Der Sinn einer allzuwenig sinnigen Welt

Simon Frey


Wer mit offenen Sinnen durch eine Stadt wie Zürich geht, nimmt eine Vielzahl von Eindrücken aus der Umgebung wahr. Die Daten, die über Nase, Auge, Ohr und Haut in uns strömen, fliessen im Bewusstsein zusammen und ergeben ein Abbild der Aussenwelt. Dabei wird das Spiegelbild in unserem Kopf unablässig von inneren und äusseren Faktoren geprägt: Je nach Standort und eigener Verfassung, abhängig von Uhrzeit und Wetter, nehmen wir anders wahr. So entstehen von der Welt kaleidoskopische Momentaufnahmen, die sich ständig wandeln – das wahrgenommene Bild der Stadt ist niemals starr, sondern jeden Augenblick in Bewegung, flimmernd, fluid und pulsierend wie das eigene Bewusstsein …

Simon Frey versteht Der Sinn einer allzuwenig sinnigen Welt als «Angebot zum Innehalten, um Zeit und Raum zu reflektieren und neu zu bewerten». Mit der Bereitstellung von Situationen in verschiedenen Stadtgebieten bietet er den Menschen Gelegenheit, sich ihres Bewusstseins gewahr zu werden. Seine Arbeit lädt dazu ein, an drei Standorten in Zürich die eigene Wahrnehmung zu reflektieren. Die Teilnehmenden können hierbei in wechselnden Körperstellungen ihr Denken, Hören und Fühlen für eine bestimmte Zeit ins Zentrum der eigenen Achtsamkeit rücken. So werden die Rezipierenden eingeladen, an der Konradstrasse «gehend zu denken», beim Röntgenplatz «sitzend zu hören» und schliesslich auf der Hardturmbrache «stehend zu fühlen». Bei diesen drei vorgeschlagenen Paarkombinationen passiert vieles, sagt Simon Frey: «Ein Spaziergang ordnet die Gedanken, sitzend erzeugt man wenig Eigengeräusche und ist entspannt, und im Stehen lässt sich der ganze Körper fühlen.»

«Es ist ein Experiment», sagt Simon Frey über sein Werk, das sich vielleicht am besten durch seinen maximalen Minimalismus definieren lässt: Ausser den Standorten und den entsprechenden Reflexionseinladungen werden weder Materialen eingesetzt noch zusätzliche Anweisungen gegeben. Vollendet ist das subtile Werk nicht eher als in den Momenten des performativen Mitmachens durch die teilnehmenden Personen: Erst mit der Umsetzung der vom Künstler vorgeschlagenen Selbstbetrachtung gelangt die Arbeit zu ihrer Entfaltung. So werden die TeilnehmerInnen zu Mitwirkenden und ihre Wahrnehmung zu einem integralen Teil seines Werks. Simon Frey stellt mit der vorliegenden Arbeit gewissermassen die Baupläne von geistigen Raumzeiten zur Verfügung: Es sind Möglichkeiten, die ihr Potential erst im Moment der Auseinandersetzung mit ihnen und im individuellen Bewusstsein aktivieren.

Florian Binder