Interview mit Thorsten Möhle von Pixelmolkerei AG

Dankbar, dem strömenden Regen zu entfliehen, finde ich meinen Weg durch eine versteckte Gasse inmitten Churs in ein altes, verwinkeltes Gebäude. Am oberen Ende der steinernen Wendeltreppe werde ich wärmstens von Laraine Redmond und Thorsten Möhle in Empfang genommen. Zusammen haben sie 2009 die Pixelmolkerei AG gegründet und leiten hier ein Team von rund 14 Kreativen — ausserdem sind sie ein Ehepaar.

Wir laufen quer durch das tiefdeckige Atelier, vorbei an verschiedensten Werkbänken, 2D- und 3D-Druckern, Fotografieeinrichtungen und Serveranlagen; im Büro mache ich es mir gemütlich, während man mich mit Kaffee und Übermengen an Weihnachtsschokolade beglückt.

Als allererstes bekomme ich die diesjährige Festtagskarte in die Hand gedrückt. Darauf ist das Team als Star Trek-Crew zu sehen, die in einem kurzen Comic nicht nur internationalen, sondern gleich intergalaktischen Kunden ein frohes neues Jahr und gute Zusammenarbeit wünscht.

Thorsten kommt ursprünglich aus dem Maschinenbau und ist seit gut 25 Jahren 3D-Artist. Seinen Arbeitsbereich schätzt er ungefähr als 80% medizinischen Nutzens und 20% kommerziell ein. Laraine ist für die Geschäftsführung zuständig, scheut sich aber nicht vor handwerklicher Arbeit.

Seit eineinhalb Jahren hat die Pixelmolkerei in Montreal einen kleinen Ableger, wo überwiegend Programmierer tätig sind. In der Schweiz leide man eben an Fachkräftemangel, erfahre ich.

Obwohl die Endprodukte oftmals digital sind, ist man hier bestens fürs physische Basteln ausgestattet. Für Mixed Reality-Projekte müsse man Prototypen erstellen; mit Sensoren arbeiten, verkabeln, löten. Auch Storyboards würden gern von Hand umgesetzt. Und als Beobachter im OP mache man zwar viele Fotos, aber die Handzeichnungen blieben unersetzlich.

Bei den didaktischen 3D-Visualisierungen der Pixelmolkerei steht das Produkt des Kunden in direktem Bezug zum Anwendungsbereich der medizinischen Prozedur. Das Bildmaterial wird aus Perspektive des Chirurgen dargestellt. Die 3D-Artisten haben stets die Endfunktion vor Augen; sie reduzieren gezielt auf das Wesentliche und beziehen sich auf den Sichtpunkt der Fachexperten.

In der Pixelmolkerei werden also vollständige VR-Trainingssimulationen für Ärzte konstruiert; nur selten erstelle man hier einzelne Assets. “Kunden kommen zu uns, weil sie alles aus einem Guss bekommen”, erklärt Thorsten. Tatsächlich werden in der Firma auch eigene Plugins, teils sogar ganze Programme entwickelt und vertrieben. Es sei essenziell, die eigenen Werkzeuge durch und durch zu verstehen. “Die Software ist wie ein Bleistift. Sie macht dich nicht zu einem besseren Künstler, du machst es. Und wenn du nicht weisst, wie ein Spitzer funktioniert, hast du irgendwann ein Problem.” Fair enough.

Das Team besteht also aus Generalisten. Ich erkunde mich: woher kommen die Mitarbeiter? Sind sie Quereinsteiger, Autodidakten? Studierte? Auf Werdegang und Diplome werde hier nicht so stark geachtet, meint Thorsten. Man wolle eher wissen, wo die Leute jetzt sind. Im aktuellen Team befinden sich Personen aus dem Bootsbau, Game Design, Concept Art und der Patisserie. Heutzutage könne zwar jedermann 3D-Programme und dergleichen nutzen; aber: “egal, welches Programm du benutzt: ohne Inspiration kriegst du nix raus.”

Thorsten hat den Aufstieg der digitalen Gestaltung aktiv miterlebt. Zukunftsprognosen und Programmempfehlungen fallen ihm aber schwierig; die gefragten Software- und Workflowkenntnisse würden sich rasch ändern. Zudem seien sie je nach Industrie und Land sehr unterschiedlich. Was man aber feststellen könne, sei, dass Fotografie nicht mehr so präsent sei und aufgrund immer engerer Zeitvorgaben digitale 3D-Arbeiten bevorzugt würden.

Der Wechsel von Anstellung zu Selbständigkeit war nicht unbedingt bewusst; es habe sich der Umstände halber einfach so ergeben. Das Risiko, ohne Kunden dazustehen, bleibe plusminus gleich – aber die Verantwortung steige. “Selbständig arbeitest du statt acht Stunden zwölf.”

Home Office sei kein grosses Thema, da man hier oft mit vertraulichen Daten arbeite. Ausserdem sei der konstante Austausch, der im Atelier stattfinde, unglaublich wertvoll.

Bezüglich Kundschaft wähnt sich Thorsten im Glück. Er habe viele langjährige Rapporte sichern können und werde auch gerne mal von bestehenden Kunden weiterempfohlen. Hilfreich seien auch der Austausch auf fachspezifischen Veranstaltungen und eine Teamplayer-Mentalität bezüglich interdisziplinärer Kollaborationen.

Die Pixelmolkerei ist international tätig. Dadurch müsse man auch mit internationaler Konkurrenz kämpfen. Die globale Kommunikation sei aber ein Mehraufwand, der sich lohne.

Ich erinnere mich an die Postkarte zurück. Meine Frage, ob seine Arbeit im Gegenzug auch so wertgeschätzt wird, bejaht Thorsten geruhsam.

“Grundsätzlich ja, aber viel wichtiger: du musst wissen, was deine Arbeit wert ist.”

Andererseits: “Wüssten die Kunden, was es braucht, um zu diesem Produkt zu kommen, könnten sie es ja selber.”

Ich frage Thorsten, ob er eher ein Produkt oder eine Dienstleistung anbietet.

Er habe sich schon immer als Dienstleister gesehen, beschwichtigt er. Er erklärt: Ein Künstler macht Kunst und der Endpreis wird von den Interessenten genannt. Ein Schreiner beispielsweise setzt den Preis seiner Arbeit hingegen selbst und nimmt Aufträge entgegen.

Zum Abschluss frage ich Thorsten und Laraine, wie es denn sei, mit dem Ehepartner zu arbeiten. Nonchalant bekomme ich unabhängig zweimal dieselbe Antwort: Arbeit und Privatleben seien klar getrennt, und solange die Kommunikation und das Vertrauen da seien, gäbe es absolut keine Nachteile.

Und weshalb der Name Pixelmolkerei?

“Das war eine Bieridee. Aber es kommt international gut an, trotz – oder gerade wegen – der Verspieltheit.

Wir können dahinter stehen, und das ist das Wichtigste.”


www.pixelmolkerei.ch

 

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