicherungen und Konflikten Raum zu geben. Die Frage, wie Kunstunterricht und -vermittlung gestaltet werden kann, um der Migrationsgesellschaft gerecht zu werden – gerecht zu werden im Sinne von mehr Gerechtigkeit angesichts der rassistischen Verhältnisse – bleibt. Diese Ausgabe von Art Education Research gibt die Frage weiter. Sie stellt mit Beiträgen der Referent_innen und Workshopleiter_innen des Netzwerkmoduls, sowie weiterer Forscher_innen und Diskussionspartner_innen die Ausgangspunkte unserer Auseinandersetzungen entlang von drei zentralen Setzungen um Kunstunterricht und Kunstvermittlung in der Migrationsgesellschaft zur Verfügung, und stellt Fragen für die weitere Debatte:

     

    1_PÄDAGOGISCHE ANSÄTZE

    Die schweizerische, so wie die meisten europäischen Gesellschaften, kann aktuell als Migrationsgesellschaft bezeichnet werden, als eine, die in ihrer Gesamtheit von Migration geprägt ist. Diese Tatsache verlangt auch in Kunstvermittlung und -unterricht pädagogische Ansätze, die die Ungleichheit in dieser Gesellschaft nicht fortschreiben oder verstärken, sondern ihr entgegenwirken.  

    Als ein Ausgangspunkt wird hier die zentral von Paul Mecheril entwickelte Perspektive der Migrationspädagogik vorgeschlagen, die gegenüber den dichotomen Einteilungen in «mit» und «ohne Migrationshintergrund», «Wir/Andere» für eine pädagogische Reflexivität und eine dekonstruktive Herangehensweise plädiert. Paul Mecheril entwickelt in seinem Beitrag aus migrationspädagogischer Sicht erste Gedanken zum Bereich ästhetischer Bildung. Rubia Salgado erweitert, mit Bezugnahme auf Freire und Gramsci, Mecherils Konzept der Reflexivität und wendet sich damit einem Arbeitsfeld zu, das in der Auseinandersetzung von Museen mit der Migrationsgesellschaft derzeit an Bedeutung gewinnt: dem Deutschkurs im Museum.

    >> Was heisst es in der Praxis, im BG-Unterricht und in der institutionellen Kunstvermittlung, die Ordnungen zu thematisieren, über die Zugehörigkeiten hergestellt werden? Welche Möglichkeiten bietet gerade die Kunstvermittlung für Verschiebungen in dieser Ordnung der Zugehörigkeiten? Welche Arbeits- und Organisationsformen im Berufsfeld ermöglichen pädagogische Reflexivität?

     

    2_VERSTRICKTES HANDELN

    Als Kunstvermittler_innen und BG-Lehrer_innen sind wir in eine von Rassismus geprägte Ordnung in dieser Migrationsgesellschaft verstrickt, als Privilegierte, oder als solche, die Barrieren überwunden haben.

    Anhand des Konzepts von «Barrieren» zeichnet Claus Melter ein Bild der gegenwärtigen Ungleichheit und Diskriminierung in Bildungsinstitutionen. Warum stehen, gerade im Fach BG, einer heterogenen Schüler_innenschaft noch immer noch fast ausschliesslich mehrheitsschweizerische Lehrpersonen gegenüber? Über Ausschlussmechanismen an Kunsthochschulen, und damit auch in der Lehrendenausbildung, sowie über die impliziten Theorien von Dozierenden über Migration und Kunststudium berichtet Catrin Seefranz von der ersten Phase des Forschungsprojekts «Making Differences». Als zentralen Ausgangspunkt für das durch diese Ausschlüsse geprägte Berufsfeld setzt Regina Richter (in Zusammenarbeit mit Claude Preetz) die Reflexion von Privilegien als weisse Lehrperson.  Ihr Beitrag setzt sich mit der Komplexität auseinander, als weisse Lehrer_in rassismuskritische Bildung voranzutreiben. Als einen ebenso zentralen Ausgangspunkt formuliert Žaklina Mamutovič Kritik an der mehrheitsgesellschaftlichen Dominanz in der Antirassismusarbeit und stellt Herangehensweisen an Empowerment vor. Mit der Ordnung religiöser Zuschreibungen beschäftigt sich Rifa’at Lenzin aus islamwissenschaftlicher Perspektive. Die Ordnung der Rollen und Entscheidungskompetenzen in der Zusammenarbeit zwischen Flüchtlingen und Mehrheitsangehörigen in Kulturprojekten diskutiert die AntikultiAteliergruppe.

    >> Was heisst es, als Akteur_innen in Bildung und Kultur diese Ordnungen nicht einfach fortzusetzen? Was könnte für uns – als BG-Lehrpersonen, als Kulturarbeiter_innen, als Vermittler_innen – eine «persisent critique of the structures we cannot not wish to inhabit» (Spivak 1993: 284), eine beständige Kritik der Strukturen, in die wir nicht nur eingebunden sind, sondern in denen wir auch Pläne und Begehren haben, bedeuten?

     

    3_BILDER

    Eine Auseinandersetzung mit der Migrationsgesellschaft kann auch die Inhalte des Unterrichts, die zu vermittelnden Ausstellungen, die Bilder und Repräsentationen, die die Basis von Bildungsprozessen bieten, nicht unberührt lassen.

    Wenn die gesellschaftliche Heterogenität als relevant für den Kunstunterricht betrachtet wird, kann die Kunst, die im Unterricht besprochen wird, nicht einen eurozentristischen Kanon mit seinen ausschliessenden Narrativen reproduzieren. Auch die dominante formale Gestaltungslehre ist der westlichen Moderne verpflichtet. Was heisst es, den Kanon und die zu vermittelnde «Kultur» zu dezentrieren? Der Beitrag von Christian Kravagna beschreibt, wie die Vorstellung von Originalität im Diskurs über die Avantgarde der Moderne des 19. und 20 Jahrhunderts immer schon ein Mythos war, der die Aneignung ausseräuropäischer Kulturproduktion verschweigt, und beschäftigt sich mit historischen und zeitgenössischen Strategien von Künstler_innen in postkolonialen Räumen. Aus der Debatte im englischsprachigen Raum um «critical multicultural art education» wurde ein Beitrag von jan jagodzinski aus dem Jahr 1999 für diese Ausgabe übersetzt (zugänglich ist jedoch auch der englische Originaltext), der programmatisch für einen Einbezug aktueller visueller Kultur, eine dekonstruktive Lektüre des bestehenden Kanons und seine gleichzeitige «planetarische» Erweiterung plädiert – wobei er sich kritisch gegenüber «kultureller Diversität» als simplem add-on zu bestehenden Curricula positioniert. Ein zentraler Ausgangspunkt, so wollen wir behaupten, ist für die ästhetische Bildung in der Migrationsgesellschaft das Feld der Repräsentationskritik. Eine «virtuelle Lernplattform», konzipiert von Stephan Fürstenberg, bietet als Bestandteil dieses journals eine erste Einführung für jene, die sich in zentrale Fragestellungen und Konzepte des breiten unter «Repräsentationskritik» fassbaren Feldes einlesen wollen. Mit Darstellungen von Migration, konkreter: von illegalisierter Migration in der Schweiz, ihrer kolonialen Vergangenheit und ihrer Verstrickung in post-/neokoloniale Verhältnisse, setzt sich der Beitrag von Francesca Falk auseinander.

    >> Um welche Kunst soll es im Kunstunterricht gehen? Wenn die gegenwärtige Zugehörigkeitsordnung auch über Bilder des «Eigenen» und «Fremden» produziert wird, welchen Umgang kann Kunstunterricht mit dem visuellen Repertoire der Migrationsgesellschaft entwickeln? Wie kann Kunstvermittlung die «Kultur» in den Institutionen selbst hinterfragen und erweitern?

    Die umfangreiche Zusammenstellung von Texten soll Anregungen für eine Weiterarbeit an diesen Fragen in der Praxis und Theoriebildung geben. Eine erste Verknüpfung zu unseren Arbeitsfeldern stellen Kommentare im Anschluss an jeden Text her: Kolleg_innen aus den Bereichen Kunstvermittlung und BG-Unterricht haben die Texte gelesen und in kurzen Kommentaren auf unsere Frage reagiert: Was kann das für die Praxis in Kunstunterricht und -vermittlung heissen?

     

    KONFLIKTLINIEN: RASSISMUS UND ANDERE VERHÄLTNISSE

    Verunsicherungen, Widersprüche und Herausforderungen stellen nicht nur die vorliegenden Beiträge für unser Arbeitsfeld in den Raum, sondern sie entstehen auch zwischen den Texten. Durch die Arbeit an dieser Ausgabe  beschäftigen uns Konfliktlinien innerhalb und zwischen verschiedenen Kämpfen gegen Gewalt und Diskriminierung, zu denen wir ebenfalls weitere Auseinandersetzungen anregen wollen.

    Eine Dissonanz, die zwischen den Texten auftaucht, betrifft etwa das Konzept Minderheit: während es für Žaklina Mamutovič zentral ist, Empowerment aus einer Minderheits-Perspektive zu denken, kritisieren Richter und Preetz die Konzeptualisierung von Minderheiten in Bezug auf Rassismus, weil diese dazu neige, Rassismus zum Problem der «Anwesenheit von Minderheiten» zu machen. Während im Beitrag von jan jagodzinski herausgestellt wird, dass ein postkolonialer Zugang das Konzept der Nation selbst radikal hinterfragen muss, betont Francesca Falk gerade die Notwendigkeit, sich im spezifischen nationalen Kontext der Schweiz mit Post- und Neokolonialismus zu beschäftigen. Im selben Beitrag tritt auch eine Spannung zutage, die in aktueller postkolonialer Theoriebildung kontroversiell verhandelt wird: das Verhältnis zwischen Postcolonial und Holocaust Studies. Falks Auseinandersetzung mit Ausschaffungslagern und ihrer kolonial-rassistischen und antiziganistischen Geschichte wirft die Frage auf, welche weitere Auseinandersetzung der im Raum stehende Bezug zum Nationalsozialismus erfordert. Diesen «entangled legacies» von Kolonialismus und Holocaust widmete sich aktuell im September 2012 ein internationaler Workshop in Frankfurt, dessen Organisator_innen Nikita Dhawan und Maria do Mar Castro Varela die Notwendigkeit der Entwicklung theoretischer Perspektiven betonen, die gegen eine Marginalisierung der Kolonialgeschichte in der Forschung zum Holocaust, und gegen eine Marginalisierung des Holocaust in der postkolonialen Theoriebildung wirken [3].

    Auch zwischen Redaktionsteam und Autor_innen sind Konfliktlinien aufgetaucht, die die Verknüpfung zwischen Rassismus und anderen Unterdrückungsverhältnissen betreffen. So die aktuellen Debatten um die Instrumentalisierung der Kämpfe für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften für antimuslimisch-rassistische Positionen. Seit einigen Jahren wehren sich muslimische, gleichgeschlechtlich lebende Akteur_innen schreibend und handelnd gegen eine Instrumentalisierung durch konservative Kräfte oder auch durch sich progressiv verstehende Menschen- und Bürger_innenrechtsbewegungen der Mehrheitsgesellschaft. Wenn Rifa’at Lenzin in ihrem Beitrag schreibt, ein Muslim könne sich «allenfalls darüber wundern, wieso die Polygamie im Westen so vehement abgelehnt, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren aber zugelassen wird» (S. 3), so wollen wir als Herausgeber_innen zu einer Debatte darüber anregen, dass diese binäre Gegenüberstellung aus unserer Sicht Gefahr läuft, das diskursiv weiterzuschreiben, was Koray Yilmaz-Günay im Titel des von ihm 2011 herausgegebenen Bandes als «Karriere eines konstruierten Gegensatzes: Muslime versus Schwule» beschreibt[4]. Die Beiträge im Band von Yilmaz-Günay, der an dieser Stelle zur Lektüre empfohlen sei, zeichnen die Entwicklung eines zunehmenden «Homonationalismus»[5],  auf differenzierte Weise nach,  setzen sie in Beziehung zu anderen Diskriminierungsverhältnissen (z.B. Antisemitismus oder Rassismus gegen People of Color) und plädieren für transversale Bündnisse gegen jedwede Form von Unterdrückungsgewalt.

    Wir hoffen, dass auch die Beschäftigung mit diesen Spannungsfeldern zu den Debatten um den Kunstunterricht und die Vermittlungsarbeit in der Migrationsgesellschaft beiträgt.

     

    Die Auseinandersetzung in unserem journal geht weiter: Art Education Research #8, die übernächste Ausgabe, greift den Schwerpunkt «Kunstunterricht und -vermittlung in der Migrationsgesellschaft» erneut auf – diesmal, um mit dem Arbeitstitel «Teil II: in Widersprüchen handeln» Reflexionen zu Unterrichts- und Vermittlungspraxis vorzustellen. Wir hoffen, unsere Fragen drehen weitere Kreise und freuen uns über Vorschläge für Beiträge: [call for papers]

    Zu den Texten

     

    Literatur

    BDK (2012): Nürnberg-Paper: Interkultur – Globalität – Diversity: Leitlinien und Handlungsempfehlungen zur Kunstpädagogik/Kunstvermittlung remixed. In: BDK Info, Zeitschrift des Fachverbandes für Kunstpädagogik in Bayern, No. 19/Oktober 2012, S. 9-11. Online unter:  http://www.bdkbayern.de/fileadmin/bdk_files/BDK_INFO_19_LR.pdf (zuletzt aufgerufen: 19.12.2012).

    Castro Varela, Maria do Mar (o.J.): Interkulturelle Vielfalt, Wahrnehmung und Selbstreflexion aus psychologischer Sicht. http://www.graz.at/cms/dokumente/10023890_415557/0a7c3e13/Interkulturelle%20Vielfalt,%20Wahrnehmung%20und%20Sellbstreflexion.pdf (zuletzt aufgerufen: 12.12.2012).

    Mesquita, Sushila (2011): Ban Marriage! Ambivalenzen der Normalisierung aus queer-feministischer Perspektive, Wien: Zaglossus.

    Spivak, Gayatri Chakravorty (1993): Outside in the Teaching Machine, London/New York: Routledge.

    Yilmaz-Günay (2011) (Hg.): Karriere eines konstruierten Gegensatzes: zehn Jahre «Muslime versus Schwule». Sexualpolitiken seit dem 11. September 2001, Berlin.

     


    [1] «Kunstvermittlung in der Migrationsgesellschaft. Eine Arbeitstagung». In Kooperation mit den Galerien des Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin. Universität der Künste Berlin, 27.-28. Mai 2011. http://iae.zhdk.ch/fileadmin/data/iae/documents/Kunstvermittlung_in_der_Migrationsgesellschaft.pdf (zuletzt aufgerufen: 19.12.2012).

    [2] Zürcher Hochschule der Künste, 16.-20.1.2012. https://www.zhdk.ch/fileadmin/data_subsites/data_iae/PDFs/Programm_netzwerkveranstaltung_zhdk_2012_3.pdf (zuletzt aufgerufen: 19.12.2012).

    [3] http://www.frcps.uni-frankfurt.de/?page_id=2498, (zuletzt aufgerufen: 19.12.2012).

    [4] Yilmaz-Günay 2011; Inhaltsverzeichnis und Vorwort unter http://www.yilmaz-gunay.de/documents/Karriere%20eines%20konstruierten%20Gegensatzes_Inhalt%20und%20Einleitung.pdf (zuletzt aufgerufen: 19.12.2012), Bestellung des Buches in der Schweiz unter info@QueerAmnesty.CH.

    [5] Homonationalismus bezieht sich auf ein Mainstreaming gleichgeschlechtlicher Lebensweisen (nach dem Vorbild der heterosexuellen Kleinfamilie, während andere Konstellationen des Zusammenlebens nicht staatlich anerkannt und abgesichert werden, wie u.a. Sushila Mesquita in ihrem 2011 erschienenen Buch Ban Marriage kritisiert) zur Untermauerung des Bildes vom liberalen «Okzident» im Gegensatz zum vermeintlich rückständigen und bedrohlichen «Orient».

     

    Redaktion: Nora Landkammer und Jo Schmeiser
    Layout der Texte: Anne Gruber 
  • n°5_Von Kassel lernen

    Wanda Wieczorek, Ayşe Güleç, Carmen Mörsch

    Von Kassel lernen (Learning from Kassel)

    The fifth issue of Art Education Research, entitled «Von Kassel lernen» (Learning from Kassel) reflects on the intersection between cultural and political education, and is based on the example of the «documenta 12 advisory board».

    On the occasion of the opening of documenta 13 on the 9th of June 2012, the authors Wanda Wieczorek, Ayşe Güleç and Carmen Mörsch look back on the attempt to collaborate with residents of Kassel in the context of documenta 12.
    From their analysis of the documenta 12 advisory board, its genesis, contexts, interactions, heterogeneous interests and complex power structures, the authors derive a set of systematic practical guidelines. They also specify the structural and substantive requirements needed for art institutions to collaborate on a level playing field with different publics.

    → Text herunterladen (DE)

    → Zu der Kurzbiografie von Wanda Wieczorek

    → Zu den Kurzbiografie Ayşe Güleç

    → Zu der Kurzbiografie Carmen Mörsch

  • Art Education Research °5

    Von Kassel lernen.

    Überlegungen zur Schnittstelle von kultureller und politischer Bildung am Beispiel des Documenta 12 Beirat 

    Autorinnen: Wanda Wieczorek, Ayşe Güleç, Carmen Mörsch

    [Zeichnung: Jürgen Stollhans; © Photo: Robert Collette]
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    EDITORIAL

    Die fünfte Ausgabe von Art Education Research stellt am Beispiel des documenta 12 Beirats Überlegungen zur Schnittstelle von kultureller und politischer Bildung an.
    Die Autorinnen Wanda Wieczorek, Ayşe Güleç und Carmen Mörsch blicken anlässlich der Eröffnung der documenta 13 am 9.6.2012 zurück auf den im Rahmen der documenta 12 unternommenen Versuch, mit der lokalen Bevölkerung im Kontext der Ausstellung zusammenzuarbeiten.
    Aus ihrer Analyse des documenta 12 Beirats, seiner Genese, Kontexte, Interaktionen, heterogenen Zielvorstellungen und komplexen Machtgefüge leiten sie systematische Empfehlungen genauso wie strukturelle und inhaltliche Forderungen für eine gleichberechtigte Arbeit von Kunstinstitutionen mit unterschiedlichen Öffentlichkeiten ab.
    „Von Kassel lernen“ versteht sich als Handreichung und Diskussionsgrundlage für alle, die an der Arbeit an der Schnittstelle von kultureller und politischer Bildung interessiert oder aktiv beteiligt sind.

    Zum Text

  • n°3_Schwierige Themen im Bildnerischen Gestaltung-Unterricht

    Danja Erni

    «Schwierige Themen» im Bildnerischen Gestaltung-Unterricht

    Danja Erni wirft in der Perspektive der Netzwerkveranstaltung Persönlichkeitsverwicklung # 1: Queer und Do-it-Yourself im Kunstunterricht einen Blick auf ihren eigenen Unterricht sowie auf das Berufsfeld der Bildnerischen Gestaltung (BG). Die Autorin übersetzt die im Rahmen der Netzwerkveranstaltung gewonnenen Erkenntnisse auf die eigene Berufspraxis und fragt nach Bedingungen, unter welchen sogenannte «schwierige Themen» – etwa die Dekonstruktion von Geschlechtern und der Feminismus – in den BG-Unterricht einfliessen können.

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    → Zu der Kurzbiografie von Danja Erni