Autor: cclay

Einblick in die facettenreiche Welt der Visualisierung: Ein Interview mit Ida Künzle

Ida Künzle, frischgebackene Absolventin des Masterstudiengangs Knowledge Visualisation an der ZHdK, hat bereits den Sprung in die Arbeitswelt geschafft. Ihre Reise führte sie von Thun nach Zürich, wo sie nun als Visual Designerin beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF tätig ist. In einem faszinierenden Interview gewährt sie Einblicke in ihre vielseitige Karriere, erzählt von inspirierenden Projekten und teilt einige Gedanken über die Kunst des visuellen Erzählens.

Lieblingsprojekte und Spezialisierung

Ida betont die Vielseitigkeit ihres Schaffens und erklärt, dass die Wahl des Mediums von Projekt zu Projekt variiert. Sie schwankt zwischen traditionellen Medien wie Bleistift und Papier und modernen Tools wie dem iPad. Idas Lieblingsprojekte spiegeln ihre Vielseitigkeit wider. Die Auswahl fiel ihr schwer, denn ihre Projekte erstrecken sich von persönlichen künstlerischen Werken bis zu Visualisierungen im Bereich der Wissensvermittlung.

Ein herausragendes Projekt ist Idas Masterarbeit «Visible Vision», bei der sie sich erstmals mit 3D-Visualisierung auseinandersetzte. In einer Animation mit 3D-Modellen erklärt sie für ein breites Publikum den Wirkungs-mechanismus einer Therapie gegen eine spezifische Art von genetischer Erblindung. Diese intensive Erfahrung war für Ida inspirierend und führte zu einem beeindruckenden Lernprozess.

Ein anderes bemerkenswertes Beispiel ist eine dreiteilige Serie grossformatiger illustrativer Bleistiftzeichnungen aus dem Bachelorstudium, welche das Thema Zuhause untersuchen. Das Spiel mit Perspektiven und die Freiheit der Zeichnung haben diese Arbeit für Ida besonders speziell gemacht. Eines der drei Bilder hängt jetzt stolz an Idas Wohnzimmerwand.
Später fällt Ida noch ein weiteres, sehr emotionales Projekt ein, das während des ersten Lockdowns in der Schweiz während der Covid-19-Pandemie entstanden ist. Dabei handelt es sich um eine gezeichnete Reportage, für die sie mit Menschen in verschiedenen Umgebungen wie Einkaufsläden, Spitälern oder auch in einer Notschlafstelle gesprochen hat. So gewann sie eindrucksvolle Einblicke in das Leben von Menschen in verschiedenen Situationen. «Durch das Zeichnen, sowohl in diesem Projekt als auch im Allgemeinen, habe ich viele einzigartige Erfahrungen gemacht. Es ermöglichte mir, mit Personen zu sprechen, die ich sonst nie getroffen hätte, und Dinge zu hören, die mir sonst entgangen wären. Es ist nicht nur eine Beschäftigung zum Geldverdienen, sondern bereichert mein Leben und verändert meine Sichtweise darauf»

Diese 3 Arbeiten («Visible Vision», «Zuhause» und «Lockdown») und viele weitere sind auf ihrer Webseite www.idaillustration.ch zu finden.

Online-Präsenz

Die meisten Designer: Innen haben heutzutage eine Webseite für ihr Portfolio, einschließlich Ida. Wenn ihre Projekte veröffentlicht werden, ermöglicht ihre Webseite potenziellen Kund: Innen Einblicke in ihre anderen Arbeiten. Sie betrachtet ihre Webseite aber nicht unmittelbar als ein Werkzeug zur Selbstvermarktung. Die Mehrheit ihrer Aufträge stammt aus persönlichen Empfehlungen, ihrer Ausbildung oder ihrem eigenen Netzwerk.In den sozialen Medien präsentiert sie ihre Arbeiten bewusst nicht. Insbesondere auf Instagram verzichtet sie auf Beiträge, da sie darin keinen Mehrwert sieht. Zudem stellt sie sich die Frage des Copyrights. «Was will ich mit Social Media erreichen, was ist das Ziel? […] Ich finde, die Arbeit verliert ihren Wert, wenn man einfach immer alles postet. Ausserdem gefällt mir nicht, die Kontrolle darüber zu verlieren, wer meine Bilder kopiert oder weiterverwendet.»

Masterstudium an der ZHdK

Ida entschied sich für das Masterstudium mit dem klaren Ziel, später in der Animationsbranche zu arbeiten. Ihr Interesse an medizinischer Illustration und Animation führte zu einem Forschungs-Projekt, welches ihre Fähigkeiten weiterentwickelte und sie gut auf den Übergang in die Arbeitswelt vorbereitete. «Früher dachte ich, dass ein Masterabschluss für meinen beruflichen Erfolg nicht unbedingt erforderlich ist und es hauptsächlich auf ein beeindruckendes Portfolio ankommt – was grundsätzlich auch richtig ist. Das Master-Studium hat mir jedoch nicht nur ein gutes Projekt für mein Portfolio gegeben, sondern auch weitere technische Fähigkeiten vermittelt. Letztlich qualifiziert mich der Masterabschluss zusätzlich und kann bei Bewerbungen positiv hervorstechen. Wenngleich der Master keine zwingende Voraussetzung ist, hat er mich meinem Ziel näher gebracht»

Alltag und Projekte beim SRF

Im Verlauf ihres Masterstudiums stieß Ida auf die Ausschreibung von SRF und erkannte, dass diese Position perfekt ihren Interessen entsprach. Dank ihrer Erfahrungen aus früheren Anstellungen, darunter auch eine Tätigkeit als Grafikerin und Werbetechnikerin im Ausstellungsmanagement der Universität Zürich, sowie ihrem Studium erfüllte sie die erforderlichen Qualifikationen.

Ida ist derzeit in einer Vollzeitposition mit einem Pensum von 100% bei SRF angestellt. Das „Visual Design“ Team, dem sie angehört, besteht aus 25 Mitgliedern. Innerhalb des Teams herrscht eine positive Feedback-Kultur. Die Hintergründe der Teammitglieder sind vielfältig. Entscheidend ist vor allem das Verständnis für visuelle Erklärungen sowie das Interesse an Illustration und Grafik. Die Beherrschung technischer Fertigkeiten ist ebenso von Bedeutung, da der Umgang mit verschiedenen Programmen erforderlich ist. Ida hat die Aufgaben bei SRF in drei Hauptbereiche unterteilt:

  • «News»: Aufgaben für Nachrichtensendungen wie «10vor10» oder «Tagesschau», die meistens nicht länger als zwei Stunden dauern. Die Aufgaben umfassen u.a. die Erstellung von Diagrammen, Karten oder kurzen Erklärvideos.
  • «Content»: zweiwöchigen Projekten für Magazine wie «Puls» oder «Einstein», längere 2D- oder 3D-Animationen. Beispielsweise wurde kürzlich ein Video von ihr zum Thema Veneers auf Puls veröffentlicht (https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/veneers-bleaching- und-co—-der-hohe-preis-perfekter zaehne urn=urn:srf:video:a22e6fd5-54c4-47a3-bf15-48773a10ad21), oder eine 2D-Animation zum Thema Meditation. (https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/meditation— lebenshilfe-oder geldmacherei?urn=urn:srf:video:88cda97c-7455-4ec4 b666-17885710f1f4)
  • «Corporate»: längere Projekte für Erscheinungsbilder oder Intros von neuen Sendungen, wie «Neumatt», «Tschugger» oder «Kids-School».

Da SRF ein klares und konstantes Erscheinungsbild will, gibt es viele Stilvorgaben und Regeln. Die kreative Arbeit besteht in den Content-Projekten laut Ida mehr im Storytelling. «Was mir bei SRF gefällt, ist dass ich das umsetzen kann, was mich am Design am meisten interessiert – nämlich wie man einen Inhalt komprimieren und für eine spezifische Zielgruppe möglichst verständlich visuell aufbereiten kann. Ob ich dies mit einem Icon, einer Illustration oder einem 3D-Modell erreiche, erfordert logisches Denken und die Fähigkeit, Inhalte schnell zu erfassen und zusammenzufassen.»

Gerichtszeichnen als Herzensarbeit

Ida übt nicht nur ihren Beruf bei SRF aus, sondern widmet sich gelegentlich auch dem Gerichtszeichnen. Ihre Werke finden oft ihren Weg in Zeitungen wie dem „Tages-Anzeiger“. Die Leidenschaft für das Gerichtszeichnen entfaltete sich während eines Zeichenmoduls ihres Bachelor-Studiums. Das, was sie daran fasziniert, entspricht genau dem, was sie auch sonst am Zeichnen so interessant findet – die Beobachtung von Menschen und das Einfangen von Charakteren. «Als ich erstmals die Gelegenheit hatte, für eine Zeitung im Gerichtssaal zu zeichnen, ging für mich ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Die Spannung im Gerichtssaal, das Aufeinandertreffen verschiedener Welten und die faszinierenden Charaktere, die ich dort beobachte, schaffen eine einzigartige Szenerie. Das Zeichnen im Gerichtssaal empfinde ich als ein Privileg, denn die Leserinnen und Leser bekommen die Verhandlung ausschliesslich durch meine Perspektive zu sehen»

Ida präsentiert anhand mehrerer Beispiele ihre Gerichtszeichnungen und die damit verbundenen Geschichten. Besonders emotional und herausfordernd war der „Höhlenmord am Bruggerberg“, bei dem der Angeklagte den Gerichtssaal bereits nach 10 Minuten verliess. Glücklicherweise hatte Ida zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner Zeichnung begonnen und hatte ihn in groben Zügen erfasst. In einem anderen Fall waren gleich 16 Angeklagte im Gerichtssaal, was sie anfangs völlig überforderte. Zu Beginn wusste sie nicht, wo sie ansetzen sollte, aber schlussendlich hat sie die Herausforderung erfolgreich gemeistert.

Zum Abschluss gibt Ida Ratschläge für angehende Gerichtszeichner:innen. Sie hebt hervor, dass Übung, sorgfältige Beobachtung und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen entscheidend sind. Insbesondere bei Live-Zeichnungen, im Gegensatz zu Arbeiten nach Fotos, ist die Fähigkeit zur Priorisierung von großer Bedeutung.

 


Ich möchte mich herzlich bei Ida bedanken für das inspirierende Gespräch und die spannende Tour bei SRF. Ihre Einblicke und die Möglichkeit, den Arbeitsprozess hautnah zu erleben, waren äußerst bereichernd.