Künstlerische Forschung wird in der Regel als Folge der europäischen Hochschulreformen, welche Forschung als Teil der primären Funktion der Kunsthochschulen definieren, betrachtet. Die Künstlerische Forschung unterscheidet sich von wissenschaftlicher Forschung und von allgemeiner Kunst dadurch, dass sie eine konkrete Fragestellung durch einen individuellen methodischen und erkenntnistheoretischen Ansatz verfolgt. Die Art der Präsentation von Künstlerischer Forschung fällt unterschiedlich aus: Sie kann in der künstlerischen Darstellungsform erfolgen und etwa zusätzlich durch einen Begleittext, der das spezifische Vorgehen dokumentiert, präsentiert werden. Es ist jedoch auch möglich, Künstlerische Forschung ohne Kommentartext zu präsentieren und somit den Arbeitsprozess nicht sprachlich darzustellen. (Caduff et al. 2010).

Die Diskussion um die Künstlerische Forschung hat sich zu Beginn der 1990er Jahre an Kunsthochschulen vor allem im Design und der visuellen Kunst etabliert, wird mittlerweile jedoch auch in den Bereichen Theater, Tanz, Film und Musik geführt. Im deutschsprachigen Raum findet gegenwärtig eine Debatte zur Entwicklung und Einführung von Doktoratsprogrammen an Kunsthochschulen statt. In skandinavischen und englischsprachigen Ländern sind diese bereits etabliert. Jüngst ist Kritik an einer fortschreitenden Institutionalisierung der Künstlerischen Forschung laut geworden. Tom Holert (2011) befürchtet eine hegemonial operierende Version der Künstlerischen Forschung und plädiert für alternative Herangehensweisen.

Die Entfaltung von Künstlerischer Forschung ist nicht nur Verschiebungen von bildungspolitischen Entscheidungen geschuldet, sondern resultiert ebenso aus Entwicklungsprozessen der zeitgenössischen Kunstpraxis. Mithin wird die klare Gegenüberstellung von Praxis und Theorie allgemein in Frage gestellt (Bippus 2010). Darüberhinaus hat der zeitgenössische Begriff der Künstlerischen Forschung seine Wurzeln in einer seit Jahrhunderten existierenden forschenden Kunstpraxis. Beispielsweise haben bereits Goethe oder die Pointilisten versucht, Wissenschaft(en) oder wissenschaftliche Arbeitsweisen in ihre Kunst zu integrieren (Caduff et al. 2010).

Der Begriff der Künstlerischen Forschung steht in diesem Sinne für unterschiedliche Ansätze von Forschung an Kunsthochschulen, die von KünstlerInnen ausgeführt wird, oder Forschung als Kunstpraxis, deren erklärtes Ziel es ist, bestimmtes Wissen oder Bewusstseinshorizonte zu erweitern. Künstlerische Forschung wird demnach von KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen im Feld sehr unterschiedlich definiert. Es besteht allerdings unter den Exponenten der Künstlerischen Forschung ein Konsens darüber, diese verschiedenartigen Spezifizierungen beizubehalten und einer zu eingeschränkten Begriffsbestimmung zu widerstehen (Klein 2010).

 

Literatur

Bippus, Elke: Die epistemische Praxis Künstlerischer Forschung. In: Gegenworte, Vol. 23, Berlin 2010, S. 21-24.

Bippus, Elke (Hg.): Kunst des Forschens: Praxis eines ästhetischen Denkens. Zürich, Berlin 2009.

Borgdorff, Henk: The Debate on Research in the Arts. In: Sensuous Knowledge: Focus on Artistic Research and Development, Vol. 2, 2006.

Caduff, Corina; Siegenthaler, Fiona; Wälchli, Tan (Hg.): Art and Artistic Research/Kunst und Künstlerische Forschung. Zürcher Jahrbuch der Künste Vol. 6, Zürich 2010.

Dombois, Florian; Bauer, Ute Meta; Mareis, Claudia; Schwab, Martin (Hg.): Intellectual Birdhouse. Artistic Practice as Research. London 2012.

Holert, Tom: Künstlerische Forschung: Anatomie einer Konjunktur. In: Texte zur Kunst, Vol. 82, 2011, S. 38-63.

Klein, Julian: Was ist Künstlerische Forschung? In: Gegenworte, Vol. 23, Berlin 2010, S. 24-28.

Lesage, Dieter; Busch, Kathrin (Hg.): A Portrait of the Artist as a Researcher. Antwerpen 2007.

Rey, Anton (Hg.): Künstlerische Forschung: Positionen und Perspektiven. Zürich 2009.

(vr)


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