Kategorie: St.Gallen

  • Héctor Berlioz – La Damnation de Faust (St.Galler Festspiele)

    Erfolg unter freiem Himmel

    Skeptiker – und ich gestehe, dass ich mich zu ihnen zähle – fragten sich, wie Héctor Berlioz’ La Damnation de Faust auf der St.Galler Freilicht-Festspielbühne zu Erfolg kommen könnte. Aber genau die als Argumente angeführten Spezifika, etwa die unopernhafte Anlage und die vorwiegend subtile Orchestration, wandelten sich zu den Überzeugungspunkten. Ein ausgefeiltes Soundkonzept erhöhte die orchestrale Präsenz, der die Singstimmen mit mephistophelisch anmutender Perfektion beigemischt wurden, ohne dass der Eindruck der Bühnenverortung der Darsteller verloren gegangen wäre. Trotz des üppigen Luxusklanges wurde die Raffinesse der Instrumentation zur Geltung gebracht. Verantwortlich dafür zeichnete Dirigent SEBASTIAN ROULAND, der mit dem unter der Bühne spielenden Sinfonieorchester St.Gallen die Partitur mit eloquenter Eleganz und ganz ohne plakative Knalleffekte in grosszügigem Fluss durchmass. Die Herausforderungen des tableauhaften Werkes und der beträchtlichen Distanzen auf und zu der Bühne meisterte Regisseur CARLOS WAGNER im Verbund mit dem Bühnenbildner RIFAIL AJDARPASIC souverän und mit ausgeprägtem Gespür für das Timing. Die Dimensionen der mit etlichem technischem Wunderwerk ausgestatteten Bühnenkonstruktion boten die Möglichkeit, die Bilder und Schauplätze fliessend ineinander übergehen zu lassen. Für die Fantastik, die Poetik und die Magie fand Wagner besonders im ersten Teil bezaubernde Mittel, woran auch die zusammen mit der Tanzkompanie durch ANA GARCIA erarbeiteten choreografischen Interventionen bedeutenden Anteil hatten. Besonders schön auch, wie aus dem Kontext des Werkes heraus die Natur sich mittels des Windes, der Fahnen und Bänder immer wieder unerwartet in Bewegung setzte, an der Regie beteiligte. In den Liebes-, Geister- und Traumszenen des dritten und vierten Teils liess sich Wagner jedoch mehr zu Effekten und Kitsch verführen und erreichte damit nicht mehr die gleiche Sinnfälligkeit. Nur bedingt was so das zeitweilige Abfallen der Konzentration der kühlen Ausstrahlung und Stimme von ELENA MAXIMOVA als Marguerite anzulasten. MIRCO PALAZZI hingegen gab einen überaus eleganten Mephisto, der seine Gefährlichkeit perfid aus der verführerischen Weichheit seines Timbres und seiner attraktiven Erscheinung nährte. TIJL FAVEYTS verfügte als Brander über genau den Bass, der die Verruchtheit seiner Kellerschenke und den Spott des Rattenliedes vorzüglich abbildete. Sowohl der stimmlichen wie auch der körperlichen Kondition und Präsenz von GILLES RAGON in der Titelpartie wurde Enormes abverlangt. Mit wunderbar idiomatischen Timbre und souveräner Beherrschung der Mittel wurde er den Anforderungen der Partie und der Inszenierung in beeindruckender Weise gerecht. Opernchor sowie die Theaterchöre St.Gallen und Winterthur mit potenter Unterstützung des Prager Philharmonischen Chores, die Tanzkompanie, Tanzschule und Statisterie trugen engagiert Wesentliches zu diesem erlebnisreichen Abend unter freiem Himmel bei.

  • Richard Strauss – Salome (Theater St.Gallen)

    Luxuriös

    Man traute seinen Augen kaum beim Blick auf den Besetzungszettel der St.Galler Salome und wähnte sich viel mehr in einer Metropole als in der Ostschweiz. Der Herausforderung, die das Stück an ein kleineres Haus stellt, begegnete man hier mit der Verpflichtung einer Gästereihe, das aufmerken liess. Wohl auch auf Grund der Tatsache, dass die Platzkapazität im Graben nur die im Orchester reduzierte Fassung zulässt, hat sich ALEXANDRINA PENDATCHANSKA (die hier allerdings verkürzt als Alex Penda gelistet wird) eine Partie angeeignet, die eine Tür zur weiteren Karriereentwicklung öffnen könnte. Die Bulgarin verkörperte eine glühende, vibrierend-erotische und jugendliche Salome mit stupenden , berückenden piani und erschauern-lassenden Schroffheiten. Dass es (noch) eine Grenzpartie ist, liess sich aus dem Körpereinsatz, der sie Stimmproduktion verlangte, ablesen und manifestierte sich auch in einer leider sehr schwachen Textverständlichkeit. Um diese brauchte man sich bei den weiteren Hauptrollen nicht zu sorgen. Nichts Dröhnendes benötigt MARTIN GANTNER, um den Prophezeiungen des Jochanaan Gewicht zu verleihen: balsamisch-nobel strömte sein Bariton und jede Silbe erhielt intelligente Gewichtung. Auf gleichem Höchstniveau ist der agile und charaktervolle Herodes von ANDREAS CONRAD zu nennen und in Bezug auf die Stimm- und Bühnenpräsenz der Herodias von GABRIELE SCHNAUT können nur die bekannten Superlative bemüht werden. Zusammen bildeten sie ein Quartett von luxuriöser Qualität, von der sich die Ensemblekräfte in den weiteren Partien hörbar motivieren und anspornen liessen. MODESTAS PITRENAS  sorgte im Graben mit dem brillant aufgelegten Sinfonieorchester St.Gallen in erstaunlicher Transparenz für aus dem rhythmischen entwickelte Impulse und gewichtigen Rausch. Etwas irritierend wirkte die (wohl der erhöhten Bühnenkonstruktion anzulastende) verhinderte vollkommene Verschmelzung von Gesangsstimmen und Orchester.

    In der Verpflichtung des Modeschöpfers CHRISTIAN LACROIX für das Kostümdesign und der Grosszügigkeit der hiesigen Stoffkreation Schläpfer/Bambola wurde nicht nur dem Ruf St.Gallens als führende Textilstadt Rechnung getragen, sondern auch der Produktion eine weitere Aura der Exklusivität und Noblesse verliehen. VINCENT LEMAIRE schuf dafür einen Bühnenraum, der trotz seiner Käfigartigkeit den Luxus der Palastumgebung vermuten liess. Wie durch eine Linse blickte man durch eine kreisrunde Öffnung auf den beengten Raum. Die Personen kamen sich dort deshalb ungewohnt nah, wobei es jedoch Regisseur VINCENT BOUSSARD nicht durchwegs gelang, die Spannungsverhältnisse zwischen den Figuren evident zu machen und aufrecht zu erhalten. Die unruhige und beliebige Lichtgestaltung von GUIDO LEVI fügte sich in den Eindruck des eher Dekorativen, der auch der Regie und Ausstattung angelastet werden kann.