Einleitung

StadtLabor Luzern hat in einem Zeitraum von zwanzig Monaten Erfahrungen mit atmosphärischen Wirkungen architekto­nischer Objekte und städtische Räume erforscht. Bei der Beschreibung von Orten, Objekten und Räumen verlässt man sich ja in der Regel auf metrisches Vermessen, auf historische, kunstwissenschaftliche, technische und andere Informationen. Doch was ist es, das darüber hinaus unsere körperliche, emotionale, mentale, imaginative Erfahrung im Raum bestimmt?

Ziel des Projekts war, den theoretisch unscharfen, jedoch in der praktischen Erfahrung mit Architektur und städtischem Leben immer wieder auftretenden Begriff Atmosphäre in Videointerviews präziser zu fassen. In ihren Ausführungen entfalten 29 Experten über 700 Aspekte des Atmosphärischen. Sie sprechen darüber welche Wahrnehmungen und Erfahrungen sich anhand konkreter Orte, Objekte und Räume aufdecken und formulieren lassen wie atmosphärische Wirkungen zustande kommen und wovon sie abhängen wie sich alltägliche räumliche Komplexität – die Überlagerung realer und mentaler, geschichtlicher und gestalterischer Schichten – lesen und interpretieren lässt.

StadtLabor Luzern zielt nicht auf Vollständigkeit oder eine abschliessende Darstellung, sondern auf eine Sammlung exemplarischer Fälle, die Kriterien für atmosphärische Wirkungen liefern.

StadtLabor Luzern möchte das fachliche wie fächerübergreifende öffentliche Gespräch über architektonische und städtebauliche Interventionen beleben, neue Spielräume für Lesarten des Räumlichen, aber auch für Entwurfs- und Inszenierungsmöglichkeiten schaffen und so die Kultur der Wahrnehmung und Gestaltung räumlicher Erfahrungen erweitern. Das Projekt will damit einen Beitrag leisten zu einer affektiven Kultur alltäglicher Raumerfahrungen.

StadtLabor Luzern hat seine Resultate im Herbst 2008 in einer promenade urbaine präsentiert: 31 Videointerviews an 17 Stationen in der Stadt. Architekten, Historiker, Filmemacher, Künstler, Kunstwissenschaftler, Denkmalpfleger und andere ‚Fachleute des Hinsehens’ sprechen über ihre individuelle Sicht von architektonischen Objekten und städtischen Räumen, reflektieren ihre Wahrnehmungen an prominenten wie verborgenen Orten der Stadt, äussern sich zu ihren eigenen theoretischen und ästhetischen Analysen, Konzepten und Erfahrungen, gehen Spuren der Erinnerung nach.

StadtLabor Luzern. Die hier vorgelegten sieben Thesen, die ihnen zugeordneten Themenfelder und die Belegstellen aus den Videointerviews sind Ergebnis der zweiten Auswertungsstufe. Ziel der ersten Stufe (Videointerviews) war die Aufspaltung des komplexen Begriffs ‚Atmosphäre’ in möglichst viele, präzis entfaltete Argumente, die mit Hilfe einer inhaltlichen Schnitttechnik in den Zwischentiteln der Videos bezeichnet sind. Etwa 10 Prozent von ihnen sind den Thesen hier zugeordnet. Dieses Booklet ist zugleich eine Anleitung für die dritte Stufe der Auswertung, die wir hiermit in die Hände der Leserinnen und Leser legen.