Das Projekt City Telling Ruhr lässt die Stadt von ihren Bewohnern erzählen. Ihre Geschichten erschließen den Stadtraum diachron und synchron: Veränderungen und Funktionsweisen der Stadt werden erkennbar. Gesellschaftlicher Wandel geht dabei mit Entwicklungen der Sprache einher, soziale und kulturelle Differenzen schlagen sich nieder in unterschiedlichen Sprachen. Die Dynamik der Stadt wird in ihrer Sprachlichkeit erfahrbar. Das Projekt sammelt Geschichten, zeichnet diese auf und verknüpft sie. Aus vielen Berichten Einzelner, aus deren sprachlichen „Realitäten“ entsteht eine Geschichte der Stadt, die Aspekte der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinschließt. Unterschiedliches Sprechen über die Stadt bringt deren Komplexität zum Vorschein. Die Performativität der eingefangenen Stimmen widerspiegelt den städtischen Aktionsraum, in dem eine Vielzahl von gesellschaftlichen Kräften wirksam wird. Die Recherche betrachtet Sprache als Indikator von Stadtentwicklung und betreibt ein offenes Labor, das die Bevölkerung zum Erzählen, Zuhören und Diskutieren einlädt. Die in der jüngeren Stadtentwicklung erkennbaren Strukturveränderungen werden in den Sprachen der Bewohner manifest: Polylingualität sowie unterschiedliche Be- und Einschreibungen der Stadt treten zu Tage. Das Neben-, Mit- und Durcheinander, das sich im Sprechen der Menschen äussert – in verschiedenen Sprachen, Dialekten und in der Jugendsprache -, verweist auf Orte und Handlungen, darauf wie eine multikulturelle Gesellschaft kommuniziert und funktioniert.
Sprache und Stadt bestimmen Zugehörigkeit und setzen Grenzen, gleichzeitig unterlaufen sie dieselben: Ihre potentielle Offenheit und Veränderbarkeit machen sie zu kulturellen Motoren. So wie die Stadt als permanente Baustelle mit Renovierungen bestehender Strukturen und Erschließung neuer Stadträume funktioniert, operiert die Sprache mit ihrer Tradierung des Informationsflusses, ihren kreativen Re- und Neuformulierungen. In der Sprache wird die Stadt immer wieder neu definiert, in ihrem Wandel und ihrer Vielfalt spiegelt sich die Gesellschaft.
Tobias Gerber, Musiker, ZHdK
Ingo Starz, Kunsthistoriker, ZHdK
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