Die Debatte über Reformen der künstlerisch-gestalterischen Ausbildung im Rahmen einer staatlichen Institution wie etwa einer Kunsthochschule, läuft unter der dem Einfluss der Megatrends Globalisierung und Digitalisierung hitziger denn je. Nicht nur unser Lifestyle und der Markt, sondern auch die Ausbildung ist technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends unterworfen, die immensen Druck auf Ausbildungsziele, Formate und Methoden ausüben.
Betrachten wir den Zeitgeist so lässt sich festhalten, dass wir uns in einer beschleunigungsgetriebenen Optimierungsgesellschaft bewegen. Effizienz, Automatisierung, Standardisierung, Transparenz sind dominante Triebfedern unserer Zeit. In unserer heutigen westlichen Gesellschaft sind Informationen zu einer ständig verfügbaren Ressource geworden, die durch die fortschreitende Digitalisierung mehr und mehr demokratisiert wird. Open-Source-Wissen und Knowledge-Sharing bestimmen unser tägliches Leben. Zudem erlauben uns verschiedene Technologien unabhängig von unserem mobilen nomadischen oder lokalen Lebensstil, dass wir jederzeit und allerorts individualisiertes Wissen konsumieren wie anbieten können. Parallel treten Spannungsfelder zwischen „High Tech“ und „High Touch“ in Erscheinung. Durch Technologisierung und Fragmentierung entsteht eine Entkopplung und eine Entfremdung von Herstellungswissen, was wiederum eine Sehnsucht nach Material und das Verlangen nach Greifbarkeit, Handwerk und Tradition initiiert. So entwickelt sich eine neue Kraft der DIY-Ökonomie und Makers Culture.
„Making“ und „Doing“ rücken bei den Studierenden der ZHdK aktuell wieder ins Zentrum. Sie fordern neben Kenntnissen über VR-Technologien Retro-Wissen über Analogfotografie ein. Gleichzeitig entwickeln wir uns weg von einer „attention economy“ hin zur „intention economy“ und die „echte“ persönliche Erfahrung rückt in den Fokus. Nicht nur passives Lesen und Zuhören, sondern das authentische Erleben und Mitmachen erscheinen zunehmend relevanter. Persönliche Relevanz und Erleben sowie nachhaltiger Nutzen werden zu wichtigen Filtermechanismen der Studierenden. Auch Partizipation wird nebst dem Wunsch nach Kollektivität und Kollaboration immer entscheidender und beeinflusst gestalterisches Handeln. Inter-, Trans,- und Multidisziplinärität verknüpfen sich mit einem massiven Streben nach Individualität und fordern unter dem Begriff „New Work“ neue Konzepte für flexible Arbeits- und Ausbildungsstrukturen ein. Aber der Megatrend Gesundheit verändert die Anforderungen an eine Kunsthochschule. Unter den Begriffen Self-Care und Holistic Health entsteht ein ganzheitliches Verständnis von Körper und Geist, das sich im Verhältnis von Freizeit und Arbeit, Lernen und Leben widerspiegelt. Work-Life-Balance- wird von „Work–Life–Blending“ abgelöst, das den fließenden Übergang von Privatem und Beruflichen propagiert. Gleichzeitig stellen neue Werteorientierungen hin zur Dekommerzialisierung und Besitzverzicht, den bewussten Umgang mit Ressourcen und sozialer Verantwortung die Ausbildung im Design vor große Herausforderungen.
So ist es an der Zeit darüber nachzudenken, welche Erneuerungsprozesse hier an der Zürcher Hochschule der Künste notwendig sind, um Lehre im Design und Design als Disziplin zukunftsfähig zu machen. Als Einstieg zur Reflexion dient das Black Mountain College, ein Ort, wo Experimentieren, kollektive Isolation, Feldarbeit und Selbstversorgung Teil der Lehre waren. Zeit, alternative Lehr- und Lernformaten wie Open School und University of the Underground Beachtung zu schenken, die neben staatlich anerkannten Ausbildungskonzepten aus dem Boden spriessen, wenn ein „Lack of value for majority buildings in western democracies“ (David Bossard) entsteht. Die Installation „Shape future education!“ bringt verschiedene Zukunftsvorstellungen und Prognosen unterschiedlicher Zukunftsdenker*innen zusammen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Zukunft selbstverständlich nicht direkt erlebt werden kann, sondern ein psychisch konstruierter Zustand ist (Philip Zimbardo). Es soll der Versuch unternommen werden, der ungeborenen Zukunft eine Stimme zu geben, der man kopfnickend oder kopfschüttelnd gegenüberstehen kann, denn eines sollte beim Visionieren über zukünftige Entwicklungen bewusst sein, dass es sich nie um exakte Prognosen, sondern lediglich um Perspektiven handelt, und dass Zukunft immer aus entwerfenden und unterwerfenden Vorstellungen und Ideen (von Borries) wächst. Zukunftsvorstellungen zu entwickeln ist demnach Zukunftsgestaltung.
Prof. Bitten Stetter