Revisiting Black Mountain?

Zentrale Elemente der Debatte um die Ausrichtung und den Stellenwert von Kunst- und Designhochschulen scheinen im legendären Black Mountain College bereits vorformuliert, sogar modellhaft verwirklicht zu sein: Interdisziplinarität, die Zentralität des Experimentierens für das Lernen und Lehren, Projekt- und Anwendungsbezogenheit, Strategien von Selbstorganisation und Emergenz sowie die Frage nach der nicht nur impliziten Verknüpfung von Künsten bzw. dem Design mit Demokratiediskursen und gesellschaftlicher Verantwortung.

Es wäre allerdings naiv und historisch nicht haltbar zu glauben, es gäbe eine Kontinuität, sogar eine Linearität, die vom Black Mountain College zu den curricularen und systemischen Debatten heutiger Kunst- und Designhochschulen führt. Und es wäre geradezu zynisch einer unreflektierten Identifikation Vorschub zu leisten, die die Fragen nach Demokratie, Freiheit der Lehre und dem Stellenwert der Künste und des Designs für die Gesellschaft, wie sie im Black Mountain College vor dem Hintergrund einer Flucht- und Vertreibungsgeschichte relevant und gelebt wurden, mit gegenwärtigen Diskursen gleichsetzt.

Allerdings ist die Geschichtsschreibung des Black Mountain College selbst auch als eine Geschichte der Projektionen und Zuschreibungen lesbar und wird in dieser Hinsicht als Spiegel, vielleicht auch als Wunschmaschine produktiv. Schon ein Blick auf das legendäre „Theate Piece No.1“, das als improvisatorisch-experimentelles die Grenzen der Disziplinen sprengendes Event als neo-avantgardistische Ursprungslegende gilt, zeigt dies. Gesicherte Dokumente und Materialien gibt es kaum dazu, wohl aber eine lang nachhallende oral history, die die Freiheit, Autonomie und Kollektivität der Künste feiert, – wobei sich Zeitzeugen eher wundern, dass eine der Kunst-Sessions im Speisesaal zu einem veritablen Gründungsmythos der Kunstgeschichte avancierte.

Im Kollegium Kuration an der ZHdK war es uns deshalb wichtig, danach zu fragen, warum die Auseinandersetzung mit dem Black Mountain College gegenwärtig eine Renaissance erlebt?

Und die Antworten, die darauf zu geben wären, nicht nur diskursiv und forschend, sondern auch in der künstlerischen Reflektion und Produktion selbst zu suchen. In Open Calls an Studierende, Forschende und Lehrende der ZHdK haben wir deshalb zu einer Auseinandersetzung mit dem College, seinen künstlerisch-edukativen Verfahren und daran anschliessenden Fragen aufgerufen. Die für uns produktivste (und dabei auch ehrlichste Form der Auseinandersetzung) mit dem historischen Black Mountain College schien uns zu sein, dieses als Anregung und als ein Assoziationspotential zu begreifen, über das Kunst- und Designstudieren heute nachzudenken.

Die Resonanz war gross und ein grosser Teil der Ergebnisse der teils bis in das Frühjahr 2017 künstlerischen und edukativen Beschäftigung werden als Revisiting Black Mountain vom 19. April bis 03. Juni 2018 im Toni-Areal in Form von Ausstellungen, Workshops, Installationen, Performances und Interventionen präsentiert und zu sehen sein.

In Kooperation mit dem Museum für Gestaltung Zürich ist zudem eine eigens kuratierte Ausstellung zum historischen Black Mountain College entstanden, die die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Lehrenden und Lernenden fokussiert.

Revisiting Black Mountain ist auch ein Netzwerk, mit dem sie in Kontakt treten und sich beteiligen können. Melden Sie sich/meldet Euch bei den jeweils angegebenen Mailadressen – nicht nur wenn es um die Anmeldung zu Workshops geht.

Entstanden ist eine Kuration, die die Resonanz auf das Phänomen Black Mountain College in die ZHdK zurückprojiziert. Drei Motive zeichnen sich vielleicht in diesem Bild bereits ab. Es geht um die Faszination an der tabula rasa, um die Möglichkeit auf der grünen Wiese die Künste und das Design anders und in Kooperation neu denken und experimentieren zu können. Es geht darum, die Offenheit der künstlerischen Lern- und Entwicklungsprozesse zu behaupten und darum, wie das Diktum form follows function auch den Ausbildungssystemen selbst implementiert werden kann.

Diese mit dem Black Mountain College verknüpfbaren Wünsche sind nicht naiv. Denn sie stellen die zentrale Voraussetzung dar, immer wieder neu anfangen und damit künstlerisch und kreativ überhaupt erst wirksam werden zu können.

Für das Kollgium Kuration,
Prof. Dr. Jochen Kiefer
Leiter Praxisfeld Dramaturgie, ZHdK