Zur Zeit riecht es gut im treelab. Es ist die Brassia-Orchidee, die Edgar auf dem kleinen Tisch im Labor zum Anschauen aufgestellt hat. Obwohl diese Orchidee in der freien Wildbahn nicht vorkommt, weil sie gezüchtet wurde (also ein Hybrid, eine Kreuzung ist), zeigt sie doch ein paar schöne und erstaunliche Details vieler Brassia-Arten.

Die Orchideen der Gattung Brassia kommen im tropischen Amerika vor – diese sind wie viele Orchideen Epiphyten, das heisst, sie wachsen auf anderen Pflanzen. Das tun sie nicht parasitär (indem sie vom Saft der Bäume leben wie das Misteln zum Beispiel machen), sondern sie benutzen grössere Pflanzen wie Bäume oder Lianen als Unterlage und Pflanzen- und Mossreste, die sich zum Beispiel in Astgabeln angesammelt haben, als Substrat, um sich mit ihren Wurzeln festzuhaten.

Epiphyten leben deswegen auf Bäumen, weil es im Dschungel unter dem dichten Blätterdach der grossen Bäume sehr wenig Licht gibt und sie im Kronenraum viel mehr Licht bekommen, um wachsen zu können. Dieser Vorteil ist aber zugleich ein Nachteil. Da die Pflanzen nicht im Waldboden wurzeln, ist ihr Zugang zu Wasser und Nährstoffen sehr limitiert. Epiphyten haben die unterschiedlichsten Strategien entwickelt, um trotzdem in luftiger Höhe überleben zu können – einige Beziehen Wasser und Nährstoffe direkt aus der Luft (Luftfeuchtigkeit und Regen), indem sie Wurzeln entwickelt haben, die Wasser direkt aus der Atmosphäre aufsaugen können. Andere bunkern das wertvolle Nass, Bromelien zum Beispiel haben in ihrer Mitte einen Trichter, in dem sie das Wasser von Regenfällen speichern. Fallen Pflanzenreste und/oder Insekten in den Trichter, sind sie eine willkommene Nährstoffquelle. Anders die Brassia: Sie speichert Wasser und Nährstoffe in ihren Pseudobulben, das sind die Verdickungen am Fuss ihrer Blätter. Ihr kriechendes Rhizom (ihre Wurzeln) produziert immer neue Ausleger, deren Pseudobulben sich während einer Wachstumsphase langsam prall füllen und zu richtigen Vorratsbeuteln werden.

Einige Orchideen tricksen bei der Bestäubung spezifische Insekten aus, indem sie ihnen vorgaukeln, sie seien ein Sexualpartner oder ein Beutetier – diese Strategie nennt man Mimikry: „Von einigen Brassia-Arten ist bekannt, dass sie von Wegwespen bestäubt werden. Wespen deren Beute Spinnen sind, werden durch das Aussehen der Blüten getäuscht und greifen sie an. Beim Versuch, die Blüte zu greifen und abzutransportieren, werden der Wespe Pollinien angeheftet, bzw. schon am Körper des Insekts vorhandene Pollinien werden auf der Narbe platziert.“ (Wiki)

Hier eine tropische Spinne, die ich in der Acamdey of Sciences in San Francisco fotografiert habe.

In den Baumkronen tropischer Regenwälder kommen 24’000 oder mehr Epiphytenarten vor, sie machen 10% der weltweiten Pflanzenbiodiversität aus.

Empfohlene Literatur:

Jaboury Ghazoul, Douglas Sheil: Tropical Rain Forest Ecology, Diversity and Conservation, Oxford: Oxford University Press 2010.