Interview mit Nadja Baltensweiler

Nadja Baltensweiler arbeitet heute als selbstständige Illustratorin und Grafikerin mit besonderem Interesse für medizinische Illustration.

Für das Interview begebe ich mich nach Emmenbrücke Luzern in ihr Atelier, welches sie mit anderen Grafiker_innen und Illustrator_innen teilt. Nach einer kurzen Tour durchs Atelier setzen wir uns auf die Couch und beginnen auch sogleich mit dem Interview.

Sie erzählt mir, dass sie den Beruf schon seit klein auf kenne, da beide Elternteile Wissenschaftliche Illustratoren sind und sie dementsprechend gefördert wurde. Nach dem Gymnasium war sie sich noch im Unklaren, in welche Richtung sie gehen wollte, doch wusste sie, dass Gestalten ihre Stärke war und machte deshalb den Vorkurs. Darauffolgend fing sie das Studium zur wissenschaftlichen Illustratorin in Luzern an.

2010 schloss sie den Bachelor ab und arbeitete zuerst selbständig, jedoch hatte sie Mühe sich als selbständige Illustratorin zurecht zu finden. Sie arbeitete auch temporär angestellt an verschiedenen Orten und bewarb sich für ein Atelierstipendium in Paris, welches sie prompt bekam.

Nach der spannenden Zeit in Paris als sie zurückkam, entschloss sie sich einen Master in Graphic Design anzuhängen und machte währenddessen zusätzlich noch einen Austausch in Maastricht, um sich dort auf das medizinische Zeichnen zu spezialisieren.

 

Für Nadja war der Fokus früher eher auf Tiere und Pflanzen gerichtet, was vielleicht noch von einem kindlichen Interesse dafür stammte, erzählt sie mir. Heute interessiere sie sich jedoch am meisten für die medizinische Illustration, weil es die grössten Herausforderungen sind und sie sich mit viel Zeit und Hingabe der Spezialisierung in diese Richtung gewidmet hat und endlich regelmässig Aufträge aus dieser Branche reinkommen. Deshalb freue sie sich auch sehr über diese Themen, da es sich endlich für sie auszahlt. In der medizinischen Illustration kommt es vor, dass es sich um sehr schwierige komplexe Sachverhalte handelt, bei denen man viel überlegen und recherchieren muss, wie man sie richtig Umsetzen will. Es ist ein besonders großartiges Erfolgserlebnis, wenn man nicht einfach etwas abzeichnet, sondern wenn man mit seiner Expertise als Wissenschaftliche Illustratorin auch helfen kann etwas zu vermitteln.

 

Ihr Master in Graphic Design hat ihr in vielerlei Hinsichten weitergeholfen. Wenn sie mit einem Grafiker oder einer Grafikerin zusammenarbeitet, kennt sie seine_ihre Situation und hat eine Ahnung, was seine_ihre Aufgaben und Herausforderungen sind. Zudem ist es praktisch, dass sie alles auch gleich selbst machen kann, was ihr mehr Freiheiten gibt. Wobei es sich wirklich gelohnt hat war ihr Selbstvertrauen. Sie habe diese Ausbildung gemacht, in ihrem CV steht sie sei Grafikerin und das gibt ihr das Selbstvertrauen, dass sie das professionell macht. Lustigerweise habe sie in dieser Ausbildung in anderen Themen fast mehr profitieren können als nur in der Grafik. Zum Beispiel Projektmanagement. Im Master musste sie eine Wissenschaftliche Arbeit schreiben, wobei sie gemerkt hat, was das alles beinhaltet.

 

Auf die Frage was sie bei Blockaden macht und ob es schonmal vorkam das sie den Inhalt eines Auftrages gar nicht verstanden hatte antwortet sie, dass es bei medizinischen Sachverhalten schon einige Male vorgekommen sei. Das Schwierige ist, dass es je nach Thema keine korrekten Vorlagebilder und eindeutige Beschreibungen davon gibt und der Kunde es nicht immer sehr verständlich erklären kann. „Manchmal ist es als würde dir jemand eine Fantasieblume erklären und du müsstest sie zeichnen. Du kannst sie gar nicht genau so zeichnen.“ Es gab mal einen Fall, da kriegte sie eine Zeichnung einfach nicht richtig hin, trotz mehrfacher mündlicher Erklärung und einigen schlechten Referenzbildern aus Büchern. Da bot ihr der Anatome schlussendlich an den Sachverhalt an einem Präparat zu zeigen, dies half ihr sehr. Seither weiss sie, dass in verzweifelten Situationen das Betrachten eines Präparats mit dem _ der Auftragsgeber_in oder ein Foto, welches der_ die Auftraggeber_in selbst gemacht hat, sehr hilfreich ist, um einen Sachverhalt besser verstehen zu können. Es ist allerdings eine Ausnahme, dass man Zugang zu Präparaten erhält. Sie muss sich selbst immer daran erinnern, „Ich bin Zeichnerin und nicht Anatomin, es ist die Aufgabe der Auftragsgeberin bei den Sachen, die nicht Standard in Büchern sind, mir diese so zu erklären, dass ich sie verstehen und zeichnen kann.“

Bis vor einem halben Jahr arbeitete sie neben der Selbständigkeit Teilzeit an der Universität Zürich. In dieser Periode hatte sie absolut keine Zeit, um an privaten Projekten zu arbeiten, weil es sehr anstrengend war zwei Jobs zu haben. Das habe sie so ausgelastet, dass sie sich in ihrer Freizeit nur noch ausruhen konnte. Als sie dort aufhörte, nutzte sie die neu gewonnene Freiheit, um ein eigenes Projekt in Form von Aquarellen umzusetzen. Die Ergebnisse konnte sie auch gleich als Weihnachtskarte für Ihre Kunden brauchen.

Ansonsten habe sie in ihrer Freizeit auch wieder angefangen eigene Projekte zu machen, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. „Ich sticke (lacht), ich weiss es klingt ungewohnt, aber es ist eine gute Kombination zur wissenschaftlichen Illustration, weil man beim Sticken nicht so viel planen kann“. Da sie eine grosse Perfektionistin ist, täte es ihr zur Auflockerung sehr gut mal nicht planen zu müssen. Ansonsten liest und wandert sie gerne.

 

Zuletzt frage ich sie ob es noch einen bestimmten Wunschauftrag oder Idealauftrag gibt, den sie in Zukunft gerne einmal illustrieren möchte. Sie erzählt mir, dass sie als Masterarbeit eine kleine Publikation über die weiblichen Geschlechtsorgane gemacht hatte und sie schon lange davon das Äquivalent für die männlichen Geschlechtsorgane machen wolle, doch käme sie nicht dazu, da es viel Zeitaufwand ist alle Spezialistinnen zusammen zu trommeln und viel Energie kostet. Wenn Ihr jemand nun den Auftrag geben könnte und sie dafür zusätzlich noch bezahlt wird, wäre das natürlich „Mega cool, weil ich dann das, was ich schon seit Jahren machen möchte endlich realisieren könnte. Und vielleicht wird das dieses Jahr so sein (lacht).“

 

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