Als Observer in Residence durfte ich euch letztes Jahr über die Schultern schauen und via Facebook, Twitter, Snapchat und Livestream berichten. Vier Tage. Vier Plattformen. Vier Empfehlungen, die ich Euch mit auf den Weg in eure digitale Zukunft geben möchte.
Vor einem Jahr trat die ZHdK-Leitung an mich heran und lud mich ein, als Observer in Residence das Toni-Areal zu besuchen. Als Außenstehender hat man oft einen anderen Zugang zu Dingen und als solcher sollte ich meine Beobachtungen festhalten. Schnell kam die Frage auf: In welcher Form? In einem Blog? Auf Facebook? Oder via Twitter?
Dann hatten wir die Idee, jeden Tag unter ein bestimmtes Motto zu stellen und auf einer anderen Plattform stattfinden zu lassen. Sprich: Mein erster Tag gehörte Facebook. Der zweite Besuchstag spielte überwiegend auf Twitter. Das Stilmittel Live-Streaming sollte den dritten Tag bestimmen. Der letzte Besuchstag konnte via Snapchat-Story mitverfolgt werden.
Natürlich wird es kaum verwundern, wenn ich bilanziere: Der Facebook-Tag lief am besten. Allein die schiere Masse der Leute, die auf Facebook sind, ließ das erwarten. Und doch möchte ich Euch davor warnen, nur auf die bloße Zahl von Views, der Likes und Shares zu schielen. Eine wesentliche Erfahrung, die ich schon in meiner Arbeit als Nachrichten-Reporter gemacht habe, hat sich auch in meiner Rolle als ZHdK-Observer wieder bestätigt: Zahlen sind nicht alles!
Oft kommt das wertvollste Feedback, der beste Hinweis, die interessanteste Begegnung über eine Plattform, die vielleicht wenig Masse, dafür aber eine intensivere Form des Austauschs ermöglicht. Ein einziger Tweet, ein einziger Follower kann den Unterschied machen. Nicht selten ist das der Funke für das nächste Thema, den nächsten Auftrag, vielleicht sogar den nächsten Arbeitgeber.
ZHdK-Absolventin Dephine Chapuis-Schmitz hat mit ihrer Twitter-Poesie 140 Zeichen zur Kunstform erhoben. Anna Lisa Martin-Niedecken kämpft um jeden Sportmuffel, den sie durch individuelle Ansprache für Sport begeistern kann. Renato Soldenhoff will das Netz in einen Hörsaal verwandeln. Ob 300 oder 3 Millionen Teilnehmer eine Vorlesung besuchen spielt keine Rolle. Was zählt ist nicht die Masse, sondern stets das Individuum.
Vier Empfehlungen für die Zukunft
In meinem eigentlichen Job als TV-Moderator erlebe ich gerade, dass die Masse, wie wir sie kannten, so nicht mehr existiert. Dass es ratsamer ist, sich auf die Exzellenz in der Nische zu konzentrieren, als im Mittelmaß der Masse unterzugehen. Mein erster Ratschlag also ist: Spezialisiert euch! Sucht euch etwas, was euch Spaß macht und worin ihr richtig gut seid. Nur so werdet ihr es schaffen, aus der Beliebigkeit des Netzrauschens herauszustechen.
Mein zweiter Ratschlag: Wer im Netz nicht auffindbar ist, existiert nicht. Mein dringender Appell an alle, die vielleicht schon öfters mit dem Gedanken gespielt haben, eine eigene Web-Präsenz aufzubauen: Zögert nicht länger! Macht es! Macht es jetzt! Macht euch sichtbar! Macht Fehler. Lernt daraus. Lernt neue Freunde kennen, Weggefährten auf eurer Reise zu eurem digitalen Ich.
Ein dritter, etwas unkonventioneller Tipp: Kopiert! Copy und Paste ist Teil unserer Kultur und nichts, wofür man sich schämen muss (Steve Jobs: „Good artists copy, great artists steal“). Weil wir alle in der Unendlichkeit des Webs irgendwie Suchende sind, ist es wichtig, sich zu orientieren, voneinander zu lernen, sich weiterzuentwickeln. Konkret: Schaut euch an, wer sich auf eurem Fachgebiet im Netz einen Namen gemacht hat und wie er oder sie das erreicht hat. Übernehmt Dinge, die euch gefallen, grenzt euch ab von Strategien, die nicht zu euch passen.
Der vierte und wichtigste Ratschlag, den ich euch mit auf den Weg geben möchte: Ganz gleich, was ihr tut – tut Gutes und redet darüber! Begreift das Netz als eure Bühne, eure Leinwand, den Verstärker eurer Seele! Nutzt Snapchat, Twitter, Instagram, Facebook oder was auch immer das Soziale Netzwerk der Stunde ist, als Verlängerung eurer selbst. Schaut Euch an, wie andere Kreative das Netz für sich nutzen. Übersetzt Eure Botschaft in Grafiken, Soundbites oder Animationen passgenau für die jeweilige Plattform. Macht eure Arbeit snackable. Macht sie shareable. Begreift auch die Vermarktung eurer Werke als künstlerischen Prozess.
Ob analog oder digital – auch fürs Neuland gilt die alter Weisheit: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Und im idealen Fall auch viel Spaß.