Autor: tizianahalbheer

  • n°4_Methodisch gezähmte Gier. Forschend lehren als Laborsituation

    Eva Sturm

    Methodisch gezähmte Gier. Forschend lehren als Laborsituation

    In einem Forschungstagebuch wurden Verlauf und Ereignisse des Seminars «How to draw Sound. Ästhetische Übersetzungsfragen» (SoSe 2001, C.v.O. Universität Oldenburg) notiert und gleichzeitig wie eine Kartierung als sich stets fortsetzendes Rhizom in Zeit und Raum verstanden. Dabei wurde versucht, eine Art des Forschens durch Zeichnen, Denken, Hören und Tun zu realisieren, und in eine Textform zu übersetzen, die das Forschen als gierig-lustvoll-gezähmten Akt analytischer Selbstbeobachtung versteht, den jede und jeder in aller Schwierigkeit selbst beschreiten muss.

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    → Zu der Kurzbiografie von Eva Sturm


    Eva Sturm

    Methodically Tamed Desire. Teaching through research as laboratory

    The progression and outcomes of the seminar «How to Draw Sound. Ästhetische Übersetzungsfragen» [How to Draw Sound. Aesthetic Questions of Translation] (C.v.O. University Oldenburg) were recorded in a research diary, which at the same time worked as a kind of map of an ever continuing rhizome in time and space. Eva Sturm’s idea was to do research by drawing, thinking or listening and translate this into text, which takes research as a greedy-exciting-tamed action of analytical introspection that everybody has to handle with all its difficulties.

  • n°4_Ob es uns gefällt oder nicht. Kulturelle Bildung und drittmittelbasierte Forschung.

    Agnieszka Czejkowska zus. mit Marianne Sorge (Illustration)

    Ob es uns gefällt oder nicht.

    Kulturelle Bildung und drittmittelbasierte Forschung

    Was Universitäten, Forscher_innen und nicht zuletzt gemeinnützige Einrichtungen eint, ist ihre Abhängigkeit von Drittmitteln. Mit diesem Beitrag wird bei der Entwicklung einer forschungspolitischen Perspektive im Feld der Kunst- und Kulturvermittlung die Gleichsetzung von politischer und kultureller Bildung sowie Sozialpädagogik problematisiert. Am Beispiel des Forschungsprojekts «Facing the Differences» an der Akademie der bildenden Künste Wien und Karl-Franzens-Universität Graz wird aufgezeigt, wie durch Förderprogramme regulierte Forschungsvorhaben und -aktivitäten den ihnen verbleibenden Spielraum für kritische Wissensproduktion nutzen können.

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    → Zu der Kurzbiografie von Agniezka Czejkowska


    Agnieszka Czejkowska and Marianne Sorge (artwork)

    Whether we like it or not

    Cultural education and research based on external funds

    Universities, research and non-profit institutions have their dependence on external funds in common. Agnieszka Czejkowska’s article develops a particular perspective on research and problematises the equalisation of political and cultural education and also social pedagogy in this context. Using the example of «Facing the Differences» at Academy of Fine Arts Vienna and University of Graz, the author shows how research projects and activities financed by external funds can produce critical knowledge despite the influences that regulating funding programs can have.

  • n°4_Studieren unter dem Bologna-Regime in der Schweiz

    Philippe Saner

    Studieren unter dem Bologna-Regime in der Schweiz

    Philippe Saner fokussiert als Nachwuchswissenschaftler im Bereich der Soziologie mit seinem Beitrag die derzeitigen Studienbedingungen an Schweizer Hochschulen und Universitäten. Er diskutiert kritisch die Praktiken und Effekte rund um die sogenannte «Bologna-Reform», welche die Ausbildung – auch der Mentalitäten, Verhaltensweisen und Visionen – von Student_innen beeinflusst und damit die Möglichkeiten zum Forschen während des Studiums zusätzlich verknappt.

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    → Zu der Kurzbiografie von Philippe Saner


    Philippe Saner

    Studying in Switzerland within the context of the Bologna Process

    The article by sociologist Philippe Saner concentrates on the current conditions for studying at Swiss universities. He critically discusses the practices and effects of the so-called «Bologna Process», which has a regulative impact on students, their mentalities and visions and thereby diminishes the chances of students to do research.

  • Art Education Research °4

    Auf die Plätze.

    Kunstvermittlung und das Forschen in Verhältnissen

    Herausgeber_innen: Stephan Fürstenberg und Carmen Mörsch

    [Illustration: Marianne Sorge]
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    EDITORIAL

    In der vierten Ausgabe des eJournal Art Education Research (AER) kommen mit den Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats des Journals etablierte Akteurinnen und Akteure aus der Forschung zur Kunstvermittlung zu Wort. Dabei treffen Personen mit unterschiedlichen Praktiken und theoretischen Verortungen aus dem, sich in den letzten Jahren dynamisch und heterogen entwickelnden Feld zusammen. Idee dieser Journalausgabe ist es, die Auseinandersetzung mit Forschungspraktiken[1], verschränkt mit den jeweiligen Arbeitsbedingungen respektive Förderpolitiken in den Blick zu nehmen. Ausgangspunkt für die Entwicklung der einzelnen Beiträge war ein, mit der Einladung zum Beitrag versandter Fragenkatalog, aus welchem die Autor_innen eigene Schwerpunktsetzungen auswählen konnten und welcher zugleich aus Sicht der Herausgeber_innen die Perspektivierung des Gegenstands «Forschen im Bereich Kunstvermittlung» zu umreissen suchte:

    • Unter welchen Bedingungen findet Art Education Research, finden also Forschungen im Feld von Kunstvermittlung und Kultureller Bildung an verschiedenen Standorten im deutschsprachigen Raum statt?
    • Was bedeutet es, im Kontext der «Bologna-Reform» in diesem Bereich zu forschen?
    • Welches sind die offensichtlichen, möglicherweise auch politisch geforderten Desiderate?
    • Was sind die abseitigen, aber möglicherweise umso dringlicheren und interessanteren Fragen?
    • Was bedeutet es, in diesem Bereich Forschung als Kritik zu entwickeln?
    • Welche Themen und Verfahren stehen im Fokus der eigenen Arbeit?
    • Was heisst es jeweils, in diesem Forschungsfeld Position zu beziehen?

    Durch die einzelnen Beiträge wird Forschen im Bereich Kunstvermittlung auf verschiedene Weise betrachtet und diskutiert, wobei die Autor_innen nach eigenem Ermessen zu den spezifischen Verhältnissen, in denen Forschung stattfindet oder stattfinden soll, Stellung beziehen.

    BARBARA BADER fokussiert mit ihrem Beitrag die Forschung zur Kunstvermittlung im Schweizer Raum. Sie skizziert frühe Forschungsinitiativen und stellt die Forschungsarbeit zu Kunstvermittlung an der Hochschule der Künste Bern (HBK) vor – wo ein verspäteter Start und der heteronome Status von Art Education Research Hindernisse aber auch Synergieeffekte für die Forschungstätigkeit zeitigt. Abschliessend legt Bader dar, was aus ihrer Sicht notwendig ist, um Art Education Research in der Schweiz weiter zu festigen und voranzubringen.

    Mit dem Beitrag von AGNIESZKA CZEJKOWSKA wird der Konflikt zwischen eigenen forschungspolitischen Positionierungen und thematisch ausgerichteten Drittmittel-Calls im Feld der Kunst- und Kulturvermittlung, welche sich gegenwärtig oft durch eine Gleichsetzung von politischer Bildung, kultureller Bildung und Sozialpädagogik auszeichnen, diskutiert und problematisiert. Am Beispiel des Forschungsprojekts «Facing the Differences» skizziert sie, wie durch Förderprogramme formatierte Forschungsvorhaben und -aktivitäten den ihnen verbleibenden Spielraum für kritische Wissensproduktion nutzen können. Marianne Sorge ergänzt diese Auseinandersetzung mit ihren eigens dafür gestalteten Illustrationen.

    «Theatervermittlung» wird von UTE PINKERT als ein sich ausdifferenzierender Arbeitsbereich und (weiter) zu fundierendes Forschungsfeld der Theaterpädagogik an Theatern entworfen, wo produktiv das Wissen der Akteur_innen sowie theoretische Erkenntnisse mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Institution Theater, also ihren Strukturen, Praktiken und ihrer Geschichte, verknüpft werden soll. Die Autorin stellt den diesbezüglichen Forschungsstand und mögliche Untersuchungsfelder vor, wobei sie, in Anlehnung an Carmen Mörsch, den Bezug zu aktuellen Diskursen der Kunstvermittlung herstellt und Vorschläge macht, wie diese auf das Feld der «Theatervermittlung» produktiv angewandt werden können.

    WOLFGANG ZACHARIAS macht sein aktuelles Reflexions- und Handlungsinteresse im Bereich «ästhetisches und urbanes Lernen» im Zusammenhang mit «Kultureller Bildung 2.0» zum Gegenstand seiner Reflektionen. Dabei wird von ihm der Bogen von den experimentellen kulturpädagogischen Aktionen im öffentlichen Raum der Initiativen KEKS und PAEDACTION ab den 1970er-Jahren über sich daran anschliessende und ausdifferenzierende Reflektions- und Theoretisierungsarbeit bis hin zum diesjährigen Münchner Schwerpunktprojekt «kunstwerkStadt 2011» gespannt, welches die Aktualität von (städtischem und virtuellem) Raum als Lern-, Bildungs- und Forschungskontext mit unterstreicht.

    Als Nachwuchswissenschaftler im Bereich der Soziologie und Nicht-Beiratsmitglied ergänzt PHILIPPE SANER diese Ausgabe mit seinem Blick auf die derzeitigen Studienbedingungen an Schweizer Hochschulen sowie Universitäten. Er diskutiert kritisch die Praktiken und Effekte rund um die sogenannte «Bologna-Reform», welche die Ausbildung – auch der Mentalitäten, Verhaltensweisen und Visionen – von Student_innen beeinflusst und die Möglichkeiten zum Forschen während des Studiums zusätzlich verknappt.

    Mit EVA STURMs Aufzeichnungen wird das Seminar «How to Draw Sound. Ästhetische Übersetzungsfragen» als Raum für forschendes Zeichnen, Lehren und Lernen greifbar gemacht. Forschen wird dabei als regulierter, jedoch durch notwendige Unbestimmtheiten sich öffnender Prozess des (Ver-)Suchens, Entwickelns und Verwickeltwerdens entworfen und erprobt. Und damit die Ausbildung einer forschenden Haltung als Aspekt bzw. Anspruch von Hochschulbildung (wieder) mit ins Spiel gebracht.

    Die Lehramtsausbildung für das Fach Kunst geht an der Universität für angewandte Kunst Wien mit dem Anspruch einher, reflexive, künstlerische und kritische Vermittlungsfähigkeiten zu entwickeln, wobei sich unweigerlich Praktiken und Strukturen des Lehrens, Lernens und Forschens verändern und sich miteinander verschränken (können müssen). Dazu gehören auch die – von BARBARA PUTZ-PLECKO skizzierten – drittmittelbasierten sowie selbstorganisierten Forschungsinitiativen innerhalb des universitären Kontextes, welche oftmals die Grenzen der Disziplin(en) und Institution(en) überschreiten.

    Prozesse der Profilbildung und Profilierung, ein Ringen um Etablierung und Positionierung gehören für Akteur_innen im wissenschaftlichen Feld der Kunstvermittlung bzw. für die einzelnen Forschungsstandorte innerhalb der Hochschulen und Universitäten – und zwischen diesen – zum Tagesgeschäft und nehmen auf die Forschungsarbeit Einfluss[2]. Konfrontiert mit historisch gewachsenen Strukturen an den einzelnen Standorten sowie Teil von Ökonomisierungsprozessen und des bestehenden Wettbewerbs an den Hochschulen, geht es für die potentiellen Akteur_innen nicht «nur» um das Einwerben von internen wie externen Mitteln für die eigene Forschungsarbeit und damit letztlich um die Existenzsicherung der Forschungsstandorte, sondern auch um die Frage nach der Autonomie der Wissenschaft und nach Möglichkeiten eines lustvollen und sinnvollen Forschens.

    Nicht erst seit der 2011 formalisierten Leistungsmessung der Forschung innerhalb der Züricher Hochschule der Künste (ZHdK) ist das Institute for Art Education (IAE) als Forschungsinstitut dazu angehalten, sich zu den gegenwärtigen Dynamiken des Wissenschaftsbetriebs zu verhalten und dazu Position zu beziehen. Dabei gilt es zum einen sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie diese Bedingungen die Forschungsarbeit am Institut beeinflussen bzw. mitgestalten. Zum anderen gilt es eine kollektive Praxis der Aneignung der Bewertungsinstrumentarien (weiter) zu entwickeln, die mit den Arbeitsprinzipien und Zielen des Instituts nicht nur vereinbar ist, sondern im besten Fall ihre Verwirklichung unterstützt und stärkt. Das betrifft die Prämissen wissenschaftlichen Arbeitens der Mitarbeitenden, ihre forschungspolitischen Perspektiven sowie ihre Visionen als Forschende – sei es zum Beispiel von der lustvollen Spannung bei der unbedingten Suche nach Wahrheiten (vgl. Pazzini 2010) oder von einer engagierten Wissenschaft, die mit ihrem «erfinderischen Geist» neue Ziele, Inhalte und Aktionen vorbereitet (vgl. Bourdieu 2008) – und dies möglichst noch mit künstlerischen Verfahren und einer wissenschaftskritischen Perspektive. Dazu braucht es neben ökonomischen Ressourcen vor allem Mut, Erfindungsreichtum und einen kritisch-solidarischen Austausch.

    Um diesen Austausch zu befördern, wurde das eJournal ins Leben gerufen. Bereits die Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats, welcher die Herausgabe begleitet, war 2010 eine Reaktion auf gegenwärtige Dynamiken innerhalb des Hochschul- und Forschungsbetriebs. Statt dem Konzept zu folgen, Qualität und Entwicklung im Bereich Forschung durch «künstliche Inszenierung von Wettbewerb» (vgl. Binswanger 2011) und Verschärfung der Konkurrenzsituation zwischen Forschenden – nicht zuletzt durch den Rückgriff auf indikatorengesteuerte Evaluationen und Mittelvergabe – zu entfalten, sollte mit dem Beirat eine auf gemeinschaftliches Denken ausgerichtete Praxis etabliert werden. Diese Form der Zusammenarbeit wird damit auch dem im Moment stark verbreiteten, aber auch zunehmend in Kritik geratenen Verfahren anonymer Peer-Reviewings[3] als Instrument der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung vorgezogen.

    Damit «Auf die Plätze» nicht nur als ein Aufruf zum Wettbewerb im Sinne von «grösser, schneller, weiter» und als Imperativ der Drittmittel-Akquise mit ihrer disziplinierenden, oft Monotonie und intellektuellen Leerlauf produzierenden Antragsschreiberei gelesen wird, haben wir diese Ausgabe des Journals als ein Versuch des Sichtbarmachens und Öffentlichmachens von Forschungsarbeit und ihren Bedingungen, von unterschiedlichen Forschungsperspektiven und -praktiken konzipiert, um so einen Raum für Diskussionen und evtl. weitere – auch widerständige – Handlungen im Feld von Art Education Research zu öffnen.

    Wir wünschen uns, dass sich «Auf die Plätze» im Rahmen der Forschungscommunity rund um Kunstvermittlung als ein Zuruf und eine gegenseitige Bestärkung (statt wettbewerbsgeschuldete Disziplinierung) etablieren könnte, um gemeinsam um den Gegenstand «Kunstvermittlung» (auf diskursiver Ebene) zu streiten und Position zu beziehen. Und um sich gemeinsam für andere Bedingungen zu deren Beforschung einzusetzen, was evtl. – wie es der weltweite Protest von Schüler_innen, Student_innen und Bildungsarbeiter_innen in seinen unterschiedlichen Formen zeigt – zu einem «Auf die Plätze … Los!» werden kann.

    Zum Schluss möchten wir allen, die zum Entstehen dieser vierten AER-Ausgabe beigetragen haben, ganz herzlich danken und wünschen unseren Leser_innen eine anregende Lektüre.

    [zu den Journal-Beiträgen]

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    LITERATUR

    Binswanger, Mathias (2011): «Sinnlose Wettbewerbe in Forschung und Lehre». In: Bulletin fh-ch, 2/2011, S.10-11.

    Bourdieu, Pierre (2008): «Für eine engagierte Wissenschaft. Über die notwendige Verknüpfung von kritischer Politik und wissenschaftlicher Arbeit». In: ak – Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 524, 18. Januar 2008, S. 16.

    Meyer, Torsten/Andrea Sabisch (2009): Kunst Pädagogik Forschung. Aktuelle Zugänge und Perspektiven, Bielefeld: transcript.

    Mörsch, Carmen (2012): «In Verhältnissen über Verhältnisse forschen: Kunstvermittlung in Transformation als Gesamtprojekt». In: Dies./Bernadett Settele (Hg.): Kunstvermittlung in Transformation: Perspektiven und Ergebnisse eines Forschungsprojektes von vier Schweizer Hochschulen, Zürich: Scheidegger & Spiess, S. 299f. (in Drucklegung).

    Pazzini, Karl-Josef (2010): «Universitäten weitertreiben. Thesen und Notizen». In: Unbedingte Universitäten (Hg.): Was ist Universität? Texte und Positionen zu einer Idee, Zürich: diaphanes, S. 145f.


    [1] Wie sie bspw. in der Publikation «Kunst Pädagogik Forschung» (Meyer/Sabisch 2009) mit dem Fokus auf Methoden, Inhalte, Gegenstände und Fragen der Kunstpädagogik aufgegriffen werden.

    [2] Ein signifikantes Beispiel ist das abgeschlossene DORE-Forschungsprojekt «Kunstvermittlung in Transformation» (KiT), in dem sich Prozesse der Profilbildung der einzelnen beteiligten Forschungsstandorte in der Schweiz auf die Ausrichtung und Ausgestaltung der gemeinsamen Forschungsarbeit innerhalb des Projekts auswirkte (vgl. Mörsch 2012).

    [3] Beim Peer-Review-Verfahren werden wissenschaftliche Arbeiten mittels der Begutachtung durch unabhängige Expert_innen aus dem gleichen Fachgebiet beurteilt. Wissenschaftliche Zeitschriften bspw. benutzen diese Verfahren, um über die Veröffentlichung von eingereichten Manuskripten zu entscheiden. Bei derzeitigen Leistungsfeststellungen sowie bei der Vergabe von Forschungsgeldern seitens der Förderinstanzen wird peer reviewing auch eine gewichtige Rolle zugesprochen.

  • Art Education Research °3

    Queer und DIY im Kunstunterricht

    Herausgeberin: Bernadett Settele

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    EDITORIAL

    Das e-Journal Art Education Research als Schulbuch

    Carmen Mörsch, Herausgeberin von Art Education Research

    Die vier Kunsthochschulen der Deutschschweiz veranstalten im Rahmen der Ausbildung von Gymnasiallehrpersonen für das Schulfach Bildnerisches Gestalten jedes Semester ein „Netzwerkmodul“. In einer Blockveranstaltung kommen Studierende aller vier Standorte für eine Woche zusammen, um sich kennenzulernen, auszutauschen und sich auf eine bestimmte fachdidaktische Fragestellung bzw. auf die Enrprobung und Entwicklung von Lehr- und/oder Forschungsmethoden zu konzentrieren. Das Modul wird von den beteiligten Hochschulen im Wechsel betrieben. Alle zwei Jahre im Januar liegt der Ball bei der Vertiefung „bilden & vermitteln“ des Master of Arts in Art Education der Zürcher Hochschule der Künste. Die Modulverantwortung liegt bei mir, der Leiterin des Instituts for Art Education (IAE) und Herausgeberin dieses e-journals.

    Unter anderem mit dem Netzwerkmodul erfüllt das IAE eine seiner zentralen Aufgaben, die in der Amtssprache des tertiären Bildungssektors mit „Transfer zwischen Forschung und Lehre“ benannt ist. Wir interpretieren diese Aufgabe weniger im Sinne einer Dienstleistung, die auf von den Studiengängen oder dem Berufsfeld artikulierte Bedarfe ohne Hinterfragung reagiert und diese zu bedienen sucht.

    Ein solches Vorgehen widerspräche den von uns formulierten Arbeitsprinzipien, die uns am IAE einer Forschung, die sich herrschafts- und hegemoniekritisch versteht, verpflichten. Vielmehr ist es unser Anliegen, in engem Austausch und in kritischer Auseinandersetzung mit der Lehre und dem Berufsfeld möglichst viele Fragestellungen und Ergebnisse unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit für die Bildungs- und Ausbildungsarbeit der Studiengänge produktiv zu machen und umgekehrt Impulse aus dieser Auseinandersetzung wiederum in neue Forschungsfragen und Entwicklungsaufgaben zu überführen. Aus dieser Haltung heraus entstand die Idee, die zweijährigen Netzwerkveranstaltungen an der ZHdK unter dem Titel „Persönlichkeitsverwicklung“ zu konzipieren.

    Das, was Psycholog_innen und Soziolog_innen mit Persönlichkeitsentwicklung bezeichnen, oszilliert zwischen der Fähigkeit zum kritischen Denken, zum Umgang mit Differenz einerseits sowie (mehrheits-)gesellschaftlicher Normierung und Arbeitsmarktkompatibilität andererseits. Für Adoleszente (und nicht nur für sie) ereignet sich Persönlichkeitsentwicklung innerhalb komplexer Verwicklungen und nicht auflösbarer Widersprüche, in der Spannung zwischen Anpassung und Abweichung, zwischen dem Herstellen und Aushalten sozialer Ein- und Ausschlüsse.

    2007 führte die österreichische Regierung eine Studie mit dem Titel „Kulturmonitoring“ durch, die auf einer Bevölkerungsbefragung von 2.000 Personen fußte. Dabei gaben rund 75% der Befragten an, dass sie die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur vor allem für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen als wichtig einstufen und daher auch den Ausbau der schulischen Kunstvermittlung befürworteten[1]. Doch was bedeutet die Aussage, Kunst und Kultur seien für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen relevant, konkret? Welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich daraus für den Kunstunterricht? Diesen Fragen wurde und wird im Netzwerkmodul der Zürcher Hochschule der Künste anhand von Praxisbeispielen, Gruppenarbeiten, Materialentwicklungen und theoretischen Reflexionen nachgegangen. Dabei stand beim ersten Mal, im Januar 2010 unter dem Motto „Queer und DIY im Kunstunterricht“ die Kategorie Geschlecht im Fokus der Auseinandersetzung. Die zweite Folge der „Persönlichkeitsverwicklung“, im Januar 2012, wird den Fragen nach einem „Kunstunterricht in der Migrationsgesellschaft“ gewidmet sein. Die dritte, im Januar 2014, wird nach der Relevanz der Kategorie „Klasse“, nach dem kulturellen und sozialen Kapital als Determinanten für die Gestaltung des Schulfachs „Bildnerisches Gestalten“ fragen.

    Das Adaptieren jugendkultureller Praktiken und Bilderwelten gehört unter den Stichworten „lebensweltlicher Bezug“ und „Alltagsorientierung“ zu den griffbereiten Strategien im Schulfach Bildnerisches Gestalten. In den drei Netzwerkveranstaltungen wurde und wird dabei jedoch eine queere Perspektive eingenommen: Es ging und geht um die unterrichtspraktischen Konsequenzen der Tatsache, dass der Umgang mit Zeichen nicht in einem herrschaftsfreien Raum stattfindet. Im Gegenteil sind die Selbstartikulationen von Subjekten (egal welchen Alters) in symbolische Ordnungen eingeschrieben – zum Beispiel in die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit oder der Differenzlinie entlang von Ethnizität und sozialer Herkunft. Die Zeichen, die sie produzieren, sind strukturiert von dominanten Darstellungskonventionen. Sie fügen sich zumeist glatt in diese Konventionen und symbolischen Ordnungen ein, oder sie scheitern daran, deren Perfektion wiederholen zu wollen. In selteneren Fällen weichen sie bewusst, lustvoll und offensiv von ihnen ab oder verschieben sie.

    Die Netzwerkmodule an der ZHdK konzentrieren sich auf die kunstpädagogischen Potentiale von solchen lustvollen Abweichungen und Verschiebungen. Sie nehmen die Möglichkeit künstlerischer Verfahren und künstlerischer Bildung ernst, dominante Ordnungen sichtbar zu machen, zu hinterfragen, zu dekonstruieren und neue Konstellationen und Konzepte jenseits von neuen Festschreibungen zu erproben. Sie versuchen zusammen mit allen Beteiligten, einen Kunstunterricht zu entwerfen, der über eine lustvolle und verunsichernde Persönlichkeitsverwicklung zu einer vielleicht etwas stärker selbstbestimmten, gerechteren und differenzierteren Persönlichkeitsentwicklung führen könnte – für Lernende und Lehrende gleichermassen.

     

    Es ist geplant, zu jeder der drei Fragestellungen der Netzwerkmodule 2010, 2012 und 2014 auch eine Ausgabe von Art Education Research entstehen zu lassen. Die Ausgabe zum ersten Netzwerkmodul, zu „Queer und DIY im Kunstunterricht“, liegt nun hier vor.

    Sie ist als Schulbuch, als Sammlung von Materialien für den Unterricht, konzipiert. Mit dem Bestehen auf der Möglichkeit, didaktisches Material als Ergebnis von Forschungsarbeit zu veröffentlichen, wird im Ansatz auch ein Konzept von Forschung verschoben, welches das Entwickeln didaktischer Materialien als „Runterbrechen“ komplexer Inhalte und damit als Praxis jenseits von wissenschaftlicher Arbeit verortet. Am IAE beschäftigen wir uns mit dem hierarchischen und nicht zuletzt vergeschlechtlichten Verhältnis unter den verschiedenen Produktionsweisen und Verortungen von Wissen in Kunst und Wissenschaft einerseits und in der Vermittlung andererseits. Es handelt sich dabei um einen querliegenden Frage- und Handlungskomplex, der sich durch alle unsere Projekte zieht.

    Wir versuchen, diese Hierarchien durcheinanderzubringen, sie herrschaftskritisch zu „queeren“.

    Aus dieser Perspektive handelt es sich bei der Durcharbeitung von Theorien und künstlerischen Produktionen in der Perspektive der Vermittlung und bei ihrer Fortsetzung, Reflexion und Umarbeitung im Unterrricht eher um Akte des „Raufbrechens“, im Sinne einer Steigerung von Komplexität.

    Die vorliegenden Ausgabe von Art Education Research möchte zu solchen Versuchen des Raufbrechens anregen.

    Ich wünsche viel Spass beim Lesen und bei den aus der Lektüre resultierenden Unterrichtsideen und Experimenten.

    Mein Dank gilt an dieser Stelle den studentischen Assistentinnen, die uns beim Netzwerkmodul unterstützten, und den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des IAE, ohne die weder das Konzept noch die Durchführung der Veranstaltung möglich gewesen wären: Danja Erni, Nora Landkammer, Anna Schürch und Bernadett Settele. Bernadett Settele gilt zusätzlich mein besonderer Dank für ihre Arbeit an der Herausgabe dieser dritten Ausgabe von Art Education Research.

    Zu den Texten

    Zu den Materialien


    [1] INSTITUT FÜR EMPIRISCHE SOZIALFORSCHUNG GMBH: „Kulturmonitoring der österreichischen Bevölkerung 2007. Erstellt für das BM für Unterricht, Kunst und Kultur“, hier: S. 30 http://www.bmukk.gv.at/medienpool/15575/23800007berichtkultur.pdf. Zuletzt aufgerufen am 22.4.2009.

     

  • n°2_Autonomie in der Institution. Für eine kritische Kunstvermittlungspraxis (text in english)

    microsillons – Marianne Guarino-Huet / Olivier Desvoignes

    Autonomie in der Institution

    Für eine kritische Kunstvermittlungspraxis (Text auf Englisch)

    Die Institution als performativ produziert steht im Beitrag des KünstlerInnen/VermittlerInnenkollektivs microsillons im Zentrum: Sie verhandeln ihr Verhältnis zur Institution – konkret dem Centre d’Art Contemporain in Genf – ausgehend von der Verschiebung in der Institutional Critique die Andrea Frasers Statement «We are the institution» markiert.


    microsillons – Marianne Guarino-Huet / Olivier Desvoignes

    Autonomy within the institution

    Towards a critical art education

    The performative production of the institution is at the center of the contribution by the artists/art educators collective microsillons. They discuss their relation to institutions – more specifically to the Centre d’Art Contemporain Genève – in connection to Institutional Critique and to Andrea Fraser’s statement that «We are the institution».

     → Download Text (EN)

     →Bio note of the collective microsillons

     

  • n°2_Vermittlung-Performance-Widerstreit

    Carmen Mörsch / Eva Sturm

    Vermittlung – Performance – Widerstreit

    Es handelt sich um die Textfassung des Einführungsvortrags zu der Tagung Perfoming the Museum as a Public Sphere, die im April 2008 im Kunstmuseum Lentos, Linz, stattfand. Der Text geht von Charles Garoians These aus, dass alle Beteiligten eines Museums (von der Direktorin bis zum Publikum) dieses in jeder Situation durch ihr Handeln und Sprechen – performativ – erst erstellen und erfinden, wobei diese Prozesse in Machtverhältnisse eingebettet sind. Kunstvermittlung kann eine Schlüsselrolle sowohl bei der Herstellung des Museums als auch bei der Reflexion seiner Bedingungen einnehmen – sie kann das Museum als einen Ort des «Widerstreites» im Sinne Lyotards realisieren. Dies bedeutet, die Vielstimmigkeit aller Beteiligten nicht in eine dialektische Bewegung bzw. in eine Eindeutigkeit münden zu lassen, sondern sie als Manifestation von Differenz zu fördern. Denkt man die Begriffe der Performativität und des Widerstreits in Bezug auf Kunstvermittlung zusammen, so impliziert dies, dass sich institutionelle Settings nicht nur analysieren und kritisieren, sondern auch durch das eigene Handeln verschieben lassen.

    → Text herunterlasen (DE)

    → Zu der Kurzbiografie von Carmen Mörsch

    → Zu der Kurzbiografie von Eva Sturm


    Carmen Mörsch / Eva Sturm

    Gallery education – performance – the differend

    The paper is based on an introductory talk given at the conference Perfoming the Museum as a Public Sphere at Kunstmuseum Lentos, Linz, in April 2008. It parts from Charles Garoian’s thesis that all people involved in a museum (from the director to the visitor) produce and invent the museum though their – performative – speech and actions, and that these processes are embedded into power relations. Gallery education can play a key role in the performative production of the museum as well as in the reflection on the conditions of that production – it can realize the museum as a place of the «differend» in Lyotard’s sense. This means to encourage the «rhizovocality» of participants as a manifestation of difference instead of turning it into a dialectical movement or trying to make the voices unambiguous. Connecting the concepts of performativity and the «differend» implies that it is not only possible to analyze and critize the institutional setting but also to change it through our own actions.

     

     

     

  • n°2_Wie Sprachlosigkeit zum Handeln führen kann

    Julia Draxler

    Wie Sprachlosgkeit zum Handeln führen kann

    Der Artikel widmet sich der Frage, inwiefern bei der Kunstvermittlung nicht nur das «Sprechen über Kunst», sondern auch das «Handeln zu Kunst» realisiert werden kann. Kunstwerke sollen nicht nur rational diskutiert, sondern auch durch den Einsatz des eigenen Körpers erfahren sowie durch Handlungen thematisiert werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Methode des Theaters der Unterdrückten von Augusto Boal. Es wird Machtverhältnissen und möglichen Unterdrückungssituationen beim Betrachten von Kunst sowie allgemein im Kontext Museum nachgegangen. Der Fokus liegt auf der Frage, ob und wie man diese durch gespielte Handlungen neu verhandeln kann.

    → Text herunterladen (DE)

    → Zu der Kurzbiografie von Julia Draxler


    Julia Draxler

    How speechlessness can lead to action

    The article asks the question, if not only «talking about art» but also «acting to art» is possible and usefull in art education. Artworks should not only be discussed in a rational way, but also felt and understood through the use of your own body and through your own actions. The author is focussing primarily on the method of Augusto Boal´s Theatre of the Oppressed. Power relations and situations of oppression that arise while watching art and more generally that can be found in the museum context are being discussed with the an emphasis on if and how those situations can be changed through «played» actions.

     

  • n°1_Materialien

    Download Materialien Emily Pringle in english.: Emily Pringle_Presentation_n°1

    Download Materialien Dolores Smith in german.: Dolores Smith-Handreichungen_n°1

  • n°2_Performative Interventionen. Ein Performance Script zu den Ausstellungen Fomuška von Micol Assaël und Frühling von Pawel Althamer mit Kasseler Kindern in der Kunsthalle Fridericianum

    Sandra Ortmann

    Performative Interventionen

    Ein Performance Script zu den Ausstellungen Fomuška von Micol Assaël und Frühling von Pawel Althamer mit Kasseler Kindern in der Kunsthalle Fridericianum

    Im Schnittfeld von Kunstvermittlung – dem Sprechen über Kunst – und Performance, der Aufführung, dem künstlerischen Ausdruck, bewegt sich das Format Performative Interventionen. Der choreographierte Ausstellungsrundgang soll neue Blickrichtungen auf zeitgenössische Kunst, ihre gesellschaftlichen Bedingungen, Entstehungsgeschichten und Bedeutungen eröffnen. Das Performance Script entstand im Sommersemester 2009 im Rahmen eines Vermittlungsprojektes mit Studierenden der Kunsthochschule Kassel. Die performativen Übungen und Skizzen wurden zu einem Rundgang zusammengefasst und im Rahmen des Symposiums KUNST [auf] FÜHREN. Performativität als Modus und Kunstform in der Kunstvermittlung am 20.Juni 2009 etwa vierzig Besucher_innen vorgestellt.

    → Text herunterladen (DE)

    → Zu der Kurzbiografie von Sandra Ortmann


    Sandra Ortmann

    Performative interventions

    A performance script for the exhibitions Fomuška, by Micol Assaël, and Frühling, by Pawel Althamer and children living in Kassel, at Kunsthalle Fridericianum

    Performtive interventions, as a format, are located at the intersection of gallery education – of talking about art – and performance – of staging and artistic expression. The ambition of the choreographed exhibition tour is to open new perspectives on contemporary art, its social conditions, its histories of production and its meanings. The performance script was produced with students at the School of Art and Design Kassel in a gallery education project in spring 2009. The performative activities were connected to a tour and presented to around 40 visitors during the Symposium KUNST [auf] FÜHREN (Performing/guiding art. Performativity as a mode and an art form in gallery education) on June 20, 2009.