These 7 | Prekäre Erfahrungen

Wo das Risiko einer räumlichen Täuschung, eines Eingeschlossen- oder Ausgeschlossenseins besteht, wo wir uns unberechtigt in Räume vorwagen oder eine plötzliche Begegnung mit dem Unerwarteten oder Bedrohlichen eintritt, werden räumliche Erfahrungen für uns prekär.

Prekäre Erfahrungen machen wir, wenn etwas zum Vorschein kommt, das eigentlich im Verborgenen bleiben soll. Damit einher geht eine – oft nur minimale – Verschiebung von Schwellen: vom Unsichtbaren zum Sichtbaren, vom Unhörbaren zum Hörbaren. Physische Grenzen und Grenzen der Wahrnehmung verwischen sich, werden unsicher, unzuverlässig, riskant. Wir drohen die Kontrolle zu verlieren. Wir bemerken, dass wir eine räumliche Wirklichkeit unterschätzt haben. Erst wenn wir uns in einer unausweichlichen Situation befinden, bemerken wir, dass wir mit der jeder räumlichen Wirklichkeit innewohnenden Dimension des Prekären nicht gerechnet haben. Schrecken stellt sich ein. Wir verlieren den Boden unter den Füssen. Uns interessiert, wie sich das Prekäre in räumlichen Situationen zeigt. Hier sind Beispiele aus unseren Videointerviews:

Riskante Einschätzungen
Stockfinstere Nacht | Roman + Bruno | Seebad Ich setze mich ins Bild | Besteigung des KKL | Huth & Frey | KKL Öde Orte | Orte meiden | Die Augen abwenden Es gibt Räume, die ertrage ich nicht, weil sie ganz anonym sind. Sie sind zwar von Menschen gestaltet. Man spürt, sie lieben vielleicht nichts oder vielleicht etwas, das ich nicht kenne. Dann strahlen diese Räume für mich Erschreckendes aus. | Irma Ineichen | Nationalquai Déjà vu Jedes Mal, wenn ich hier in der Nacht durchgehe, habe ich das Gefühl: Hier bin ich schon gewesen. Aber nicht, weil ich schon hier gewesen bin, es ist ein ganz anderes, fast unerklärliches Gefühl – wie ein Déjà vu. Es ist wichtig, dass es Nacht ist, weil die Berge im Schatten sind. | Ohne Geländer | ‚Livingroom’ unter Wasser | Judith Albert | Nationalquai Leben zwischen zwei Türen Eine Geschichte, die möglicherweise zutrifft. Was waren das für Leute, die ins Hotel Schweizerhof gekommen sind, selbst noch in den vierziger Jahren? Leute aus Gegenden, wo die Sklaverei üblich gewesen ist, wo man den Hausdiener dabei hatte. Und das ist die Geschichte: Wenn man diese Hotelzimmertür öffnete, hatte es einen kleinen Zwischenraum, und dann eine zweite Tür. Und der für seine Herrschaft zuständige Laufbursche schlief zwischen den Türen in jener Zeit! | Jürg Stadelmann | Hotel Schweizerhof Eine Adresse für gewisse Fälle In diesem Raum ist alles kontrolliert. Selbstverständlich im Verlauf der Jahre denkt man sich: „Aha, da ist eine Person, die hat ein zweites Postfach. Die hat zu Hause einen Posteingang, und offensichtlich kommen da noch gewisse Dokumente nicht mit der normalen Post rein.“ Aber das sieht man sich an und geht zur Tagesordnung über. | Anonyme Briefe | Judith Stamm | Postfach *Ort eines intensiven Schauspiels | *Kein Ort zum Wohnen | *Aufwühlend | *Bedrohliche Ruhe | Stanislaus von Moos | Reusswehr

Das Riskante des Blicks
Einfangen Eigentlich sollte man als Berufsfotograf soweit sein, dass man das, was man meint einfangen zu können, auch einfängt. Was aber passiert, wenn man sich zu sehr verliebt in einen Gegenstand oder in eine Person, die man abbildet? Dass man sie zu schön, zu überhöht wahrnimmt und das auf der Fotografie nicht wieder antrifft. | Georg Anderhub | Nationalquai Zeit und Distanz Ich gehe von einem Bild weg, dann geh ich wieder zum Bild, schaue: Hat es eine Wirkung oder hat es keine? Manchmal stelle ich mir vor, es hat eine Wirkung. Zwei Monate später denke ich: keine Ausstrahlung. Dann muss ich wieder von vorn beginnen. | Irma Ineichen | Nationalquai Bis wohin reicht das Bild? | Thea Brejzek | The Hotel

Unsichtbare Lücken, Schwellen, schwankende Böden
Natur vom Reissbrett | Jürg Stadelmann | Kantonsschule Grenzübergänge, Orte der Reibung | Besondere Stellen im Raum Es gibt einen Ort in Obwalden, dort läuft es mir immer kalt den Rücken herunter. Ein Ort, wo ich extrem ungern bin, wo ich das Gefühl habe, da ist sicher mal was ganz Schlimmes passiert. Schichten eines Ortes, die mal mehr, mal weniger erfahrbar sind. | Judith Albert | Nationalquai

Verlust, Verdrängung
Was nicht mehr sein wird | Unwiederbringlicher Verlust | Andy Raeber | Reusswehr Eine Atmosphäre, die eine andere vergessen lässt Ein sehr spannender Ort, der vergessen lässt, dass das Hotel Schweizerhof nur einer ganz kleinen Elite vorbehalten war, die sich oft auf Kosten der grossen Allgemeinheit – das Geld kam ja oft aus dem Imperialismus – die Sonnenseiten des Lebens organisieren konnte. | Vordereingang, Hintereingang | Jürg Stadelmann | Hotel Schweizerhof Ernüchternd Wir kennen das ernüchternde Gefühl, dass uns etwas ganz stark anrührt und wir plötzlich eingetaucht sind in eine magische Atmosphäre – die Person neben uns aber nicht. Ziemlich irritierend, aber sehr real. Das gehört auch zum Atmosphärischen. Das Atmosphärische ist nicht unbegrenzt teilbar. Das ist auch das Idiosynkratische am Begriff der Atmosphäre, das ich immer verteidigen würde. | Valentin Groebner | Giftshop Casagrande An Architecture of Dialogue? We are easily introduced into a dialogue because we know the backgrounds of the hotel, we know the architect, we know the filmstills that are shown on the ceiling, our eye has been trained for this kind of architecture, and we belong to this cultural elite that has the great opportunity to afford a room in such a hotel. What happens when this connection is not established? When you feel excluded from this type of architecture? | Marc Angélil | Sarah Graham | The Hotel

Betrug | Attrappe | Täuschung
Attrappe | Sieht-so-aus-wie-Lüge | Ein Fall für Melide | Andy Raeber | Reusswehr Sichtbares, Unsichtbares | Sich zeigen, sich verbergen | Irgend etwas stimmt nicht Wenn ich vor dem Löwendenkmal in Luzern stehe, schmunzle ich immer, weil ich weiss, dass hinter diesem Löwen ein Bunker ist. Und dass dieses Löwendenkmal vor einem Kulturschutzraum steht. Und da ich das weiss, wird dieser Raum für mich zu etwas anderem, als wenn ich das nicht weiss und nur von der bombastischen Inszenierung dieses Ortes ausgehe. | Jürg Stadelmann | Kantonsschule Klopfprobe | Jürg Stadelmann | Hotel Schweizerhof

Wiederholung
Fast erschreckend Ich habe eine Situation einmal wiedergefunden, die war fast erschreckend. Ich hatte eine Concierge in einem Haus, nach ungefähr zwanzig Jahren bin ich dort vorbeigegangen, bin ins Haus gegangen, in den Hof, und da stand die Concierge einfach wieder im Garten. Ich habe diese Situation fast wieder verlassen müssen, das war ja fast wie eine Wiederholung. Erschreckend. | Irma Ineichen | Nationalquai