Performative Recherche im Stadtraum Zürich zu der Frage „Was is(s)t Zürich?“
In der Woche vom 19. zum 23. September 2011 haben wir an verschiedenen Plätzen in Zürich – in der Seefeldstrasse, am Marktplatz in Örlikon, am Bahnhof Wiedikon, in der Langstrasse und am Züghusplatz – einen Ort kreiert, der zum Verweilen einlädt, an dem wir eine Suppe gegen ein Gespräch getauscht haben, um mit den Menschen über ihre Stadt zu diskutieren und nach Rezepten für Zürich zu forschen.
Zwischen 12 und vierzehn Uhr haben wir an einem typischen Zürcher Marktstand zu Tisch gebeten und Suppe und Brot gereicht, während die Mittagstischteilnehmer mit Frank Rieniets darüber diskutiert haben, ob Zürich mit Konfekt, Haute Cuisine oder Sushi zu vergleichen sei, ob man es mit den Begriffen Ratatouille oder Tutti Frutti beschreiben könne oder doch eher eine Fastenkur mit Brot und Wasser anzuraten wäre. Tim Rieniets hat diese Gespräche direkt live in visuelle Maps über die Beschaffenheit Zürichs transformiert. Zeitgleich hat Imanuel Schipper in Zweiergesprächen die vorbeikommenden Passanten über Zürich interviewt und die Rezepte der Bürger auf Video archiviert.
Präsentation der Forschungsergebnisse im Rahmen der Stadtinstallation „Alles muss Weg – 9 Tage urbaner Ausverkauf“ im Schiffbau
Eine Woche später haben wir die Erfahrungen und Erlebnisse von unserer performativen Stadtraumforschung „Was is(s)t Zürich?“ im Rahmen der Stadtinstallation „Alles muss raus – 9 Tage urbaner Ausverkauf“ im Schiffbau des Schauspielhauses Zürich als performative Marktinstallation präsentiert.
An vier verschiedenen Ständen konnten die Besucher am 29.9.2011 die in der vorigen Woche gesammeltem Rezepte in einem Rundlauf erleben: So wurden an einem Stand Sushi, Ratatouille, Konfekt, Brot, Berliner und Quartiergeist verköstigt, an einem anderen das Gesprächsformat der Mittagstische live miterlebt, am dritten ein eigener Beitrag zum Videoarchiv erstellt und an einem vierten die visuellen Maps der gesammelten Rezepturen diskursiv rezipiert. Zwischen jeder Runde haben sich Zürich-Experten aus verschiedenen Disziplinen à la speaker‘s corner auf ein Podest in der Mitte der kreisförmig angeordneten Marktstände geschwungen und Input in den öffentlichen Raum gegeben: Meret Schlegel (Choreografin, Tanzhaus Zürich) hat über die Frage nachgedacht, wie sich Zürich bewegt, Clemens Bellut (Philosoph, ZHdK), wie sich Zürich andenken lässt, Lino Sibelius (Leiter Haus der Farben), welche Farbe Zürich hat, Jens Badura (Philosoph, ZHdK), was Zürich ist, Simon Keller (Projektleiter für gesamtstädtische Strategien im Team Stadt- und Quartiersentwicklung der Stadt Zürich), was Zürich sein könnte und Ray Herlitz (Gastronom), was Zürich speist. Gemeinsam haben wir am Ende des Rundlaufs die auf Video archivierten Rezept angesehen.
Nächtliche Forschungssalons begleitend zum Festival Ciudades Paralelas
An sieben Abenden fanden im Festivalzentrum im Schiffbau Forschungssalons und öffentliche Gespräche statt. Gäste aus der Wissenschaft und Kultur trafen auf die Künstler von Ciudades Paralelas, tauschten ihre Eindrücke und Gedanken zu den eben besuchten Orten aus und erörterten diese spezielle Form der Theatervorstellung.
24.6. Lukas Bärfuss (Autor, Schauspielhaus Zürich) und Nikolaus Müller-Schöll (Theaterwissenschaftler, Uni Hamburg) sprechen mit Mariano Pensotti und Ligna
25.6. Martin Burckhardt (Philosoph, Berlin) und Christopher Dell (Musiker und Improvisationstheoretiker, Darmstadt) sprechen mit Christian Garcia
27.6. Andres Bosshard (Klangforscher und -komponist, Züruch) und Philip Ursprung (Kunsthistoriker, ETH) sprechen mit Ant Hampton
28.6. Christopher Henning (Philosoph, Uni St. Gallen) und Clemens Bellut (Philosoph, ZHdK) sprechen mit Gerardo Naumann
29.6. Jens Badura (Philosoph, ZHdK) und Angeli Janhsen (Kunsthistorikerin, Uni Freiburg) sprechen mit Ligna und Lola Arias
30.6. Georg Christoph Tholen (Medien- und Kunstwissenschaftler, Uni Basel) und Patrick Primavesi (Theaterwissenschaftler, Uni Leipzig) sprechen mit Dominic Huber
1.7. Miriam Drewes (Theaterwissenschaftlerin, LMU, München) spricht mit Stefan Kaegi
Interdisziplinärer Workshop
Einen Workshop für Studierende der ETH und ZHdK aus verschiedenen Fachrichtungen boten Tim Rieniets und Gabriela Muri für das Sommersemester 2011 an, der die Studierenden darauf vorbereiten sollte, an ausgewählten Stadtraum-Interventionen von Ciudades Paralelas mittels empirischer Forschungsmethoden Informationen zu sammeln, um Fragen zu beantworten wie: Könnten Stadtraum-Interventionen gezielt eingesetzt werden, um öffentliche Räume in der Stadt aufzuwerten? Welche Interventionen wären am besten dafür geeignet? Und wie müssten städtische oder architektonische Räume beschaffen sein, damit diese Interventionen ihre Wirkung entfalten können?
Laboratorium Szenografie
„Rem Koolhaas & Bernhard Tschumi. A Conversation moderated by Stephan Trüby with an introduction by Marc Angélil and Philip Ursprung.“ So der Titel des von Stephan Trüby moderierten Gespräches zwischen den zwei Ikonen des performative turns in der Architektur.
Am nächsten Tag diskutierten wir in einem Workshop innerhalb des MAS Spatial Design (ZHdK) mit Impulsreferaten von Imanuel Schipper (Projektleiter Re/Okkupation), Anne Kockelkorn (gta/ETH), Hannes Mayer (Archithese) und Johanna Dangel (wissenschaftliche Mitarbeiterin Re/Okkupation) zu site-specific theater und performative turn.