Forschung

Forderungen nach Design als kritischer Praxis und ein um Ausstellungsszenarien, virtuelle und skulpturale Elemente erweiterter Designbegriff bestimmen zunehmend die Diskussionen um zeitgenössisches Produkt- oder Grafik-Design.

Martino Gamper, If Gio Only Knew, Performance Designmesse Basel/Miami, 2007

Martino Gamper, If Gio Only Knew, Performance Designmesse Basel/Miami, 2007

Wenn Designer/innen wie Martino Gamper Einzelstücke in einem sozial-kollaborativen Prozess herstellen oder die Kollektive Front und Kueng/Caputo visuelle Aspekte und Fragen der Autorschaft in den Vordergrund ihrer Arbeit rücken, werden die Spielräume der eigenen Disziplin selbstreflexiv befragt. Durch Musealisierungsprozesse, die mediale Popularisierung des Designs sowie kollaborative Praktiken ist in den vergangenen 30 Jahren ein Werkbegriff des Designs entstanden, der sich nicht primär auf Kunst, sondern auf das Selbstverständnis der eigenen Disziplin bezieht. Und dies bleibt natürlich auch von Seiten der Kunst nicht unbemerkt. Nachdem in den 1990er Jahren einige Künstler und Kollektive wie Tobias Rehberger, Jorge Pardo oder N55 im Kunstkontext tatsächlich funktionierende und benutzbare Möbel produzierten, scheinen aktuelle künstlerische Positionen wie Florian Slotawa, Mamiko Otsubo oder Thea Djordjadze weniger an tatsächlicher Funktionalität, sondern eher an einem potentiellen „Bereitstellen“ einer Ordnung von Dingen interessiert. Spricht der britische Autor Alex Coles bei den Lounge-Einrichtungen eines Jorge Pardo noch von einer symbiotischen „Design-Art“, so lassen sich dysfunktionale Möbelfragmente eines Florian Slotawa wohl treffender als „Kunst aus und über Design“ bezeichnen.

Mamiko Otsubo, Sitting On Ghosts, 2006

Mamiko Otsubo, Sitting On Ghosts, 2006

Möbel

Mit der Objektkategorie Möbel untersucht das Projekt Gegenstände, in denen sich soziologische, ökonomische und ästhetische Themen berühren. Möbel können als Alltagsobjekte die Rolle eines Indikators für eine zeitgeschichtliche Analyse übernehmen, um etwa über technische, ökonomische sowie soziale Standards Aufschluss zu geben. Die ästhetische Erscheinung und der Stil eines Möbels lässt Rückschlüsse auf Lebensweisen und Milieus zu. Die Beziehung zum Möbel kann viele Formen annehmen: von dem Verhältnis eines Kunden zur Ware über den Gebrauchsgegenstand als Teil eines Lebensstils bis hin zur Betrachtung eines Gegenstands als Werk – entweder im Kontext der Kunst oder im Kontext des Designs.

In jedem Fall liefert die Objektkategorie des Möbels vielfältige Interpretationsansätze zu den Themenkomplexen der Lebenswelt, Objektbeziehung sowie Kunst- und Designgeschichte. In der Beschäftigung mit Möbeln in der Kunst sowie mit zweckoffenen Möbel-Objekten im Design untersuchen wir auch die Grenzen dessen, was im Hinblick auf einen möglichen Gebrauch noch Möbel genannt werden kann. Die Designerin Julia Lohmann arbeitet zum Beispiel an diesen Grenzen der sprachlich-kulturell geprägten Erwartungen an ein Möbel: Ihre Couch „Belinda“ besteht aus den klassischen Materialien des Möbelbaus, jedoch folgt die Form völlig der eines Rinderkörpers. Hier wird der Körper jener Kuh nachgebildet, die Referent der Form und gleichzeitig Lieferant des Materials ist. Das entstandene Möbel ist der liegende Torso eines Rindes ohne Kopf und Füsse (Belinda, 2005).

Jasper Morrison, Some New Items for the Home, Part I, 1988

Jasper Morrison, Some New Items for the Home, Part I, 1988

Projekte

– „Prototyp – Möbel in Design und Kunst“ 2008-2009: Die Perspektive der Autoren und Produzenten wurde in Interviews, einem Workshop und einem Symposium untersucht.

– „Prototyp II – Re-Präsentationen von Möbeln in Design und Kunst“ 2010-2011: Der Fokus konzentriert sich auf Warenauslagen, Gebrauchszusammenhänge ebenso wie Installationen in musealen Ausstellungsdisplays als Schnittstellen zwischen Produzenten und einem Publikum sowie potentiellen Nutzern. Durch einen multiperspektivischen Forschungsprozess mit bild-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Methoden werden Aneignungen zwischen den Feldern von Kunst und Design sichtbar gemacht und Verknüpfungen zwischen den Fachgebieten Kunst- und Designtheorie sowie Soziologie hergestellt. „Prototyp“ betrachtet Entwicklungen beider Disziplinen vor allem im Zeitraum seit den 1980er Jahren sowie einzelne Parallelen zu historischen Avantgarden. Das Forschungsteam arbeitet an folgenden Themenbereichen:

– Formulierung eines Werkbegriffs für das Design – Ästhetik der Lebenswelt in der Kunst Reflexion aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen – Möbel als Schauplatz eines Körperdiskurses – kritische Bewertung der untersuchten Positionen im Vergleich zu historischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts

Österreichischer Pavillon, Werkbund-Ausstellung Köln, 1914 (Quelle: Archiv Architektury, Národního Technického Muzea v Praze)

Österreichischer Pavillon, Werkbund-Ausstellung Köln, 1914 (Quelle: Archiv Architektury, Národního Technického Muzea v Praze)