< Prof. Rolf F. Nohr >

Nützliche Bilder. Die Produktion von Bildwissen

 

(1) Pedoskop – Röntgengerät zur Überprüfung der Passform von Schuhen. In R. Nohr (2014), S. 311. Aus: Norbert Lossau (1995): Röntgen: Eine Entdeckung verändert unser Leben. Köln vgs, S. 94.
(2) Die  erste Nahaufnahme des Mars. Fotos aufgenommen von der Sonde Mariner 4, Frame 01D, 1965.
(3) Blaue HIV Viren attackieren eine Immunzelle. derStandard.at, 2005.

 

Abstract

Ein aktuell vielbeschworener und -diskutierter Begriff ist der der Evidenz. Ein Bild wird zur Wahrheit, weil es ein Bild ist; eine Aussage wird zur objektiven Aussage, weil sie sich bestimmter Konventionen zu bedienen weiß. Interessant erscheint die Frage, warum und unter welchen Prämissen und strategischen Zielen wir uns mit dem Begriff und Phänomen der Evidenz beschäftigen. Ziel des Vortrags ist es daher weniger, einen konsistenten Begriff der Evidenz vorzuschlagen, sondern anhand einer Art Ad-hoc-Näherung Probleme der Definition der (bildlichen) Evidenz aufzuzeigen, daraus resultierende Fallstricke zu skizzieren und resultierend zu versuchen, diese Näherung weiter zu präzisieren (ohne sie jedoch abschließen zu können). Daher will der Vortrag anhand zweier Fallbeispiele die Genese solchen Bildwissens unter dem Oberbegriff der nützlichen Bilder reflektieren.

Mit nützlichen Bildern bezeichne ich zunächst Bilder in (medialer) Zirkulation. Gemeint sind – spezifische – funktionale und funktionalisierbare Bilder, die davon geprägt sind, dass sie in einer spezifischen Weise als wahr verstanden werden. Ich möchte vorschlagen diese vorrangig über ihre Medialität, ihre diskursive Eingebundenheit, aber auch ihre technische und repräsentationspolitische Funktionalität zu begreifen. Dieser Aspekt soll mit einem kurzen Exkurs zur (apparativen) Herstellung der Sichtbarkeit des Mars thematisiert werden.

Als ein dialektisches Gegenüber zu den apparativen Bildern der Astronomie soll in einem zweiten Exkurs kurz auf die Konjunktur(en) der Bildfigur des Viralen abgehoben werden. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Beobachtung eines virulenten Diskurses innerhalb populärkultureller Formationen, die sich mit Mikrostrukturen wie dem Viralen, dem Bakteriellen oder allgemein: mit dem Mikroskopischen auseinandersetzen. Kinofilme, Fernsehserien oder Romane thematisieren die Angst vor und den Kampf gegen einen mikroskopischen und unsichtbaren dezentralisierten und rhizomatischen Feind. Diesen Feind, dieses Andere möchte ich umfassen mit dem Begriff des Viralen.

Die Frage nach nützlichen Bildern in der populären/medialen Kultur wird somit als eine Frage danach gestellt, wie Wahrheiten, Wissen, Ordnungen oder Historizität jeweils ausgehandelt werden und welche Rolle Medien darin spielen. Die Frage nach dem nützlichen Bild in Bezug auf Medien ist aber keine Frage nach dem Apriori des Medialen und/oder Technischen. Sie ist vielmehr eine Frage nach der dem Sehen und seinen Konsequenzen innewohnende Macht: Wenn wir von der Idee ausgehen, dass bestimmte Bilder und Sichtbarkeiten über ein bestimmtes Wissen und dessen symbolische Niederlegung zu einer bestimmten Funktionalität gelangen, so ist – spätestens mit Michel Foucault – auf die enge Verbindung von Wissenskonstellationen mit Macht und Regierungstechnologien zu verweisen.

Zur Person

Dr. Rolf F. Nohr ist Professor für Medienästhetik und Medienkultur an der HBK Braunschweig. Er studierte und promovierte an der Ruhr-Universität Bochum, war Wissenschaftlicher Mitarbeiter im kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg Medien und kulturelle Kommunikation der Universität zu Köln und anschließend Juniorprofessor für Medienkultur am Institut für Medienforschung an der HBK Braunschweig. Er ist Gründer und Editor der Schriftenreihe Medien Welten. Braunschweiger Schriften zur Medienkultur im LIT-Verlag, Mitglied des Graduiertenkollegs Das Dispositiv des Fotografischen, Projektleiter des Forschungsprojekts Kulturtechnik Unternehmensplanspiel und Regional Director des Learning Games Initiative Research Archive (LGIRA) Weitere Infos