Transdisziplinarität definiert sich als problemorientiertes Arbeits- und Organisations- bzw. Forschungsprinzip. Probleme aus der Lebenswelt werden durch die Integration von verschiedenen disziplinären und/oder lebensweltlichen Denkmustern und Handlungsperspektiven gelöst, die auf unterschiedlichen Wissensformen basieren. Transdisziplinarität involviert in diesem Sinne verschiedene Arten von Forschungsfragen, die in gegenwärtigen Studien zur Vereinfachung und Systematisierung in drei verschiedene Kategorien von Wissensformen zugeordnet werden (vgl.: Pohl, Hirsch Hadorn 2006; Wiesmann 2008; Hirsch Hadorn 2005). Relevante Fragestellungen betreffen den gegenwärtigen Ist-Zustand (Systemwissen), den Soll-Zustand (Zielwissen) und Fragen darüber, wie vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand der Forschung zu gelangen ist (Transformationswissen) (Pohl, Hirsch Hadorn 2006):

Wissensformen Forschungsfragen

Systemwissen
erforscht empirische Fragen.

Fragen zur Genese und möglichen Entwicklung eines Problems und seiner lebensweltlichen Interpretationen.
Zielwissen
formuliert Ziele für einen besseren Umgang mit Problemen.
Fragen zur Bestimmung und Begründung von praktischen Zielen.
Transformationswissen
erforscht, wie bestehende Verhaltens- und Handlungsweisen verändert werden können.
Fragen zur Entwicklung prak-
tischer Mittel (technische, soziale, rechtliche, kulturelle u.a.) und
Fragen zur Veränderung bestehender und zur Einführung von erwünschten Praktiken.

 

Forschungsfragen zu einer der drei Wissensformen können nicht isoliert betrachtet werden, da diese in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen. Transformationsuntersuchungen beispielsweise gehen von einem gewissen Systemwissen aus und haben im Vorfeld ein bestimmtes, für die Studie wichtiges Zielwissen definiert. Es gehört zu den Herausforderungen transdisziplinärer Forschungs- und Projektarbeit, Probleme zu erfassen und aus den verschiedenen Blickwinkeln aller Beteiligten zu beleuchten und diese auch angemessen zu berücksichtigen. Die bewusste Unterteilung in System-, Ziel- und Transformationswissen sowie die Beachtung ihrer gegenseitigen Abhängigkeit kann ein Mittel zur Komplexitätsreduktion eines Forschungsvorhabens darstellen. Ebenso ermöglicht es eine Präzisierung der eigenen Forschungsfrage und zeigt gegebenenfalls Lücken auf.

Die drei Wissensformen sind für alle Bereiche der transdisziplinären Forschung relevant und werden auch für die Analyse von Forschung- oder Projektarbeiten zwischen den Künsten und/oder den Wissenschaften angewandt.

 

Literatur

Hirsch Hadorn, Gertrude: Anforderungen an eine Methodologie transdisziplinärer Forschung. In: Technikfolgenabschätzung Theorie und Praxis, Vol. 2, Nr. 14, 2005, S. 1-6.

Hirsch Hadorn, Gertrude; Hoffmann-Riem, Holger; Biber-Klemm, Susette; Joye, Dominique; Pohl, Christian; Wiesmannn, Urs; Zemp, Elisabeth (Hg.): Handbook of Transdisciplinary Research. Dordrecht 2008.

Jantsch, Erich: Towards Interdisciplinarity and Transdisciplinarity in Education and Innovation. In: C.E.R.I: OECD, 1972, S. 97-121.

Pohl, Christian; Hirsch Hadorn, Gertrude: Gestaltungsprinzipien für die transdisziplinäre Forschung. München 2006.

Wiesmann, Urs; Biber-Klemm, Susette; Grossenbacher-Mansuy, Walter; Hirsch Hadorn, Gertrude; Hoffmann-Riem, Holger; Joye, Dominique; Pohl, Christian; Zemp, Elisabeth: Transdisziplinäre Forschung weiterentwickeln: Eine Synthese mit 15 Empfehlungen. In: Frédéric Darbellay, Theres Paulsen (Hg.): Le défi de l’inter- et transdisciplinarité: Concepts, méthodes et pratiques innovantes dans l’enseignement et la recherche. Herausforderung Inter- und Transdisziplinarität: Konzepte, Methoden und innovative Umsetzung in Lehre und Forschung. Lausanne 2008, S. 169-182.

(vr)


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