Forschung in den Künsten – Transformation der Theorie

Projekt Blog

1. Juni 2010 · Keine Kommentare

Herzlich Willkommen zu unserem Blog. Bitte fügt eure Vorbereitungen für das Auftakttreffen unter Materialien und alle Informationen zu den Tandems auf den spezifischen Tandemseiten ein.

Auftakttreffen: Forschung in den Künsten und die Transformation der Theorie.

Zürich 27. Mai 2010, 12:00–18:00 Uhr, Ausstellungsstrasse 60, Raum 509

Anwesende:

Elke Bippus, Kathrin Busch

Kristin Bauer, Vera Kockot, Sabina Pfenninger, Christoph Schenker, ab 16:00 Uhr Jörg Huber.

1. Programm

Vormittag: 12:00–14:00 h

– Begrüssung und Vorstellungsrunde

– Elke Bippus / Kathrin Busch:

  • Projektanliegen und Vorgehen
  • Info Elke über zwei weitere Kooperationsmöglichkeiten bzw. -angebote.

– Kurze Diskussion

–      Präsentation eines Tandems (Papers siehe jeweils bei den Tandems)

  • Design: Vera Kockot

Mittag: 14:00-18:00 Uhr

  • Philosophie: Christoph Brunner / Sher Doruff Präsentation durch EB
  • Künstlerische Forschung: Christoph Schenker
  • Performatives Wissen: Kristin Bauer / Sabine Pfenninger

2. Einführung: Elke Bippus

Während meiner Forschungen[1] wurde mir immer deutlicher, dass mein Interesse auf keine Definition von künstlerischer Forschung zielt, ich keine Kanonisierung und Disziplinierung anstrebe. Ich bin mir der dabei entstehenden antragspolitischen Schwierigkeiten bewusst, diese sollten aber nicht zum Massstab eines Denkens von KF werden. Mir geht es um die Entwicklung eines neuen Forschungsbegriffs, um eine epistemische Praxis, die sich von der traditionellen Wissenschaftspraxis unterscheidet, um einen Disput über Wissen, um eine Veränderung des Verhältnisses von Theorie und Praxis.

Forschung

Trotz des umgangssprachlichen Gebrauchs von Forschen als erforschen, herausfinden, wird Forschung üblicherweise mit Wissenschaft und mit wissenschaftlicher Erkenntnis verknüpft. In diesem Sinne bezeichnet Forschung die Gesamtheit der systematischen Bemühungen um Erkenntnisse im Rahmen der Wissenschaften. Dies scheint auch der Horizont mancher Bemühungen in der aktuellen Debatte um KF, und es scheint so, dass man sich bei der Etablierung von KF an einem überholten Wissenschafts- und Forschungsbegriff orientiert, wie er z.B. durch Karl Popper bestimmt worden ist: In seinem grundlegenden Werk zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie Logik der Forschung von 1935 sind die Begriffe des Experiments auf der Grundlage von Gesetzmäßigkeiten, die Wiederhol- und Reproduzierbarkeit, die Nachprüfbarkeit, und die Ablehnung der Einmaligkeit und Zufälligkeit zentral.[2]

Ästhetischer Kontext

Ich baue nicht auf dieser Sichtweise auf, ein Referenzpunkt sind vielmehr jene Untersuchungen seit den 1970er Jahren, die (Natur-)Wissenschaft in ihrer sozialen, historischen, technischen und ökonomischen Bedingtheit reflektieren. Andere, sehr zentrale Referenzen sind genau jene Aspekte, welche die wissenschaftliche Forschung wie sie sich um 1800 beginnend herausbildete systematisch negierte und in den Hintergrund zu drängen versucht hat, und die in der künstlerischen Praxis ihren Ort gefunden haben: Nennen möchte ich hier etwa die Materialität und Medialität, der Körper, die Erfahrung, Fragen der Repräsentation und Darstellung, die Illusion und der Illusionsbruch im Zusammenspiel eines Wissen um dessen technische Herstellung, die Erzeugung von Empfindungen durch ästhetische Strategien und damit die Evokation von Wirklichkeit, oder aber die ästhetisch produktive Wendung von Verunsicherung, Scheitern, Täuschung, Fälschung. Weiterhin eine Form der Leidenschaft/Passion, die auch ein sich verlieren bedeuten kann, und die den Gegensatz zur Analyse und Distanz bildet, insofern sie eher dem Prinzip der „künstlerischen Einschreibung“, denn der historiographischen Erfassung eines Gegenstandes folgt. Schließlich möchte ich noch ein Diktum der Kunst der Moderne anführen, die Abweichung. Diese verbürgte in der Moderne die Einzigartigkeit des Subjekts, die Innovation und Originalität. Abweichung interessiert mich hinsichtlich dessen, dass KF sich in meinen Augen kritisch zu Fragen der Ökonomie, der Effizienz, der Evidenzbildung oder der Hierarchie des Wissens verhalten soll.

Das benannte dürfte deutlich machen, dass es mir um eine ästhetische Konzeption von Künstlerische Forschung geht. Und hinzufügen möchte ich, dass die historische Betrachtung von Kunst und Wissenschaft zeigt, dass die aufgeführten Aspekte um 1800, also in der Phase der Ausdifferenzierung kennzeichnend für beide Bereiche waren.

Künstlerische Forschung als Verfahren (nicht Disziplin)

Ich wende mich dagegen, KF disziplinär zu denken, dennoch geht es mir um eine Unterscheidung von künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung, da jeweils andere Formen der Wissensbildung, andere Wissensgegenstände, andere Verfahren und Darstellungspraxen zum Zuge kommen, die je unterschiedliche Felder des Wissens hervorbringen. Differenzierungen und Präzisierungen sind mir wichtig, auch um die verkürzenden Dichotomisierungen von Kunst und Wissenschaft hinter sich lassen zu können. Diese können jedoch nicht entlang von Disziplingrenzen vollzogen werden, sondern mir ist daran gelegen sie in Anbetracht von Verfahren, Methoden, ontologischen und erkenntnistheoretischen Anliegen zu entwickeln. Es gibt Beispiele wissenschaftlicher Arbeiten, die Praxen einer künstlerischen Forschung entsprechen.[3] Ich denke hier an Autoren, die durch ihre Schreibweisen reflektieren, dass sich auch in der begrifflichen Artikulation der Inhalt des Denkens nicht von seiner Form trennen lässt. Jüngere, wissenschaftshistorische Untersuchungen stellen dementsprechend auch fest, dass sich „die bewährte Trennung von Wissenschaft, Literatur und Künsten […] als weit weniger stabil [erweist], wenn der Entwurf, das Denken, die Formulierung mit Hand, Stift und Papier in Betracht gezogen wird und nicht der Geltungsanspruch, der sich mit dem Ergebnis verbinden kann.“[4] Der Geltungsanspruch und die Darstellung des Ergebnisses sind aber gleichwohl nicht zu vernachlässigen, und gerade hier kann künstlerische und wissenschaftliche Forschungsarbeit differenziert werden. Die epistemische Praxis der künstlerischen Forschung vermittelt sich in einer ästhetischen Form und zeichnet sich durch einen hohen Grad an Selbstreflexivität aus. Auch im Ergebnis, im Kunstobjekt, spiegelt sich, dass der Akt der Formung oder der Aufzeichnung an der Entfaltung von Wissen/Denken teilhat. Um dieses (Kunst-)Wissen zu Gegenständen des Wissens werden zu lassen, wird es notwendig, Präsentations-, Rezeptions- und Kommunikationsweisen von Kunst zu erweitern sowie die Hierarchie zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen Praxis und Theorie zu modifizieren.

Forschungsanliegen

Kommunikation und Darstellung von KF. Diese möchte ich genau anhand jener Aspekte untersuchen und entwickeln, die ich als spezifisch für die KF benannt habe, weshalb es wichtig ist ein visuell-diskursives, räumliches Forum einzubeziehen, in dem Forschung debattiert, präsentiert und verhandelt werden kann und u.a. Kommunikation in der Weise modifiziert werden kann, dass es sich nicht um die Vermittlung von Information handelt, sondern um ein Affizieren, ein Infizieren, welches die Rezipienten zu Akteuren werden lässt.

Wichtig ist es mir, um die Entwicklung eines neuen Forschungsbegriffs nicht vorzeitig zu schließen, indem man sich etwa auf politisch Durchsetzbareres und Marktfähigeres verlässt, strukturelle Probleme innerhalb der Wissensordnung der KF zu erarbeiten und die Herausforderungen zu benennen, die sich für die Formen der Präsentation und Kommunizierbarkeit des Wissens von KF stellen, um (mikropolitische) Vermittlungsweisen anzugehen. Es geht mir um einen Forschungsbegriff auf der Basis einer ästhetischen Konzeption und eines nicht-diskursiven, also bildlich formatierten Wissens.

Zielsetzung des Projekts

Das Projekt widmet sich der Forschung in den Künsten in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und interdisziplinären Verschränkungen. Ziel ist die Konturierung und Analyse divergenter künstlerisch-wissenschaftlicher Wissensformen, deren Forschungsmethoden sich weder den klassischen Künsten noch den etablierten Wissenschaften eindeutig zuordnen lassen.

2. Kooperationsprojekte

Florian Dombois, Bern

Einladung mit Projekten das Raumkonzept von Eran Schaerf in Bern zu  nutzen.

Jens Badura, Salzburg

Ich bin als Kooperationspartnerin des Projektsvorhabens Thinking as art – philosophy as performance von Jens Badura angefragt, das er kürzlich in Österreich eingereicht hat. Jens Badura ist Privatdozent und lehrt zurzeit an der Experimental Academy of Dance in Salzburg Philosophie. In seinem Projekt zielt er „auf eine neuartige Verbindung von Philosophie, Theater und Konzeptkunst mit der Absicht, Philosophie derart in Szene zu setzen bzw. zur Aufführung zu bringen, dass kollektive Denkereignisse möglich werden. Es ist beabsichtigt, die Spezifik des philosophischen Ausdrucks nicht mehr, wie im etablierten akademischen Philosophiebetrieb und dessen üblichen Disseminationsstrategien, vorrangig in der Wiedergabe und Explikation eines. repräsentierbaren Wissens zu sehen, sondern hin zur erfahrungsinduzierten Katalyse eines Denkens als Modus der Weltermöglichung zu verlagern.

Dazu sollen, in Kooperation mit Performance-Künstlern und Theatermachern, auf Basis eines an Poststrukturalismus und Pragmatismus anknüpfenden performanzorientierten Philosophie­verständnisses, unterschiedliche Typen philosophischer Performances entwickelt, durchgeführt und im Anschluß hinsichtlich ihrer Funktions- und Wirkungsmechanismen analysiert werden. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf dem Philosophieren in actu und zielt darauf, Denken als durch Begriffskunst induziertes Ereignis zu konzeptualisieren und zugleich zu klären, wie entsprechende Denkereignisse wirkungsvoll inszeniert und in einen kollektiven Aufmerksamkeitshorizont eingebracht werden können.“

Jens Badura möchte den Philosoph als ein das Denken anregenden Akteur, verstärkt in der Sphäre des Öffentlichen verorten. Es geht ihm um geistige Offenheit durch experimentelles öffentliches Denken. Er spricht von der Kunst des Denkens und möchte damit das philosophische Denken in die Nähe anderer performativ orientierter Kunstpraxen bringen.

Zentral sind:

Performative Dimension der Philosophie

Formen des Ausdrucks

Sein Projektvorhaben basiert auf prozess-orientierter Philosophie, er arbeitet mit performance lectures, slam, theater und dance sowie kunstorientierten Forscherinnen.

Herder-Kolleg, Universität Hildesheim

Möglicher Workshops:

Produktive Bruchlinien der Institution (Arbeitstitel)

Forschende Praxis an der Kunsthochschule (in Zürich)

Künstlerische Praxis an der Universität (in Hildesheim)


[1] „Kunst des Forschens“ (2005–2007) / Publikation: EB (Hg.): Kunst des Forschens, Praxis eines ästhetischen Denkens, Zürich, Berlin [diaphanes] 2009

[2] K. Popper: Logik der Forschung, Tübingen 1994, S. 19.

[3] In diesem Sinne hat der Philosoph J. Derrida geschrieben: „Man kann, […] bezweifeln, ob die Philosophie heute überhaupt noch streng von der Kunst unterschieden werden kann. Denn mit der Einsicht in die konstitutive Bedeutung der Sprache für das Denken sowie ihren rhetorischen Charakter wird auch die Frage der Schreibweise für die Philosophie unhintergehbar. Jacques Derrida: «Artists, Philosophers and Institutions», in: Rampike 3 (1984/85), S. 34f.

[4] Christoph Hoffmann: «Festhalten, Bereitstellen. Verfahren der Aufzeichnung», in: Ders.: Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, Zürich, Berlin [diaphanes] 2008, S. 7-20, hier S. 8.

Categories: Startseite



0 responses so far ↓

  • There are no comments yet...Kick things off by filling out the form below..

You must log in to post a comment.