Billig-Felco: nutzlos oder preisgünstig

Liebe auf den ersten Blick

Eine Tiefziehfolie, ein Bostitch auf jeder Seite und ein Karton bilden die Verpackung der sogenannten Baumschere. Die Informationen auf der Vorderseite sind recht karg. Lediglich der Name in den drei Schweizer Landessprachen, Die Grösse der Schere und ihr Strichcode sind vermerkt. Es lässt sich schon ahnen, dass die Baumschere nichts Grosses erstrebt. Der Schrei nach Billigprodukt hallt aus jeder Ungenauigkeit der Verpackung und dies so klar, dass ich es bereits wieder sympathisch finde.


Was bin ich?

Verpackungsbeschrieb – Klassische Gartenschere mit gehärtetem und antihaftbeschichtetem Obermesser, die zusammen mit den gekröpften Vollaluminiumgriffen und dem geneigten Schneidekopf optimale Ergonomie und ermüdungsfreies Arbeiten bei hoher Festigkeit und geringem Gewicht gewährleistet. Die Griffbeschichtung ist angenehm und rutschfest. Dank der ausgeklügelten Technik und des gelenkschonenden Gummipuffers schneiden Sie frische Äste, bis ca. 19mm Durchmesser, bevorzugt in einem Winkel von 45° zur Längsachse, kraftsparend, präzise und sauber. Zum Schneiden von Metalldrähten mit geringem Durchmesser verfügt die Gartenschere über eine dafür geeignete Aussparung am Obermesser. Mit massivem Einhandsicherheitsverschluss, für Rechts- und Linkshänder geeignet. Regelmässiges Säubern und Ölen erhöht die Lebensdauer Ihres hochwertigen Werkzeugs.

  • Name:  ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀ Baumschere 205mm
  • Marke: ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀ Landi Eigenmarke
  • Dimensionen: ⠀  ⠀⠀⠀⠀⠀   215mm länge, 73mm breite, 27mm höhe
  • Gewicht: ⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀   210g
  • Preis:    ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀3.50CHF
  • Schnittdurchmesser:        19mm


Wie sehe ich aus?

Die Innenflächen der Griffe bilden einen Hohlraum, welcher die Form trotz seiner harten Materialien sehr leicht wirken lässt. Die Aussenseite der Griffe sind ebenfalls sehr ergonomisch und schmiegen sich an die durchschnittliche Hand eines Rechtshänders. In der breitesten Stelle ist die glänzende Feder zwischen zwei Noppen eingeklemmt. Zugleich dient die zum Griff gerichtete Fläche als Schutz für die Hand. Der vordere Drittel wirkt im Gegensatz zur dynamischen Grifffläche sehr technisch, eckig und massiv. Der Drehpunkt ist der höchste und somit Auflagepunkt, welcher als Zentrum der Schere wahrgenommen wird. Er ist auf beiden Seiten konkav gekrümmt und durch Farbe und Material äusserst stabil. Die Vorderseite der Drehachse ist zudem von einem Zahnschnitt umgeben. Dieser markiert die Seite klar als Vordere und dient als Kalibrierung der Klingen. Die Klingen verlaufen zuerst parallel und schwingen danach beide nach unten. Der Hebel unterhalb  der Drehachse kann mit dem rechten Daumen verschoben werden.


Bin ich unnütz oder preisgünstig?

Der Preis von 3.50CHF gliedert die Baumschere in das unterste Preisklassement ein. Doch widerspiegelt der Preis die Herstellungskosten oder wollte Landi lediglich den Markt des Tiefpreissegmentes mit einem Produkt decken?

Gebrauch – Die Baumschere lässt sich intuitiv gebrauchen, nicht zuletzt durch die bereits bekannte Formgebung. Sowohl kleinere, wie auch grössere Hände erreichen jedes Bedienelement ohne Verwendung der zweiten Hand. Die ergonomisch geformten Henkel und die rutschfeste Oberfläche generieren einen festen Griff. Durch die raue, rutschfeste Oberfläche büsst die Schere an einem anderen Ort ein. Bei längerer und intensiver Verwendung wird durch die hohe Reibung die Haut gereizt.

 

 

Ungenauigkeiten – Einige Details lassen ein billiges Herstellungsverfahren erahnen. Wichtig war den Herstellern die Ungenauigkeiten auf den ersten Blick zu verschleiern und nur die zuerst Sichtbaren Elemente zu verschönern.

  1. An dem Abschluss der gummierten Griffe erkennt man die Weise, wie das Stück hergestellt wurde. Durch das Eintauchen in eine flüssige Gummimasse wurde das Material auf die Aluminiumgriffe aufgezogen. Am Ende sieht man die Ungenauigkeit in der Herstellung. Die Enden laufen zu einem kleinen glatten Tropfen aus, der dadurch eine andere Formsprache wie der Rest aufweist. Dadurch ist zu vermuten, dass diese Auffälligkeit dem billigen Herstellungsprozess zu verschulden ist.
  2. Die Noppen, über welche die Feder gestülpt wird, sind auf der einen Seite voll und auf der anderen nur halb mit dem Gummi überzogen –  eine klare Ungenauigkeit. Man kann vermuten, dass irgendwann der Gummi spröde wird und durch das häufige reiben der Feder abbröckeln wird.
  3. Der Finish des gehärteten Stahls ist auf den verschiedenen Flächen, unterschiedlich ausgeprägt. Die Vorderseite, auf die der Blick zuerst fällt, ist glänzend geschliffen, die Unterseite jedoch noch roh und unverarbeitet.
  4. Die Klinge wird durch öfteres verwenden schnell abgenützt. Die Farbe verschwindet und Hicke bilden sich.
  5. Durch das zu weite Drehen des Arretierhebels kann die Schere blockiert werden. Eine Schraube die auf der gleichen Höhe, wie der Hebel ist, kann zu einer Kollision führen

 

Härtetest – Durch mehrmaliges Rausschmeissen der Schere aus der Ebenen 4 des Toni-Areales wurde die Lebensdauer analysiert. Der Fall auf eine Steinplatte wird bei dem Test imitiert und durch die übermässige Höhe, die Stabilität strapaziert.

Der Härtetest zeigte, dass die aus soliden Metallteilen bestehende Baumschere mehr aushällt, als der Preis von 3.50CHF erahnt. der Falltest lockerte lediglich die Schrauben und hinterliess nur kleine Schürfspuren an dem Gummi. Beim auseinandernehmen der Schere, um sie genauer zu untersuchen, entdeckte man, dass die Schrauben mitgenommen waren. Sie stellen grundsätzlich die einzige grosse Schwachstelle der Schere dar. Ihr weiches Metall hat sich durch die Aufprälle verzogen und das Schraubenprofil teils flachgedrückt. Zudem wurde der Schraubenkopf durch mehrmaliges auf und zudrehen der Schraube beansprucht. die Kreuzkerbe leiert allmählich aus, was ein baldiger Austausch der Schrauben bedeutet.


Ich sehe ja so aus wie der rote Kerl

Die Ähnlichkeit zu den klassischen Falcoscheren ist unbestreitbar. Der geschwungene Griff, die in schwarz gehaltene Mechanik, die Form der Schneiden und die Feder, jedes Teil wurde klar der dem Klssiker nachempfungen. Als einzig grosser Unterschied bemerkt man den grösseren Arretierhebel und die schwarze und nicht wie beim Original silberne Schneide. Ausserdem haben die Schrauben eine klassische Kreuzschrauben-Charakteristik, wobei die der Felco höchstwahrescheinlich für ihre Scheren selbst entwickelt wurden. In zwei der drei Unterschieden liegen auch die Nachteile des billigeren Imitats. Die Schneide wird schnell stumpf und die Farbe verschwindet, ausserdem haben die Schrauben eine zu minderwertige Qualität, um sie mehrere Male anzuziehen. Der Arretierhebel hat jedoch einige gute Ansätze. Dadurch dass er grösser gestalten ist, ist er griffiger und für mehrere Handgrössen leichter bedienbar, nur durch zu weites drehen besteht die kleine Möglichkeit, dass er mit der anderen Mechanik kollidiert.

 


Bin ich es nun wert?

Für das was sie sein soll ist die Baumschere dementsprechend gut. Mit einem Preis von lediglich 3.50CHF spricht sie Nutzer an, die eine Gartenschere womöglich nur wenige Male im Leben benutzen müssen oder nur unmittelbar. Dieser Beanspruchung kann sie gut standhalten und sie genügend gut meistern. Denn sie ist für mehrere Handtypen bedienbar, sie kann Äste bis 19mm schneiden, sie hat einen angenehmen und festen Grip und was am herausragendsten ist, ihr Preis von 3.50 ist unschlagbar.

 

 


One reply on “Billig-Felco: nutzlos oder preisgünstig”

  1. Franziska Nyffenegger on

    Der Preis ist ja echt krass! – Hast du etwas dazu herausgefunden, wo diese Schere hergestellt wird? – Irgendwie täte einem ja schon interessieren, wie sowas derart billig produziert werden kann. Hat die gegenüber dem „roten Kerl“ etwas plumpere Anmutung etwas damit zu tun? – Die persönliche Tonlage und die Titel in Frageform gefallen mir!